Rezension/Kritik - Online seit 14.06.2023. Dieser Artikel wurde 2951 mal aufgerufen.

Alubari: A Nice Cup of Tea

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Autor: Tony Boydell
Verlag: Board Game Box
Studio H
Rezension: Andreas Frank
Spieler: 1 - 5
Dauer: 45 - 120 Minuten
Alter: ab 10 Jahren
Jahr: 2019
Bewertung: 4,0 4,0 H@LL9000
Ranking: Platz 3743
Alubari: A Nice Cup of Tea

Spielziel

Sie: Kennst Du Alubari?

Er: Ist das nicht eine Stadt in Norditalien? Willst Du da Urlaub machen?

Sie: Nein, ein Spiel von Tony Boydell.

Er: Ein neues Spiel?

Sie: Naja, wie man´s nimmt. 2019. Für Experten bereits veraltet. Und möglicherweise durch zu subtile Kartongestaltung bislang unter unserem Radar durchgeflogen.

Er: Worum geht es denn?

Sie: Um den Bau einer Eisenbahnstrecke hinauf zu den Teeplantagen von Darjeeling.

Er: Och, Darjeeling. Das war doch mal ein Spiel von Abacus. Das war nett.

Sie: Dann probieren wir das mal aus???

Ablauf

Nach einem recht zeitintensiven, von der Teilnehmendenzahl abhängigen Aufbau geht es darum, mit dem cleveren Einsatz der eigenen Arbeiter die meisten Siegpunkte zu generieren.

Zu Beginn jeder Runde (außer der ersten) werden neue Auftragskarten ausgelegt, das Wetter (und damit die Bedingungen für Schutt-Aushub, Schienenbau und / oder Tee-Ernte) verändert, eventuell Tee geerntet und Aktionsfelder blockiert, sowie Nachschub an Erz, Stein und Chai auf deren Lagerplätzen generiert. Dabei können verschiedene positive wie negative Ereignisse auftreten. Anschließend werden reihum die Arbeiterfiguren (mindestens zwei, durch Einsatz von Chai oder anderen Spielelementen kann noch eine dritte Figur für eine Runde generiert werden) eingesetzt.

Anschließend werden die sieben Aktionsfelder in der alphabetischen Reihenfolge von A bis G abgehandelt. Vor jedem Aktionsfeld wird den Teilnehmenden der Einsatz von Auftragskarten gestattet.

Die Aktionen im Einzelnen:

A. Entnahme von drei Einheiten Erz, Stein und / oder Chai von den Lagerplätzen, wobei Chai auf 1 Einheit begrenzt ist

B. Aushub von Schutt von den Tea Estates zur Gewinnung von Schutt (als Tauschmaterial) mit dem Ziel der vollständigen Räumung von Tea Estates und deren darauffolgende Inbesitznahme für künftige Tee-Ernten

C. Tausch von Materialien (z. B. Erz in Schienen)

D. Schienenbau mit Inbesitznahme

E. Bau von Bahnhofsgebäuden mit Inbesitznahme und / oder Erwerb von Betriebsmitteln (zur Verbesserung der eigenen Fähigkeiten)

F. Erwerb von Auftragskarten

G. Tee-Ernte oder Tausch von Tee-Blättern in Chai

Die Spielenden können die einzelnen Aktionen nach dem Erwerb von mindestens einem Betriebsmittel verstärken, in dem sie eine Einheit Chai abgeben. Schuttaushub, Tee-Ernte sowie der Bau von Schienen und Gebäuden sind von verschiedenen Beschränkungen (bspw. Produktivitätsleisten) geprägt.

Das Spiel endet nach der Runde, in welcher die letzte Schiene vor Darjeeling gebaut wird. Im Spiel zu zweit endet die Partie, wenn eine Person alle Besitzscheiben eingesetzt hat, wonach die andere Person noch eine komplette Runde allein absolvieren darf.

