Rezension/Kritik - Online seit 30.05.2025. Dieser Artikel wurde 1172 mal aufgerufen.

Ierusalem: Anno Domini

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Verlag: Devir
GaGa Games
CMON Global Limited
Rezension: Andreas Frank
Spieler: 1 - 4
Dauer: 90 Minuten
Alter: ab 12 Jahren
Jahr: 2023
Bewertung: 5,0 5,0 H@LL9000
Ranking: Platz 2560
Ierusalem: Anno Domini

Spielziel

Beim letzten Abendmahle, die Nacht vor seinem Tod, nahm Jesus in dem Saale Gott dankend Wein und Brot … (Christoph von Schmid; 1807)

Brettspielumsetzung von bekannten Büchern gibt es bereits diverse (Der Herr der Ringe, Die Säulen der Erde, etc.) und das auch durchaus erfolgreiche. Dem Buch der Bücher hingegen hat man sich bislang nicht (direkt) angenommen. Ja, es gibt ein paar bekannte Spiele, beispielsweise (Die Siedler von) Catan, die eine eigene Auflage unter Verwendung der bekannten Mechanismen in einem kirchlichen Kontext erhalten haben. Nun hat Autorin Carmen Jiménez aber direkt ein Kapitel aus der Bibel umgesetzt …

Ablauf

Zuerst steht in Abhängigkeit von der Spielerzahl der Aufbau des Spiels an. (Wer möchte kann vor der ersten Partie noch weit über 200 Aufkleber auf das Spielmaterial aufbringen, was eine Menge Zeit kostet. Dringend notwendig ist es nicht, sieht nur eben netter aus.)

Das Spiel läuft über eine nicht vorab festgelegte Anzahl von Runden. Der aktive Spieler wählt von seinen fünf Handkarten eine aus, die er auf seinem persönlichen Tableau in einer von drei Spalten auslegt und die durch ein Symbol oben links festlegt, wo man zuerst tätig sein möchte (Markt, Wüste, Berge, See, Tempel). Dort kann man Anhänger zum Arbeiten einsetzen, erhält Ressourcen oder kann diese in Geld tauschen (und umgekehrt) oder eine Karte kaufen.

Am unteren Rand einer Karte sind – je nach Typ – noch ein bis drei weitere Symbole aufgedruckt, die weitere Aktionen ermöglichen. Das können die bereits zuvor erwähnten Orte sein und / oder weitere Symbole, die das Versetzen der eigenen Anhänger an den Abendmahltisch (kostenpflichtig oder kostenfrei), das Vollbringen guter Taten und mehr bewirken. Die verwendete Karte wird dabei dachschindelförmig auf etwaige bereits ausliegende Karten einer der drei Spalten auf dem eigenen Spielertableau gelegt.

Anschließend wird geprüft, ob man mit der abgelegten Karte in der verwendeten Spalte auf dem persönlichen Spielertableau eine vor dem Spiel festgelegte Reihenfolge von dreien der Symbole Markt, Wüste, Berge, See bzw. Tempel erreicht hat. Hat man dies geschafft, kann man einen der Jünger an den Abendmahltisch setzen und eine Belohnung erhalten.

Danach erhält man die Möglichkeit für 2 Münzen eine Mahane-Karten zu erwerben und auf die Hand zu nehmen.

Abschließend ist eventuell noch die Kartenhand auf 5 Karten zu reduzieren.

Der Fortschritt im Spiel entsteht durch die Verwendung des Sanhedrin-Symbols auf den Karten der Spieler, wobei jeder zweite Schritt auf der Sanhedrin-Leiste in einer Art Zwischenwertung mündet. So eilt das Spiel mit großen Schritten dem Ende entgegen, wenn die sechste und letzte Zwischenwertung erfolgt ist und / oder der zwölfte Apostel an den Abendmahltisch gesetzt wird. Punkte gibt es während des Spiels (beispielsweise für gute Taten), nach Einsetzen eines Apostels und bei Spielende für die Positionen der eigenen Anhänger am Abendmahltisch hinter Jesus und den Aposteln (außer Judas, der bringt Minuspunkte) und die Anzahl der gehörten Gleichnisse sowie ein ungenutztes Erleuchtungsplättchen. Es gewinnt der Spieler mit den meisten Punkten.

