Rezension/Kritik - Online seit 26.05.2012. Dieser Artikel wurde 3351 mal aufgerufen.

Familiengeflüster

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Autor: Franz Scholles
Henri Guttmann
Uschi Scholles
Illustration: Atelier Pulido
Verlag: Aktuell-Spiele-Verlag
Rezension: Sandra Lemberger
Spieler: 3 - 6
Dauer: 30 - 45 Minuten
Alter: ab 7 Jahren
Jahr: 2011
Familiengeflüster
Tags:Partyspiel
Auszeichnungen:2011, Deutscher Lernspielpreis "ab 9 Jahren" Nominierung

Spielziel

Ihre Familie lebt nur mehr nebeneinander her, es gibt kein wirkliches Miteinander mehr? Dann sollten Sie es mal mit einer Runde Familiengeflüster probieren - vielleicht haben Sie danach die Erfahrung gemacht, was sich die anderen wünschen und was man als Familie wieder gemeinsam unternehmen kann.

Ablauf

Der Wünscher (dies ist der aktive Spieler und jeder wird dies einmal sein) würfelt und sucht sich aus sieben farbig passenden Geflüsterkarten (es gibt jeweils welche für Eltern und Kinder) eine aus. Darauf klebt er einen Sticker, auf welchem er den auf der Karte genannten Wunsch um bestimmte Daten ergänzt, wer also wann was und wo genau machen soll. Die auf der Karte genannte Person (der Bestimmer) liest den Wunsch laut vor, würfelt seinerseits, sucht aus den farbig passenden Bestimmerkarten eine aus und gibt sie dem Wünscher zusammen mit der Wunschkarte zurück. Nachdem die Antwort laut vorgelesen wurde, bestimmt die gesamte Runde, ob sie die Antwort des Bestimmers gut fanden oder nicht. Fand die Antwort die Zustimmung der meisten Mitspielenden, so gibt es als Belohnung für die Erwachsenen eine Pausenkarte, für die Kinder eine Päckchenkarte (entspricht einem kleinen Wunsch außer der Reihe).

Anschließend wird gemalt. Der Wünscher malt das Bild, welches auf der Rückseite der Bestimmerkarte zu sehen ist, mit den Fingern auf den Rücken seines Nachbarn. Dieser soll erkennen, was gemalt wurde und das Ergebnis seinerseits auf ein Blatt Papier zeichnen. Bei Erfolg gibt's für den Fühler eine Nachtischkarte, für den Maler eine Glückskarte - andernfalls wird der Maler mit einer Pechkarte bestraft. Auch auf diese Karte wird wieder ein Sticker geklebt. Darauf schreibt der Wünscher die Person, welche die Glücks- oder Pechkarte mit ihm zusammen einlösen darf/muss. Außerdem steckt er seine drei Karten auf seine Fahne und sucht sich vom Familienbande-Kartenstapel jene aus, die ihm am besten gefällt.

Auf diese Weise wird das Spiel fortgesetzt, bis jeder einmal aktiver Spieler war. Am Ende werden die gewählten Familienbandekarten vorgelesen und ausgelegt. Alle sagen gleichzeitig "Der allerbeste Vorschlag ist …" und zeigen danach auf jene Aktion, die ihnen am besten gefällt. Der Vorschlag, welcher die meisten Stimmen bekommen hat, ist das Familienereignis, das für alle gilt. Ein nächstes Familiengeflüster wird es erst geben, wenn alle Karten, die im Spiel waren, eingelöst wurden.

Fazit

Beim Lesen des Spielablaufs haben Sie sich vielleicht wie ich gedacht "Puh, in diesem Spiel werden ganz schön viele Karten hin- und hergereicht - da kommt man ja sicher total durcheinander!" Nun ja, beim ersten aktiven Spieler muss man immer wieder nachlesen, aber schon beim zweiten weiß man meistens, was zu tun ist. Lediglich den Zeitpunkt, zu dem es die Glücks-/Pechkarten bzw. die Belohnungskarten gibt, bringt man öfter durcheinander.

Aus spieltechnischer Sicht hat Familiengeflüster jedoch einige Mängel: Erstens reduziert sich die Auswahl durch den Farbwürfel auf lediglich sieben Karten. Nicht immer findet jeder Wünscher oder vor allem Bestimmer den Wunsch bzw. die Antwort, die er eigentlich als gut erachten würde. Hier fühlt man sich doch manchmal sehr eingeschränkt in seinen Frage- bzw. Antwortmöglichkeiten.

Das Bekleben der Karte widerstrebt vielen Leuten sehr. Vor allem liegen auch so wenig Aufkleber bei, dass man damit maximal drei Partien bestreiten kann. Es hat sich auch die Frage gestellt, was man später mit den beklebten Karten macht? Überklebt man sie bei Bedarf einfach? Dann lässt man sich aber vielleicht von den Wünschen des Vorgängers beeinflussen und versucht gar nicht, selbst kreativ zu sein. Außerdem kann man dann den kleingedruckten Hilfestellungtext nicht mehr lesen. Versucht man die Aufkleber vor dem nächsten Spiel wieder abzuziehen, bleiben oft Kleberreste zurück bzw. man reißt einen Teil der Kartentexte mit weg oder verbiegt die Karten.