Dann erfolgt die Ermittlung der Siegpunkte für Tea Estates, Bahnhöfe, Schienen, erfüllte Auftragskarten, Chai & Teeblätter sowie Betriebsmittel. Es gewinnt, wer die meisten Punkte sammeln konnte.

Fazit

Fangen wir mit dem optischen Eindruck an. Die fast ausschließlich in mehreren Grüntönen gehaltene Gestaltung des Kartons mit lediglich einem gelb abgesetzten Schriftzug plus Grafik ist derart spartanisch, dass man das Spiel schnell übersehen kann. Persönlich finde ich das angenehm, da mir die meisten Neuerscheinung viel zu bunt gestaltet sind.

Auch die Gestaltung des Spielbrettes finde ich sehr gelungen, weil darauf viele Informationen abgebildet sind, für die man anfangs sonst die Regel nochmal konsultieren müsste. Perfekt wäre es gewesen, wenn man verschiedenen Orten (Auftragskarten, Wetter, etc.) noch bspw. römische Ziffern beigefügt hätte, welche darauf hinweisen, in welcher Phase einer Runde was als nächstes zu tun ist. Aber das ist „Schöner Wohnen“.

Auch das restliche Material (Holzwürfel, Karten, etc.) ist von guter Qualität. Allerdings fällt beim Spiel mit 4 oder 5 Personen negativ auf, dass die Schuttwürfel für die Belegung der Tea Estates bei Spielbeginn eventuell nicht ausreichen. Im Extremstfall fehlen ca. 20 Würfel, was für ein Spiel in dieser Preislage (UVP des Herstellers 45 Euro) einen etwas merkwürdigen Beigeschmack hinterlässt und größere Gruppen nötigt, Ersatzmaterial zu kaufen, aus anderen Spielen zu entlehnen oder sonst wie zu improvisieren. Ein Verlagsmitarbeiter bemerkte daraufhin angesprochen, dass dies lediglich ein Problem der Erstauflage sei. Man könne die fehlenden Steine bei Verlag gegen Gebühr und Porto erwerben.

Das Nächste, was mir persönlich nicht gefallen hat, ist die Spielregel. Bei der Übersetzung sind vereinzelte Stellen offensichtlich falsch übersetzt worden, was sich beim Studium der englischen Regel bewahrheitet. Zudem tauchen in der deutschen Regel vereinzelt englische Begriffe auf. Weiterhin wird mehrfach der Begriff „allfällig“ aufgeführt, dessen Sinn sich mir nicht erschließt und der hier nur verwirrt. In der englischen Regel steht an der Stelle zumeist „any“.

Weiterhin finde ich nicht deutlich genug herausgearbeitet, dass man lediglich über das Aktionsfeld F an Auftragskarten kommt. Wenn man die Regel zum ersten Mal liest, kann der Eindruck entstehen, dass man sich offen ausliegende Auftragskarten in einer Runde vor der Auslösung der einzelnen Aktionsfelder einfach nehmen kann, weil eben nicht formuliert ist, dass man diese erst auf Aktionsfeld F erhält. Dies kann weitere Fragen zu deren Verwendung aufwerfen. Querverweise hätten hier geholfen. Bei den Phasen 1 bis 3 hat man explizit aufgeführt, dass diese in Runde 1 nicht stattfinden. Daher hätte man erwähnen sollen, dass der Einsatz von Auftragskarten in den Phasen A bis E von Runde 1 auch nicht möglich ist, da sie frühestens in Phase F der ersten Runde erworben werden können.