Fazit

Das letzte Abendmahl von Jesus Christus als Thema zu verwenden, kann eine durchaus polarisierende Wirkung haben. Die Autorin ist – mir zumindest – bislang nicht als Autorin von Brettspielen bekannt. Was ich zu ihr bislang in Erfahrung bringen konnte ist, dass es sich um eine Theolog(iestudent)in handelt, die das Thema auf spielerische Weise erlebbar machen wollte.

Es kann durchaus sein, dass Mitspieler ihre Mitwirkung bereits aufgrund des Themas ablehnen.

Die Vorbereitung der ersten Partie ist in Verbindung mit dem Bekleben des Materials ziemlich zeitaufwendig. Das Studium der 24-seitigen Regel geht auch nicht zu leicht von der Hand, weil je nach Situation häufig kleine Beschränkungen zu beachten sind, die zwar durchaus Sinn ergeben, aber nicht intuitiv einfallen (wollen) und daher in den ersten Partien vermutlich (gerne) vergessen werden.

Beispielhaft sei dafür das Einsetzen eines eigenen Anhängers in eine bereits voll ausgelastete Region (Wüste, Berge, See) erwähnt, wo man Anhänger der Mitspieler entfernen kann, den Mitspielern allerdings als Verlustausgleich die Kosten für das Einsetzen des eigenen Anhängers erstatten und zudem noch eine Münze an die Bank zahlen muss. Oder dass man für das Anhören von Gleichnis X zu diesem Zeitpunkt mindestens gleich viele eigene Anhänger am Abendmahltisch platziert haben muss.

Das Spielmaterial ist gut: stabile Pappe für die Spielertableaus, Spielbrett und sonstige Token, ordentliche Karten und Holz für Brot, Fisch und Wein. Wobei der große, massive Jesus-Token, der zu Spielbeginn an den Abendmahltisch gelegt wird, optisch heraussticht.

Die Grafik ist mit mittelalterlichen Darstellungen kirchlicher Ereignisse vergleichbar. Damit ist sie bewusst nicht modern, was mich persönlich nicht stört. Die Verwendung der gewählten Symbole auf den Karten hingegen ist gewöhnungsbedürftig. So will mir beispielsweise nicht recht einleuchten, warum das Symbol, das das kostenfreie Versetzen eines eigenen Anhängers am Abendmahltisch darstellen soll, auf den ersten Blick aussieht wie eine Pizza Tutti (quasi mit allem). Aber vermutlich bin ich nur nicht ausreichend mit christlicher Symbolik vertraut. Es gibt jedoch Spielhilfen, mit denen die Funktionen der Symbole erläutert werden, wobei man schon gut hinsehen muss, da sich einige Symbole recht ähnlich sehen.

Das Spiel selbst kann als klassisches Arbeitereinsetzspiel bezeichnet werden. Erst sind die eigenen Arbeiter in Lohn (und Brot) zu bringen, bevor sie eventuell eine Einladung zum Abendmahl erhalten und dort einen Großteil der zu erzielenden Punkte einbringen. Und was man nicht unterschätzen sollte, ist der Einfluss der gehörten Gleichnisse, weil deren Punktzahl in Abhängigkeit von der Anzahl überproportional ansteigt.

Je nach Spielerzahl kommen bestimmte Karten aus dem Spiel, was von der Ikonografie nicht optimal gelöst wurde. So müssen für das Spiel mit mehr als zwei Personen drei bestimmte Karten entfernt werden, aber es tragen insgesamt zehn Karten ein Symbol, bei denen die Optik suggeriert, dass diese Karten nur für das Spiel zu zweit oder allein vorgesehen sind. Dem ist jedoch nicht so, wenn man die Aufbauanleitung genau durchliest. Sonst hat man im Spiel mit drei oder vier Personen sehr wenige Mahane-Karten im Spiel. (Auch so ein Fehler in den ersten Partien.)

Was ganz nett erscheint, ist das Vollbringen guter Taten, schließlich möchte man Jesus ein wenig nacheifern. Dafür erhält man nicht nur Siegpunkte und eine 33 AD-Karte mit drei Symbolen (plus evtl. eine weitere Belohnung). Im Gegenzug erhält der beschenkte Mitspieler beispielsweise Brot oder Fisch und ein Plättchen mit einem Ortssymbol, das vom Besitzer bei entsprechender Gelegenheit wie eine Karte abgelegt werden kann, um so die gewünschte Reihenfolge von Symbolen in einer Spalte zu schaffen und einen Apostel einsetzen zu können.

