Spielziel
Bei Fiese Freunde Fette Feten geht es um nichts weniger als das Leben. In mehreren Lebensabschnitten versuchen die Spieler fünf Lebensziele zu erreichen und dabei ihre Persönlichkeit zu entwickeln.
Ablauf
Jeder Spieler bekommt ein eigenes Spielbrett, auf dem die Eigenschaften seines Spielcharakters festgehalten werden. Es gibt neun Eigenschaften, die unterschiedlich stark ausgeprägt sein können. Dies sind zum Beispiel Geld, Krankheit oder Weisheit. Sie können Werte von 0 bis 3 annehmen und beeinflussen andere Eigenschaften, wenn sie zu stark werden. Außerdem werden auf dem Spielertableau die Freundschaften festgehalten, die während des Spiels - also während des Lebens - geschlossen, vertieft oder beendet werden. Diese umfassen sowohl platonische als auch intime Beziehungen. Mit Freunden kann man Unternehmungen machen, Sex haben, eine Beziehung anfangen, heiraten, sich scheiden lassen und Kinder kriegen.
Die Spieler steuern ihr Spielleben mit Pubertäts- und Lebenskarten, mit denen die Eigenschaften entwickelt werden. Auf diesen Karten sind einerseits die Voraussetzungen vermerkt, die man erfüllen muss, um diese Karte ausführen zu können. Andererseits sind die Auswirkungen dieser Aktivität dargestellt. Wenn man beispielsweise die Karte "Sich dopen" ausführen will, darf man keine Punkte bei der Eigenschaft "Weisheit" haben und erhält dann je einen Punkt "Drogen" und "Fett". Einige Lebenskarten sowie alle Pubertätskarten haben keine Voraussetzungen, können also mit jedem Eigenschaftsprofil ausgeführt werden. Zielkarten sehen im wesentlichen aus wie Lebenskarten, haben aber in der Regel umfangreichere Voraussetzungen und geringere Auswirkungen. Es gibt Ziele in fünf Kategorien und zusätzlich Megaziele.
Zu Beginn des Spiels hat jeder Spieler in allen neun Eigenschaften null Punkte, Einklage- und Zeitmarker sowie 5 Lebensziele, die es zu erreichen gilt. Das Spiel verläuft in mehreren Lebensabschnitten, angefangen mit der Pubertät und danach folgt das wahre Leben. In jedem Lebensabschnitt werden abhängig von der Spielerzahl Lebenskarten offen ausgelegt. In der Pubertät nimmt jeder reihum eine Karte und führt sie aus. Wenn man genug hat, steigt man aus oder erfüllt ein Ziel. Je früher man aussteigt, desto mehr Zeitmarker erhält man.
Im wahren Leben müssen die Karten dann ersteigert werden, um sie ausführen zu können. Der Spieler der an der Reihe ist, wählt eine Karte aus und bietet null Zeitmarker. Reihum wird geboten oder gepasst, bis der Zuschlag feststeht. Der Gewinner zahlt die Zeitmarker in die Bank und führt die Karte aus. Anstatt eine Karte zu versteigern, darf man wie in der Pubertät auch austeigen oder ein Ziel erfüllen und wird auch hier mit Zeitmarkern für frühes Austeigen belohnt. Eine weitere Möglichkeit ist es, seine Lebensziele auszutauschen. Dies kann hilfreich sein, wenn man keine Chance sieht, mit seinen aktuellen Eigenschaften die alten Ziele zu erreichen. Sind in einem Lebensabschnitt alle ausgestiegen oder alle Karten verbraucht, beginnt ein neuer Lebensabschnitt mit frischen Karten.
Im Laufe des Spiels lernt man Freunde kennen und geht Beziehungen ein. Diese Bekanntschaften können zum einen aus neutralen Personen bestehen, von denen so viele im Spiel sind, dass es mit den Spielern zusammen fünf Frauen und fünf Männer gibt. Ebenso können dies die Mitspieler sein, wofür die Einklagemarker gebraucht werden. Am Anfang hat jeder Spieler je einen Einklagemarker von jedem Mitspieler. Wenn eine Karte ausgeführt wird, bei der neue Freunde kenngelernt werden können, kann man sich mit dem Einklagemarker des aktiven Spielers an der Aktivität beteiligen. Wollen sich mehrere Spieler einklagen, muss der Begehrte entscheiden.
Das Spiel endet sofort, wenn ein Spieler sein fünftes Lebensziel erfüllt hat. Dabei ist es egal, ob es sich dabei um fünf eigene Ziele oder auch um Megaziele handelt.
Fazit
Material:
Qualitativ gibt es am Material nichts auszusetzen. Es ist sogar erstaunlich, dass die Spielertableaus aus richtigen Spielplänen bestehen und nicht einfach nur aus ausgestanzter Pappe. Die Karten sind übersichtlich gestaltet, wenngleich es meistens trotzdem erforderlich ist, sich die Lebensziele, die man auf der Hand hat, jeweils komplett anzuschauen. Die Grafik von Maura ist wie immer Geschmacksache, mir gefällt sie allerdings, nicht zuletzt deshalb, weil sie aus dem Einerlei der Spielemasse herausragt.
