Rezension/Kritik - Online seit 10.01.2017. Dieser Artikel wurde 6151 mal aufgerufen.
Direktlinks zu den Rezensionsblöcken |
|
|
Die Jobbeschreibung einer Prinzessin sieht anscheinend folgendermaßen aus:
Der letzte Punkt klingt vielleicht etwas unangenehm. Aber wenn man mehrere Ritter zur Hand hat, die mit ihren Händen ein Gerüst zum Turm bauen und mit eben diesen Händen das blaublütige Fräulein geschickt, aber bestimmt in die Kutsche schieben ... ist das alles nur halb so schlimm.
Da steht er, der Turm - und im obersten Zimmer liegt die gefangene Prinzessin und wartet auf Rettung. Leider führt keine Treppe zu ihr rauf oder runter, also müssen die herbeigeeilten Helden erst mal ein Gerüst zu ihr hochbauen.
Leider ist die einzige Möglichkeit, für das Gerüst eine stabile Basis zu finden, ein riesiger Stein. Und den hält ausgerechnet der Drache mit einer Schnur fest.
Zum Glück schläft das Ungetüm gerade, und so können die Helden - also Spieler - das Bauen anfangen. Zuerst kommt eine Bodenplatte auf den Stein und den untersten Turmsims, und das Spiel geht los.
In der ersten Phase deckt man immer abwechselnd ein verdecktes Plättchen auf.
Zeigt es einen Gehilfen in der Farbe, die die oberste Bodenplatte zeigt, wird er auf die Platte gestellt und das Plättchen wieder umgedreht.
Zeigt es einen Joker, kann man sich einen beliebigen Helfer aussuchen, und der Joker kommt aus dem Spiel.
Zeigt es einen Drachen, wird der auf dem Drachenpfad ein Feld nach hinten gestellt - und spannt damit die Schnur ein bisschen mehr an. Je nach Schwierigkeitsgrad bleibt das Plättchen dann im Spiel, oder man nimmt es raus.
Zeigt es eine Bodenplatte, darf sie auf die Helfer gesetzt werden - vorausgesetzt, man hat alle vier gefunden. Wenn nicht, muss man weitersuchen.
So geht es immer weiter, immer höher. Vier Helfer finden, dann eine Bodenplatte drauflegen, bis man oben angekommen ist.
Das ist dann auch leider der Moment, in dem der Drache aufwacht, sieht, was da passiert und blitzschnell schlussfolgert: "Ziehe ich an meinem Seil und ziehe den Stein weg, stürzt der Turm ein!".
Was er dann auch tut, wenn man auf seinen rechten Flügel drückt. Dann wird die Schnur - wie bei einer Spieluhr - immer ein Stückchen weiter eingezogen bis zu dem Punkt, an dem der Stein unter dem Gerüst weggezogen wird und alles zusammenstürzt.
Die Rettung ihrer Majestät muss natürlich vorher gelungen sein. Und zur Rettung stehen den Spielern Pappschieber zur Verfügung. Einer ist der Prinz und schiebt die Prinzessin aus dem Zimmer, über den Sims, auf die oberste Platte und von da aus durch ein Loch eine Etage tiefer. Dann durch das nächste Loch wieder eine Etage tiefer, bis sie auf dem Plan angekommen ist. Dann muss sie noch auf die Kutsche geschoben werden, und alle haben gewonnen - wenn das Gerüst bis dahin noch steht.
Die anderen Spieler müssen dem Prinzen bei der Rettung helfen, indem sie mit ihren Schiebern den Absturz der Prinzessin verhindern. Und alle müssen sich gegenseitig im Auge behalten, dass niemand das Gerüst vorzeitig zum Einsturz bringt. Dann haben ebenfalls alle verloren.
Es gab im Kinderspielbereich lange kein Spiel mehr, das eine so gute Verknüpfung von Geschichte, Material und Spielidee hatte wie Drachenturm. Trotzdem reicht das eigentliche Spiel lange nicht an die Erwartungen heran, die es in der Zielgruppe auslöst.
Was gefällt an Drachenturm nicht? Da gibt es leider einige Punkte:
Was den Drachenturm hier letztendlich gekillt hat, war die völlig zufällige Position des Drachens, wenn der Turm fertig ist. Man darf 5-Jährige nicht unterschätzen. Die kriegen raus, dass sie nicht wirklich Einfluss darauf haben, wie schwer oder leicht eine Runde wird. Und auch, wie die Länge der beiden Phasen gewichtet ist. Wenn man 10-15 Minuten Plättchen umdreht und den Turm baut, und dann ist die zweite Phase nach vielleicht 30 Sekunden vorbei ... tja, da fragen sich auch die 5-Jährigen, wieso sie vorher so viel Zeit investiert haben. Und nicht nur die. Auch ältere Kinder stellen sich diese Frage. Die Altersspanne der Testkinder hier lag beim Drachenturm zwischen 5 bis 12 Jahren.
Drachenturm ist zwar ein Spiel, bei dem die Kinder beim Schieben besser werden können - aber sie wollen es nach kurzer Zeit nicht mehr. Der Turm, der Drache, der Aufbau ... das alles hat sie für ein bis drei Partien im Griff. Aber dann winken alle ab. Sie merken, dass es ihnen keine Abwechslung und keinen Einfluss bietet. Es sieht toll aus, aber es löst das optische Versprechen nicht ein.
Drachenturm wird - wenn man es sich anschafft - bestimmt nicht im Schrank verstauben. Aber es wird mit Sicherheit nur mit langen, langen Pausen wieder auf den Tisch kommen. Und zwar, wenn die Kinder ein halb motiviertes: "Na ja ... man kann es ja noch mal versuchen ..." loslassen.
Und dann wandert es wieder für lange Zeit in den Schrank. Leider. Was man da alles hätte draus machen können ...
Rezension Christoph Schlewinski
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
H@LL9000 Wertung Drachenturm: 2,0, 1 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
01.12.16 von Christoph Schlewinski - Sieht toll aus, kann spannend sein, ist es aber oft nicht. Leider. |
Leserwertung Drachenturm: 3.0, 1 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
11.01.17 von Jörn |