Spielerei-Rezension
Sicher kennen Sie diese Art von Spielen: Die Mitspieler sitzen um den Tisch und blicken angestrengt auf den Spielplan. Der ahnungslose Zuschauer fragt in die Runde, was denn hier gespielt wird, bekommt aber keine Antwort von den grübelnden Teilnehmern. Plötzlich erwacht einer aus seiner Erstarrung, ruft eine Zahl in den Raum und beginnt, die Spielfiguren zu ziehen. Seine Mitspieler schauen bewundernd zu ihm auf. Etwas in der Spielaufstellung wird geändert und wieder starren alle wie abwesend auf den Spielplan.
Hier wird z.B. Rasende Roboter von Alex Randolph gespielt oder Corona vom gleichen Autor (später als Orbit erschienen), oder auch Ikarus von Reinhard Staupe. Bei diesen Spielen müssen alle Spieler gleichzeitig eine Aufgabe lösen, der/die schnellste (oder beste) LöserIn bekommt einen Siegpunkt. Nach einer Anzahl von gelösten Aufgaben gewinnt der Spieler mit den meisten Siegpunkten.
Dem gleichen Spielablauf folgt Friedemann Frieses neues Spiel Flickwerk. Die Aufgabe besteht darin, ein Netzwerk aufzubauen. Auf einem drei mal drei Felder großen Spielplanraster sind Plättchen mit aufgedruckten Kabelteilen so anzuordnen, dass die am Spielfeldrand positionierten vier Computer miteinander verbunden werden. Dabei reicht es, jeweils zwei Computerpaare aus gleichfarbigen Spielsteinen zu verbinden.
Die zur Verfügung stehenden Plättchen zeigen verschiedene Kabelstücke, die jeweils von Plättchenrand zu Plättchenrand verlaufen. Es gibt Kurven, gerade verlaufende Kabel, T-Stücke, eine Kreuzung und auch ein einzelnes Endstück, auf dem das Kabel in einem Stecker endet. Von den zwölf Spielplättchen sind neun zum Aufbau des Netzwerkes zu nutzen. Das mittlere Plättchen ist in der Aufgabenstellung vorgegeben, die anderen können beliebig aus den übrigen elf Plättchen gewählt werden. Alle Plättchen müssen natürlich so gelegt werden, dass die aufgedruckten Kabel miteinander verbunden werden. Kein Kabel darf am Plättchenrand abgeschnitten werden. Dort, wo am Spielfeldrand ein Computer steht, muss ein Ausgang aus dem Kabelnetz diesen anschließen. An allen anderen Randfeldern des Spielplans ist kein Ausgang erlaubt.
Anders als bei den oben genannten Spielen sitzt die Spielrunde bei Flickwerk nicht grübelnd, ansonsten aber tatenlos am Tisch. Jeder Mitspieler hat einen eigenen Satz Plättchen, mit dem er die Aufgabe zu lösen versucht. Der Spielplan in der Tischmitte gibt lediglich die Aufgabenstellung mit dem zentralen Plättchen und der Position der Computer vor. Mit einem manchmal chaotisch anmutendem Geschiebe versucht nun jeder mit seinen Plättchen, als erstes die Lösung vor sich auszulegen. Gelingt es einem, ruft er Stop und seine Lösung wird geprüft. War sie richtig, bekommt er einen Siegpunkt und legt die neue Aufgabe aus. War sie falsch, darf er sich an der weiteren Lösung dieser Aufgabe nicht mehr beteiligen. Nach maximal 30 Minuten sind zwölf Aufgaben durchgespielt und der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt.
Die bei Flickwerk gestellte Aufgabe ist bei weitem nicht so komplex wie bei den obigen Beispielen. Die gesuchte Lösung ist meist recht schnell zu finden, obwohl die Lösungswege durchaus variieren und nicht immer der erste Ansatz zum Ziel führt. Das macht das Spiel zu einem sehr angenehmen Vertreter seiner Art. Das Spielen artet nicht in (Denk-)Arbeit aus und auch ungeübte Spieler finden häufig als Erste die gesuchte Lösung. So haben nicht nur die Könner ihren Spaß dabei. In Sachen Spielfreude ist Flickwerk daher eine absolute Empfehlung.
Die Spielplättchen sind aus solider Pappe und sollten viele Runden aushalten. Das Spiel enthält fünf identische Plättchensätze, nämlich einen Satz, aus dem jeweils das mittlere Plättchen der Aufgabenstellung stammt, und vier Sätze für die Mitspieler. Zu bemängeln ist, dass die Plättchensätze nicht unterschiedlich markiert sind und daher vor dem Spiel erst mühsam sortiert werden müssen. Dies lässt sich aber durch Beschriftung der Rückseiten problemlos beheben. Die Grafik des Spielplans und der Plättchen ist gewollt erkennbar eine Computergrafik und passt sich damit gut dem Thema an. Zum Spiel gehören des weiteren vier hölzerne Spielsteine, die die Computer repräsentieren, und ein gefalteter Spielplan. Das ganze ist in einer Zip-Tüte verpackt. Der Verzicht auf einen Karton ist im Handling etwas unpraktisch, ermöglicht aber den geringen Preis von etwa 5 Euro. Die Spielregel ist kurz und knapp gehalten, dabei aber gut verständlich und vollständig (was bei Spielen von Friedemann Friese nicht unbedingt selbstverständlich ist). Alles in allem eine, insbesondere für einen Eigenverlag, sehr ordentliche Ausstattung.
Zum Schluß also meine uneingeschränkte Kaufempfehlung und folgender Tip: Wenn Sie gern auch in Runden mit mehr als vier Spielern spielen, kaufen Sie gleich ein zweites Exemplar. Sie können dann mit bis zu neun Mitspielern ein Netzwerk bauen.
Rezension Werner Oosterbeek
In Kooperation mit der Spielezeitschrift