Spielerei-Rezension
Spielerei Frühjahr 2013:
Ah, die 80er, die goldenen Jahre des Kapitalismus! Eine Zeit, in der lästige Erscheinungen wie Umweltschutz oder Globalisierungskritiker einfach weggelächelt werden konnten und die einzige Sorge der Frage galt, ob denn der neue Wagen zur eigenen Föhnfrisur passt. Reichtum war dazu da, sich zu vermehren und Freund wie Feind zu kaufen. Keine Serie fing das Spiel um Geld und Macht seinerzeit vergleichbar ein wie der Fernsehklassiker „Dallas“ über eine Familie, die mit Öl das große Geld gemacht hat. Nun haben sich die Zeiten seit damals geändert, dem Reichtum wird eher im Stillen gehuldigt und auch „Dallas“ ist – vom Remake mal abgesehen – mausetot. Doch das Schwarze Gold, um das sich alles in der Seifenoper drehte, ist noch immer unter uns. Man könnte sogar sagen, dass es angesichts immer knapperer Ressourcen wichtiger denn je ist. Ein guter Anlass, da mal ein Spiel auf den Markt zu bringen, das sich ausschließlich um Öl und den Handel damit dreht. Oder besser: es wieder auf den Markt zu bringen.
Spieleveteranen mögen sich nämlich daran erinnern, dass vor 25 Jahren schon einmal ein Spiel namens McMulti bei uns in den Handel kam. Tatsächlich ist das Original aber noch wesentlich älter: Crude: The Oil Game, auf dem McMulti basiert, stammt von 1974 und ist damit sogar vier Jahre älter als Dallas. Am groben Spielprinzip hat sich in den 40 Jahren jedoch wenig geändert, noch immer handeln wir mit Rohöl und Benzin, müssen eine funktionierende Verarbeitungskette aufbauen (Ölquellen, Raffinerien, Tankstellen) und dabei möglichst viel Geld scheffeln. Das hört sich zunächst nach sehr viel an, doch eine beinharte Wirtschaftssimulation ist das Spiel nicht wirklich. Vielmehr verrät ein guter alter Bekannter, dass wir es mit einem Kind der 70er zu tun haben: die Würfel! Heute bei Strategiespielen meist verpönt, sind sie hier ebenso integrales wie selbstverständliches Spielelement.
Jeder Spieler verfügt über einen 6x6 Felder großen Quadranten, auf dem er seine verschieden großen Anlagen platzieren kann. Wer nun an der Reihe ist, wirft zwei Würfel, einen für die Zeile, einen für die Spalte. Diese bestimmen, welche Anlagen in dieser Runde überhaupt aktiviert werden. Stimmt eine der Zahlen beispielsweise mit der Position der Tankstelle überein, darf an ihr Benzin verkauft werden. Das erinnert ein bisschen an Siedler von Catan, wo ebenfalls ein Würfeleinsatz festlegt, welche Felder produktiv sind – und kann hier ebenso frustrierend sein. Zwar profitiert man hier auch durch seine Mitspieler, da einer der zwei Würfel gleichzeitig auch immer für den benachbarten Quadranten gilt, oft genug kommt es aber vor, dass man leer ausgeht – in eigenen Runden wie in denen der Nachbarn. Wer Würfelpech hat oder seine Anlagen ungünstig platziert, muss schon mal mitansehen, wie Runde um Runde vergeht, ohne dass er irgendwie eingreifen kann. Als wir bei unserer ersten Testrunde unterschätzten, wie viele Bohrtürme man platzieren sollte, damit diese auch mal Öl produzieren, waren wir nach drei Stunden immer noch nicht viel weiter als zu Spielbeginn.
Natürlich war dies zum Teil selbst verschuldet, zeigt aber dennoch ein grundsätzliches „Problem“ von McMulti: Es ist für ein Wirtschaftsspiel sehr glückslastig. Das muss nicht zwangsweise schlecht sein. So lange man sich im Vorfeld klar ist, dass das Spielgeschehen nur zu einem gewissen Grad von Strategie bestimmt wird, kann es sogar richtig spaßig sein. Das liegt zum einen an dem reichhaltigen Material. Zwar ist es manchmal ein bisschen Fummelarbeit, mit den ganzen Öl- und Benzinfässern zu hantieren, aber es ist gleichzeitig witzig und sorgt für Stimmung. Fast kommt man sich vor wie ein echter Ölbaron. Aber auch drumherum wurde viel Arbeit ins Detail gesteckt. Man kann sowohl auf dem Inlands- als auch Auslandsmarkt handeln, die verschiedenen konjunkturellen Phasen (Aufschwung, Depression…) haben direkten Einfluss auf die Preise und gelegentlich auftretende Sonderereignisse bringen Abwechslung ins Spiel.
Interaktion ist hingegen Mangelware. Abgesehen davon, dass man andere zur Weißglut bringen kann, indem man durch ständiges Verkaufen die Preise versaut, spielt jeder quasi für sich. Die Partie ist dann zu Ende, wenn ein Mitspieler sei anfängliches Kapital von 200 Millionen auf 700 Millionen gesteigert hat. Im Gegensatz zu Monopoly sind Endlospartien also eher nicht zu befürchten, wenn man einmal den Dreh raus hat. So wie der kapitalistische Urklassiker richtet sich also auch sein selbst nicht mehr ganz junger Enkel an Freunde glücksbetonter Wirtschaftsspiele. Der Strategieteil ist etwas höher, dafür fehlen die Handelsmöglichkeiten – und damit das Risiko, von raffgierigen Verwandten über den Tisch gezogen zu werden. Ob das jedoch ein Vor- oder Nachteil ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.
Rezension Oliver Armknecht
In Kooperation mit der Spielezeitschrift