Spielziel
Als Händler hat man so seine Not, an passende Waren für die im Hafen wartenden Schiffe ins Lager zu bekommen. Im richtigen Moment die richtige Aktion zu wählen ist die Herausforderung, um eingekaufte Waren für Siegpunkte zu verschiffen. Gerade noch rechtzeitig bevor die Schiffe auslaufen, verhindert dies ein teures Vergammeln der Bestände.
Ablauf
Im Hafen warten schon 4 große und 3 kleine Schiffe darauf, beladen zu werden. Die Spieler sind es, die Äpfel, Käse, Gewürze und Tuch Runde um Runde herbeischaffen. Dies ist schwierig, denn bis zur Auslieferung müssen die Waren drei Stufen durchlaufen. Dazu gibt es Aktionskarten auf drei Stapeln, von denen der Startspieler so viele Karten aufdeckt, wie Spieler am Tisch sitzen - von einem Stapel aber nicht mehr als zwei.
Die Versteigerung der Aktionen ist zunächst einmal ungewohnt. Hier wählt der Startspieler eine Karte aus und fragt reihum nach Geldgeboten. Bietet niemand, so geht die Karte kostenlos an den Auswählenden. Gebote der Mitspieler können aber reihum in beliebiger, auch gleicher Höhe abgegeben werden. Sobald ein Gebot abgegeben ist, muss sich der auswählende Spieler entscheiden, ob er Karte oder Gebot nimmt. Nimmt man die Karte, so zahlt man eines der Gebote. Andernfalls erhält man das Geld vom Mitspieler, jedoch führt dieser dann eine der folgenden direkten Aktion aus - denn jetzt scheiden beide Spieler aus der laufenden Versteigerung aus!
Warenbeschaffung: Auf der Karte sind Anzahl und Art der 4 Waren aufgedruckt, die sich der Spieler vom Vorratsstapel auf die Hand nimmt.
Wareneinlagerung: Durch Zahlung des auf der Karte aufgedruckten Geldbetrags legt der Spieler so viele Warenkarten von der Hand in sein Lager ab, wie auf der Karte angegeben ist. Das Lager fasst maximal 8 Waren gleichzeitig.
Warenverschiffung: Die Karte hat zwei Funktionen. Möchte der Spieler Waren verschiffen, so liefert er die von beliebig vielen Schiffen geforderten Waren und bekommt dafür die Schiffskarte mit dem aufgedruckten Siegpunktwert. Der auf jeder Aktionskarte angegebene Betrag kann alternativ für Geldbeschaffung aus dem Vorrat genutzt werden – das Verschiffen entfällt dann.
Nachdem alle Spieler entweder eine Karte oder Geld bekommen haben, werden die Aktionen ausgeführt. Bestimmte Sonderaktionen wie die Einlagerung von Waren direkt vom Nachziehstapel oder das Tauschen von Waren aus den Lagern der Mitspieler können auf der Hand gehalten werden, um sie im späteren Spielverlauf einzusetzen. Zum Beladen der Schiffe und damit zum Einstreichen von Siegpunkten kommt es erst nach einigen Runden. Dabei gilt es, stets im Auge zu behalten, wie lange die laufende Spielphase noch dauert, denn diese endet, wenn nur noch 2 oder weniger Schiffe im Hafen warten. Alle bis dahin gesammelten auf der Hand befindlichen Waren verderben und müssen ersatzlos abgegeben werden. Im Lager sieht es etwas besser aus. Tuch bleibt erhalten, Gewürze und Käse zur Hälfte. Auch dort verfallen die Äpfel komplett und die nächste Runde beginnt mit einer vollständigen Fregatte von Handelsschiffen.
Wer in einer laufenden Runde durch Verschiffung als erster 50 Punkte oder mehr gesammelt hat, beendet das Spiel siegvoll. Sollten dies mehrere Spieler in der gleichen Runde sein, wird derjenige mit den meisten Siegpunkten zum Sieger gekürt.
