SPIELE-NEW

Hier wird, soweit uns Informationen über die Spieleszene vorliegen, darüber berichtet. Alle Spieleverlage, die sich auf diese Seite verirren und Interesse daran haben, dass wir über Neuheiten etc. berichten, schicken bitte Ihre Informationen an Monika Harke.
Natürlich freuen wir uns auch über Hinweise von Spieleinteressierten.

Detailliertere Berichte (inkl. Fotos) findet Ihr im Bereich Reportagen

INHALT:

05.11.09

Brettspiel-Europameisterschaft 2009

18.11.09

Spieleumfrage zu den Herbstneuheiten 2009

21.11.09

Carson City: Indianer als Download

22.11.09

Wahl zum "Goldenen Fuchs 2009"

25.11.09

Golden Geek Award 2009

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05.11.09 Brettspiel-Europameisterschaft 2009

Ein Erlebnisbericht der Teilnehmerin Astrid Nebel

Dieses Jahr war die Rhein-Neckar-Region bei der Deutschen Brettspielmeisterschaft ungewöhnlich stark vertreten. Neben den „Wasserturm-Abräumern“, die wegen ihres zweiten Platzes im Vorjahr direkt qualifiziert waren, nahmen „Die Rumtreiber“ als Sieger der Regionalen Vorausscheidung vom Februar 2009, und die „Badisch-Hessisch-Pfälzer Verunsicherung“, die nach drei dritten Plätzen in den Vorjahren diesmal den zweiten Platz schaffte, teil. Mit Platz 5 gelang der „Verunsicherung“ der Sprung auf internationales Niveau, was aber auch bedeutet, dass in diesem Jahr für uns eine Wettkampf-Vorbereitung ohne Pause in die nächste überging. Sehr wichtig dabei ist das Üben in wechselnden Runden, sonst stellt man sich auf eine bestimmte Taktik ein und erlebt dann bei neuen Gegnern eine Überraschung. Etwas Vorbereitung braucht auch die Turniersprache Englisch. Wenn man jedoch die Regeln aller Spiele einmal auf Englisch gelesen hat, um die Bezeichnungen der Spielelemente zu kennen, steht der Völkerverständigung nichts mehr im Wege.

Die Europameisterschaft begann mit einer Runde Chicago Express. Wir hatten ausgerechnet, dass die „rote Aktie“ (von denen es nur drei gibt, so dass mindestens einer am Tisch leer ausgeht) bei der Versteigerung zu Beginn des Spiels ca. die Hälfte des Startkapitals wert ist, insbesondere, da damit die Startspielerposition verbunden ist. Wer mehr bietet, läuft Gefahr, in der ersten Runde keine zweite Aktie zu erhalten. Im weiteren Spielverlauf ist „Streuen“ des Aktienbestandes das oberste Gebot. An meinem Tisch teilten sich daher auch die beiden Spieler, die von jeder der fünf Gesellschaften je eine Aktie hatten, den Sieg.

An anderen Tischen jedoch nahm das Spiel einen ungewöhnlichen Verlauf - manchmal tun Mitspieler nicht das, was man erwartet, sondern stürzen sich statt auf die rote auf die blaue Gesellschaft – dann ist ein rasches Anpassen der Taktik gefragt. Bei allen vier Spielen jedoch galt: Wenn sich zwei oder gar drei Mitspieler verbünden, ist es trotz der besten Strategie fast unmöglich, zu gewinnen.

Es folgte eine Partie Funkenschlag in Anwesenheit des Spieleautors Friedemann Friese. Auch da zeigte sich das hohe Niveau der Mitspieler – schon die kleinen Kraftwerke der ersten Runde waren heiß umkämpft, um eine gute Startposition beim ersten Städtebau zu sichern. Die beiden nördlichen Regionen um Hamburg und Berlin waren nicht im Spiel, und so begann der erste Spieler aus Finnland wie erwartet im Ruhrgebiet (dort sind die Verbindungskosten niedrig). Dann ein erstaunlicher Spielzug – der italienische Spieler setzt sich freiwillig nach Halle/Leipzig – was zwar preiswert, aber etwas abgelegen ist. Ich entschied mich daher für das zentrale Frankfurt, besetzte aber leichtsinnigerweise nur ein Feld – und der holländische Spieler kreiste mich prompt mit Wiesbaden und Fulda ein! Damit blieb mir nichts anderes übrig, als in Runde zwei den teueren Sprung nach Dortmund zu wagen (auch um dem Finnen das Ruhrgebiet nicht ganz alleine zu überlassen).

Das Spiel entwickelte sich dann zu einem Herumgedruckse – keiner wollte das siebte Haus bauen und damit Stufe zwei einleiten. Schließlich verlor dann doch der Italiener die Nerven und verbreitete sich in Südbayern. Mit dem durch ein Windkraftwerk eingesparten Geld konnte ich dann das Ruhrgebiet besiedeln – was zusammen mit meinem Monopol auf Müllkraftwerke zu einem knappen Sieg führte.