Am meisten hat in den Testrunden gestört, dass das Bild, das der aktive Spieler seinem Nachbarn auf den Rücken malen muss, auf die Rückseite der Bestimmerkarte gedruckt ist. Achtet man beim Überreichen oder Vorlesen der Karte nicht darauf, deren Rückseite verdeckt zu halten (was oft genug passiert ist), dann hat sich die Malaktion schon erledigt.

Die Altersempfehlung ab 7 Jahren würde ich ein bisschen anheben. Weil in dem Spiel viel zu lesen und schreiben ist, sollte dies schon zügig vonstatten gehen, was bei den meisten 7-Jährigen noch nicht der Fall ist.

Ob die auf den Pech-/Glückskarten aufgedruckten Texte alle zweckdienlich sind, wage ich zu bezweifeln. Bei den meisten kann man sich das zwar gut vorstellen, aber wenn ich mir überlege, dass mein Mann, der sich laut Karte "für die nächste lange Autofahrt die Musik aussuchen darf", uns während der nächsten mehrstündigen Urlaubsfahrt mit Heavy Metal die Ohren volldröhnt, dann ist ein Unfall schon vorprogrammiert, falls ich am Steuer sitze. Oder soll meine Tochter das nächste Mal in die Oper mitgehen, obwohl sie solche Musik hasst, nur weil ich auf meiner Karte "schleppt dich irgendwo hin, wo du niemals hinwolltest" stehen hatte? Ich glaube eher nicht, dass diese Vorschläge dazu beitragen würden, die Stimmung in der Familie zu verbessern!

Und was macht man, wenn sich das Kind einen Islandurlaub wünscht, die Familienkasse das aber absolut nicht zulässt? "Wozu spielen wir dann überhaupt dieses Spiel?", lautete die Gegenfrage meiner Tochter. Nun ja, vielleicht hätte man ihr vorher verdeutlichen sollen, dass es in dem Spiel eher darum geht, kleine Wünsche des Alltagslebens zu äußern, nicht derartig große. Aber darauf weist die Spielregel leider nicht hin.

Auch ist die Regel, dass das Spiel erst wieder gespielt werden darf, wenn alle Karten eingelöst wurden, ein wenig absurd, denn bei manchen Karten lässt sich gar nicht so genau festlegen, wann sie als "eingelöst" betrachtet werden können, was bei den meisten abschließenden Familienbande-Wunschkarten der Fall ist (z. B. Familie macht weniger Lärm, Familie ist freundlich zueinander). Wobei ich die meisten dieser Familienbandekarten trotzdem sehr gelungen finde - und das nicht nur, weil eine der Karten "Spieleklub: Familie hat am Sonntag Spielzeit!" lautete.

Das Spiel wurde von dem Schweizer Spieletherapeuten Henri Guttmann entwickelt. Ich gehe einfach mal davon aus, dass er in dieser Eigenschaft mit vielen Familien zu tun hat, in denen so manches nicht so abläuft, wie sich das alle Beteiligten wünschen würden. So wie man eben nur zum Eheberater geht, wenn man Probleme mit seinem Partner hat. Des Weiteren vermute ich, dass das Spiel in solchen Fällen seinen Zweck erfüllt und dazu führt, dass sich alle Familienmitglieder wieder darauf besinnen, nicht nur die eigenen Wünsche durchzuboxen, sondern Rücksicht auf die Bedürfnisse der anderen zu nehmen. Da erfüllt dieses Spiel seinen Zweck bestimmt vorzüglich, denn nirgends wird mit erhobenem Zeigefinger das eine oder andere Familienmitglied beschuldigt oder belehrt. Weil ich keine solche Familie kenne und daher nicht mit der eigentlichen Zielgruppe testspielen konnte, gebe ich an dieser Stelle auch keine Bewertungsnote ab, weil diese dann zum Teil auf reinen Vermutungen basieren würde.

Eine Familie, in der das soziale Miteinander mit Ausnahme von kleineren Meinungsverschiedenheiten gut funktioniert, wird das Spiel eher nicht als unterhaltsam oder zielführend empfinden. Und schon gar nicht, wenn es sich um eine Familie handelt, in der oft gespielt wird - dann erwarten die Beteiligten mehr von einem Spiel. In meiner Familie wurde am Ende als Familienbandenwunsch "Fernweh - Familie spart gemeinsam für die großen Ferien" gewählt. Meine ältere Tochter stellt dann abschließend mit einem erleichterten Unterton fest: "Gut, dieser Wunsch hängt ja jetzt mindestens 9 Monate an der Pinnwand - mindestens so lange dürfen wir das Spiel also nicht mehr spielen!".

Rezension Sandra Lemberger

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.

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