Fazit
Um es vorweg zu nehmen: Vor dem Wind ist kein Spiel für Zwischendurch. Es ist tricky, ungewohnt und zuweilen knallhart. Gerade das macht dieses ganz hervorragende Biet- und Versteigerungsspiel aus, so wie es neulich bei einer Partie zuging …
Ich sitze dort in einer Viererrund. Der Startspieler wählt aus. Ich brauche unbedingt Geld, denn in der letzten Runde habe ich fürs Einlagern viel hinlegen müssen und zusätzlich auch noch die Karte bezahlt. Mein Gegenüber ahnt schon, dass ich über die Schiffkarte Geld beschaffen möchte. Also entschließt er sich, genau keine dieser Karten aufzudecken. Gemein. Da besorge ich mir doch noch ein paar Waren vom Nachziehstapel. Und wieder macht jemand ein Gebot, d. h. die Waren gibt’s nicht umsonst. Kann ich mir momentan nicht leisten, also muss ich wohl das Geld nehmen – und das bei diesem kleinen Gebot. Aber Pleite gehen sollte ich auf keinen Fall, denn dann machen die andern mit mir, was sie wollen.
Neue Runde. Jetzt kann ich auswählen und entscheide mich u. a. dafür, 2 Schiffkarten aufzudecken. Schade, dass mein Gegenspieler jetzt auch verschiffen kann, denn es wird knapp bei nur noch 4 Schiffen. Ruck Zuck sind davon 2 weg und meine teuer erstandenen Waren auf der Hand vergammeln. Im Lager sieht’s für die Äpfel und meinen Käse auch nicht besser aus. Jetzt noch mal alles geben und das hohe Gebot zahlen, eins von den großen 18-Punkte-Schiffen nehmen und die Runde beenden. Geschafft. Das sind insgesamt schon 38 Siegpunkte. Das nächste 12er-Schiff würde vielleicht den Sieg bringen. Bis dahin muss ich aber noch möglichst viele meiner Waren retten. Eine Runde bis zur Abfahrt der Schiffe wird’s ja noch dauern …
Hört sich das spannend an? Ja? Ist es auch. Und vielschichtig. Die Kunst bei Vor dem Wind ist, viele Faktoren im Auge zu halten. Und das ist nicht einfach. Denn nicht nur dem eigenen Wohl ist zu folgen, sondern gleichzeitig im Auge zu behalten, wie weit sich die Mitspieler dem Verschiffen bereits genähert haben und das Schiff mit den eigenen passenden Waren vielleicht schon weg ist. Das entscheidende Spielelement ist daher die Versteigerung. Diese ist sehr interaktiv. Obwohl jeder pro Karte nur ein Gebot abgeben kann, ist die Entscheidung zu treffen, für welche der Aktionen man in welcher Höhe bietet. Die Spielsituation entscheidet darüber, ob man eher versucht, Aktionen für den eigenen Vorteil zu bekommen, oder auch gezielt zum Nachteil der Mitspieler bietet. So kann es durchaus auch interessant sein, das Gebot eines Mitspielers zu unterbieten, um ein Ausführen genau dieser Aktion durch einen anderen Spieler zu verhindern.
Vor dem Wind ist auf den Punkt gebracht. Keine Schnörkel, sondern klare Ansagen beim Kampf um den Einfluss auf das Spielgeschehen. Da die Siegpunktwerte für große Schiffe mit 4 Waren zwischen 12 und 20 liegen, lässt sich Vor dem Wind meist in 3 Spielphasen mit einer Spieldauer von ca. 90 Minuten spielen und bietet über den gesamten Spielverlauf hohe Spannung. Nichts für schwache Nerven und zartbesaitete Zeitgenossen. Auch nichts für einen lockeren Abend. Genau aus diesem Grund ist es auch in Spielkreisen gehasst oder geliebt. Aus meiner Sicht: Großartig!
Rezension Udo Kalker
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.