Wir waren allerdings alle froh, dass wir trotz Überschreiten des Zeitlimits die Partie zu Ende spielen durften – gerade bei Funkenschlag und dem nachfolgenden Diamonds Club ist der Zwischenstand bei Spielabbruch wenig aussagekräftig, sondern es kann sich in der letzten Runde noch viel ändern.

Bei Diamonds Club ist es wichtig, sich zu Beginn für eine bzw. maximal zwei zueinander passenden Strategien zu entscheiden – und das möglichst alleine. Daneben sollte jeder Spieler versuchen, eine Dreierkombination von Tieren zu bekommen – wenn nicht, hat ein Spieler die Chance, zu billig eine zweite Dreierkombination zu erhalten und nebenbei das Spiel stark zu beschleunigen. Am einfachsten gewinnt man, indem man preiswert Wälder anlegt und von Anfang an jede Runde die Wertungsleiste „Wälder“ um eins erhöht.

Standard-Anfangszug ist jedoch die mittlere Leiste zu entwickeln und das ganze Spiel über einen Edelstein mehr zu produzieren. Wer statt auf Wälder auf Bonusplättchen spielt, wird die mittlere Leiste im Laufe des Spiels noch weiter entwickeln müssen – er ist auf Diamanten (Joker) angewiesen, um mehr Spezialgebäude bauen zu können. Für Wald-Strategen sind Diamanten jedoch nicht notwendig, da für Wälder beliebige Edelsteine verwendet werden können. Die „Geld“-Strategie lohnt sich nur, wenn das Spiel viele Durchgänge hat – auch da am ehesten in Kombination mit den Bonusplättchen, weil mehr Geld oft dazu führt, dass man einen Diamanten für das meiste Restgeld erhält.

Die 5er-Schiffe und 5er-Schürfrechte scheinen auf den ersten Blick attraktiv – jedoch habe ich bessere Erfahrungen damit gemacht, mir zuerst preiswert ein oder zwei Minen in den mir passenden Farben zu sichern – damit werden die Minen für die Mitspieler teurer und ich kann versuchen, später zwei „schlechtere“ Dreierkombis (3er- oder gar 2er- Schürfrecht bzw. Schiff) zu erhalten. Dies führt zu mehr Flexibilität beim Bauen und bringt nebenbei „Hüte“, also eine bessere Startposition.

Schließlich Small World – welche Kombination von Eigenschaft und Rasse ergänzt sich zu einem starken Volk, welche Kombination passt gar nicht? Grob kann man die Rassen einteilen in aggressiv und beständig. Erstere machen während der aktiven Zeit mehr Punkte, sind aber im Untergang auch schnell vom Spielfeld verschwunden, letztere können ein gutes „Zweiteinkommen“ bedeuten. Die Eigenschaft sollte zu der Rasse passen und diese entweder ergänzen oder einen Nachteil ausgleichen. Beispielsweise habe ich mit der Kombination „Merchant (jedes Gebiet zählt doppelt) Ratmen (viele Rasseplättchen)“ mit Abstand die meisten Direktsiegpunkte pro Runde erhalten. Wichtig ist auch, ob eine Rasse zu Beginn oder gegen Ende des Spiels genommen wird.

Bei der EM wurde ich von einem taktischen Spielzug überrascht – man darf zu Beginn seines Zuges sämtliche Gebiete aufgeben und mit seinem Volk komplett neu auf den Spielplan kommen. Das hört sich zunächst wie Verschwendung an, kann aber sehr geschickt sein, wenn andere Spieler nur die Grenzregionen verstärkt haben und man einem oder mehreren Spielern damit in den wenig geschützten Rücken fällt.

Zu bedenken ist auch: Manche Rassen (Amazonen, Ratmen, Ghoule) haben zwar ein gutes Angriffspotenzial, man zieht aber die geballte Aggression der Mitspieler auf sich. So wurden meine Skelette anfangs stark attackiert, ich kam im Ergebnis aber – für mich selbst überraschend – trotz geringer Präsenz auf dem Spielbrett auf den zweiten Platz. Die Punkte, die man (besonders in den letzten Runden) dadurch gewinnt, dass man eine bisher verschmähte Kombination mit einigen Siegpunkten darauf wählt, werden offenbar von den Mitspielern (und mir selbst) weniger stark wahrgenommen, als wenn man am Ende seines Zuges viele Punkte macht, und so wird man etwas unterschätzt.

Vier Spiele unter Wettkampfbedingungen hintereinander wegzuspielen ist anstrengend, aber es hat Spaß gemacht, bei dieser besonderen Europameisterschaftsatmosphäre einmal dabei gewesen zu sein. Bei der Einzelspielerwertung hätte es mit Platz 4 von 136 Teilnehmern beinahe zu einem Platz auf dem Treppchen gereicht, als Mannschaft lagen wir mit Platz 18 von 34 Mannschaften im Mittelfeld. Verdienter Sieger wurde die Mannschaft aus Finnland.

(Astrid Nebel)

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