Auch die Auftragskarten selbst sehe ich etwas zwiespältig, weil welche dabei sind, die m. E. keinen Sinn ergeben. Bsp.: Eine Karte erlaubt es, ein freies Tea Estate Feld erneut mit Schuttwürfeln zu belegen. Da es m. E. nach keine komplett freien Tea Estate Felder geben kann, weil nach der vollständigen Räumung eines Feldes von Schutt sofort eine Besitzscheibe darauf gelegt wird, kann dies eigentlich nur für noch nicht ganz geräumte Felder gelten. Das ergibt für mich allerdings spieltechnisch keinen Sinn. Eine Übersicht der Auftragskarten, bzw. deren Sinn und Anwendung, fehlt. Für die Betriebsmittel ist sie hingegen gegeben.

Auch ist nicht explizit genug erwähnt, in welcher Reihenfolge man die Sofort-Effekte von Auftragskarten mit den Verstärkungen der Aktionen durch Chai-Abgabe kombinieren kann. (Erst verstärken, dann Soforteffekt, oder andersherum?)

Grundsätzlich bin ich ein Freund von Spielen aus Kleinverlagen und nehme daher die ein oder andere redaktionelle Schwäche zumeist klaglos hin. Aber hier bin ich der Auffassung, dass mehr redaktionelle Arbeit hätte investiert werden müssen und nicht der Versuch unternommen werden sollte, die Regeln auf 12 Seiten zu begrenzen, um dieses Spiel – wie auf der Webseite des Verlages Boardgamebox zu lesen steht – als Familienspiel deklarieren zu können, was es aus meiner Sicht nicht ist.

Eigentlich glaube ich, dass hier ein gutes Spiel konzipiert wurde, was aber beim prägenden ersten Eindruck für mich – wie der Engländer so schön sagt – wie ein „Blitz in der Pfanne“ wirkt.

Außerdem sollte den Teilnehmenden bewusst sein, in welcher Spieleranzahl sie agieren. Es gibt Auftragskarten, welche im Spiel zu zweit einigermaßen gut zu erfüllen sind (und viele Punkte bringen), während selbige im Spiel zu fünft schwierig zu schaffen sind. Unvollständige Aufträge werden bei Spielende nicht belohnt.

An dieser Stelle ein Wort zu den Betriebsmitteln: Diese bringen zwar Vorteile im Spiel und bei Spielende zusätzlich Punkte, müssen jedoch im Spielverlauf immer mal wieder (bei Auftreten von Ereignis Nummer 5 (von 6)) mit Schienen und / oder Chai bezahlt werden, da sie ansonsten zurückgegeben werden müssen. Darunter gibt es den „zuverlässigen Zug“, der es dem Besitzenden ermöglicht, die Auswirkung von Ereignis Nr. 5 zu ignorieren. Daher ist es für dessen Besitzer wesentlich attraktiver, weitere Betriebsmittel zu erwerben. Hinzu kommt noch der „Treppenwitz“, dass 7 von 8 Betriebsmitteln im Spiel verwendet werden dürfen und nur genau eines nicht. Oder ist diese kaum nachvollziehbare Regelung bereits mit Blick auf noch zu veröffentlichende Erweiterungen eingeführt worden?

A propos Erweiterungen: Kenner der Spiele von Autor Tony Boydell (nicht ich) erwähnen zuweilen, dass es sich bei Alubari eigentlich um eine Erweiterung von „Snowdonia“ handeln sollte. Und dass deutliche Parallelen zu einem Vorgänger namens „Foothills“ bestehen. Da ich diese (bislang) nicht kenne, kann ich nicht beantworten, ob man „Alubari“ als Besitzer von zuvor erwähnten Spielen wirklich braucht. Sorry.

Kommen wir zu der Frage, zu welcher Gattung Spiel man dieses Spiel zählen kann. Also mit dem guten, alten Arbeitereinsetzspiel liegt man schon mal richtig. Andere aktuell gefragte Mechanismen wie Deck-Building konnte ich nicht erkennen, auch einen Engine Builder nicht. Auch kein 4X oder anderes, womit man die Experten-Gemeinde zu ködern versucht. Bag-Building? Eher nicht, da die Anzahl der Würfel im Beutel zu Spielbeginn festgelegt wird und sich dessen Inhalt nur bei Entnahme bzw. Nutzung von Erz etc. wieder verändert. Die Folge daraus finde ich elegant. Wenn man zu viele Baumaterialien hortet, um Aktionsfeld C nach mehreren Runden mal in extenso nutzen zu können, steigt bei weiteren Auffüllaktionen das „Risiko“ von Ereignissen, die ich im Durchschnitt als nicht so attraktiv empfinde, speziell wenn man sich wieder Ereignis 5 nähert.