Kritisch muss ich die diversen Marker begutachten. Die Einklage- und Zeitmarker hätten ein wenig größer ausfallen können, damit man sie leichter greifen kann und nicht mühsam vom Tisch kratzen muss. Problematisch sind auch die Personen- und Sex- bzw. Babymarker. Im Grunde genommen ist ihre Verwendung in der Theorie stimmig und es fällt auch schwer sich eine bessere Lösung auszudenken. Die praktische Handhabung stellt jedoch einige Anforderungen an die Feinmotorik. Es ist durchaus anerkennenswert, wenn man es schafft, den Personenmarker seines Lebensgefährten mit mehreren Sex- und Babymarkern zur nächsten Beziehungsstufe zu verfrachten, ohne dass das eine oder andere Kind herunterfällt.
Alles in Allem bekommt man aber durchaus einiges solides Material und wenig Luft in der Schachtel, das eben auch etwas von einem Geschicklichkeitsspiel an sich hat.
Spielreiz und Spielgefühl:
Der erste Eindruck der Karten fällt für ein 2F-Spiel gewohnt erheiternd aus. Diverse witzig oder absurde Lebensziele und Aktivitäten sorgen zusammen mit den teilweise skurrilen Illustrationen für die ersten Lacher. Die Regel steht dazu zunächst in krassem Gegensatz. Der Spielmechanismus, der vor allem durch die Karten mit Vorher-Nachher-Effekt angetrieben wird, wirkt erst einmal ziemlich steril. Dieser Eindruck trügt zwar nicht ganz, das Spiel als Ganzes ist jedoch recht lebendig. Es lebt natürlich von den Karten und damit verbundenen Sätzen wie "So, jetzt werde ich anonymer Alkoholiker!", besonders, wenn die Person im richtigen Leben nur selten zur Flasche greift. Es ist also eine gute Empfehlung, das Spiel ein wenig als Rollenspiel aufzufassen und voll im eigenen Spielcharakter aufzugehen. Aber auch ohne diese zusätzliche Spielebene ist das Spiel fast immer spannend, natürlich vor allem, wenn das plötzliche Spielende naht. Es ist auch meistens möglich, uneinholbare Rückstände zu verkleinern und vielleicht doch noch als lachender Sieger dazustehen und mit dem letzten Lebensziel z.B. eine Sekte zu gründen.
Die Spieldauer steigt mit der Spieleranzahl. Zu zweit ist das Spiel nicht wirklich zu empfehlen, da es so am statistischsten ist. Am meisten Spass macht es zu viert oder fünft. Die Interaktionen und Verwicklungen durch das Einklagen sind zwar mit mehr Spielern interessanter als mit wenigen. Bei sechs Spielern dauert das Spiel jedoch meistens zu lange und kann zäh werden. Dies hängt natürlich aber auch von den Spielermentalitäten ab. Es handelt sich zwar nicht um ein hochtaktisches Spiel, es findet sich aber immer ein Grund lange darüber nachzudenken, welche Karte man zur Versteigerung freigeben will, oder wieviel man bereit ist zu zahlen.
Das Spiel ist zwar sozusagen das Spiel des Lebens für (Viel-)Spieler, sollte für die meisten Gelegenheitsspieler jedoch auch problemlos zu bewältigen sein und genauso Spass bringen. Dies gilt aber nur, wenn es von jemandem erklärt wird, der es schon kennt. Die Spielregel ist nämlich nicht hundertprozentig für unerfahrene Spieler geeignet. Im Grunde genommen ist sie komplett, und eigentlich auch nicht schlecht strukturiert, man braucht aber doch ein wenig Zeit, bis man alle Zusammmenhänge umfassend begriffen hat. Besonders das Einklagen und das Kennenlernen von Freunden ist etwas knifflig. Abhilfe schafft da vielleicht die Seite von Marcel-André Casasola Merkle http://www.casasola.de/spiele/, wo unter anderem eine Wiki-ähnliche Version der Spielanleitung zu finden ist, die von interessierten Spielern verbessert werden kann.
Das auf der Schachtel angegebene Mindestalter von 16 Jahren rührt wohl nicht von der Spielkomplexität her, sondern eher von den Themen und Grafiken, die möglicherweise dem einen oder anderen sanften Gemüt zu explizit sein könnten. Wie so vieles ist auch dies Geschmacksache. Meinen Geschmack trifft dieses Spiel durchaus und die erste Autoren-Kooperation bei 2F-Spiele kann als erfolgreich gelten. Es kann also gern nächstes Jahr auf der Spiel in Essen wieder heissen: "Marcel André und Casasola Merkle stellen am Stand der SAZ ihr neues Spiel vor..." Selbst wenn dann ein gewisser Friesemann Friede mit von der Partie ist. :)
Rezension Stephan Gehres
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.