Wie bereits weiter oben aufgeführt, ordnet der Verlag das Spiel als Familienspiel ein. Das sollte dann m. E. aber schon eine Kennerfamilie sein, denn es bedarf einer gewissen flexiblen Planung, Dinge in der richtigen Reihenfolge zu tun und dabei auch die Entwicklung der Auswirkungen des Wetters einzubeziehen, um möglichst erfolgreich zu sein.

Dabei kann man sich allerdings nie zu sicher sein, dass das Vorhaben auch 1:1 klappt, weil Mitspielende Aktionsfelder blockieren können, die ich verplant hatte. Oder die Person, welche dasselbe Aktionsfeld in der Auslösungsreihenfolge vor mir belegt hat, verhält sich nicht wie erwartet (sammelt andere Rohstoffe, baut mit den eingetauschten Schienen keine Strecke, sondern xxx etc.). Insofern ist auch immer ein gewisses Maß an Unsicherheit gegeben. Was ich grundsätzlich als angenehm empfinde, aber gewiefte Planer, die ihre Mitspielenden gut einschätzen können, werden hieraus trotzdem Vorteile erarbeiten.

Von der angegebenen Spielzeit von 60 bis 90 Minuten kann ich sagen, dass diese nicht einmal mit zwei Spielern zu schaffen ist, sondern eher mindestens 120 bis 150 Minuten eingeplant werden sollten. Da mit steigender Spielendenzahl auch ein Mehr an Material und Einsatzmöglichkeiten einhergehen, dürfte sich auch die Spieldauer mit jeder weiteren Person um mind. 30 Minuten erhöhen. (Regelerklärung nicht inbegriffen.) Von daher ist es kein schnelles Spiel und ich würde es auch nicht gerne mit mehr als 2 Personen spielen wollen.

Das Ereignisrondell, welches immer aktiviert wird, wenn ein weißer Stein bei der Befüllung der Lagerplätze gezogen wird, beschleunigt das Spiel, indem vom Spiel selbst Bahnhöfe belegt, Schienen gebaut oder Kosten für die Betriebsmittel eingefordert werden. Das gilt es also ebenfalls im Blick zu haben, um davon nicht mehr als nötig negativ beeinflusst zu werden.

Habe ich noch etwas vergessen? Den Ausdruck einer englischen Regelversion würde ich empfehlen, da diese manche Sachverhalte doch etwas eindeutiger beschreibt. Aber eben auch nicht nicht alle…

Großes Finale: Wie ist das Spiel zu bewerten? Grundsätzlich würde ich für den Spielreiz fünf Punkte vergeben, aber die suboptimale Spielregel stellt tatsächlich eine nicht zu unterschätzende Einstiegshürde dar, welche diverse zusätzliche Tätigkeiten (Mails an Verlag, Suche bei BGG etc.) erfordert. Zusätzlich empfehle ich Besitzenden der Erstauflage den Erwerb zusätzlichen Spielmaterials. Als Besitzer der Erstauflage (auf diese beziehe ich mich hier ausdrücklich) bin ich von dem vorliegenden Produkt leider ein wenig ernüchtert und ziehe daher einen Punkt ab: vier Punkte.

Rezension Andreas Frank

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.

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H@LL9000-Bewertungen

H@LL9000 Wertung Alubari: A Nice Cup of Tea: 4,0 4,0, 1 Bewertung(en)

Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 30.03.23 von Andreas Frank

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