Das Spiel als solches funktioniert mit drei und vier Personen reibungslos, wenn zumindest einer die Regeln gut kennt. Die Varianten mit ein oder zwei Personen habe ich bislang nicht ausprobiert.

Die Verwendung des Themas ist in Zeiten, wo immer mehr Menschen dem christlichen Glauben kritisch gegenüberstehen, zumindest mutig zu nennen. So war ich positiv überrascht, als ich erfuhr, dass Strohmann Games eine deutsche Lokalisation des Spiels herausbringt, da ich den Bedarf an diesem Spiel im deutschen Markt als eher gering eingeschätzt habe.

Das Thema als solches empfinde ich persönlich, trotz der mittelalterlichen Grafik, als überhaupt nicht (ver)störend, da es meines Erachtens nicht mit erhobenem Zeigefinger, belehrend oder ähnliches daherkommt.

Das Einzige, was mich etwas verwundert, ist die Verwendung von Stein als Ressource, da ich mir nicht erschließen kann, wozu dieser in dem Kontext dienen soll. Hier hätte ich beispielsweise Wein als Ressource passender / unverfänglicher gefunden.

Der Aufbau der Spielanleitung ist zumindest gewöhnungsbedürftig, weil immer wieder Bibelzitate aufgeführt werden und deren Zusammenhang mit dem Spiel erläutert wird. (Hier hätte ich mir etwas zur Verwendung von Stein als Ressource gewünscht. Aber das ist vielleicht nur mein persönliches Empfinden.) Vielleicht sind diese „Unterbrechungen im Lesefluss“ auch der Grund, warum man (zumindest ich) nicht alle Facetten der Regel nach dem ersten Durchlesen behält. Daher empfehle ich beim ersten Durcharbeiten der Regel die Verwendung von Stift und Papier, um sich die kleinen Feinheiten nochmal zu vergegenwärtigen (von der Hand in den Kopf).

Was ich persönlich nicht gebraucht hätte, ist das Erleuchtungsplättchen. Wenn man es einsetzt, verliert man fünf Punkte und gibt dafür quasi einen ganzen Spielzug ab. Das lohnt sich nur in wenigen ausgewählten Fällen, sprich: Wenn man es schafft, mit seinem Einsatz mindestens sechs (oder mehr) Punkte zu generieren.

Auch die Opfermarker (irreversibel mit einem Wert von 1) hätte ich nicht gebraucht. Deren Bezug ist optional beim Einsetzen eines Anhängers am Abendmahltisch, jedoch verstopfen diese zumindest bei Spielbeginn das eigene Lager, wo noch ein Großteil der eigenen Anhänger liegt. So kommt es zu Situationen, in denen man nach Bezug von Ressourcen nicht alle im eigenen Lager unterbringen kann, was jedoch dadurch gelöst wurde, dass das Einhalten der Lagergrenzen nur am Ende des eigenen Spielzugs gewährleistet sein muss. Also muss man sich bemühen, zumindest die überzähligen Ressourcen vor dem Ende des eigenen Spielzugs noch auszugeben. Aber das dürfte für Freunde des gepflegten Kennerspiels ja eher eine Herausforderung als eine Beschränkung bedeuten.

Nun zur Bewertung: Die Einstufung des Schwierigkeitsgrades als Kennerspiel habe ich zuvor bereits erwähnt. Als Familienspiel taugt es zumindest mit Grundschulkindern eher nicht.

Der Glücksfaktor ist gering und beschränkt sich lediglich auf den Erwerb von verdeckten Karten am Markt oder durch eine gute Tat. Der Rest an Informationen liegt offen und kann für Planungen ausgiebig genutzt werden. Was natürlich mit Grüblern am Tisch nicht unbedingt ein Fest sein muss.

Ein Ärgerfaktor ist gegeben, wenn man beim Einsetzen eines eigenen Anhängers in eine ausgelastete Region Anhänger von Mitspielern entfernt, die deren Produktivität für einen Folgezug bereits verplant haben. Allerdings kostet dies auch eine Münze mehr und will aufgrund von zumeist überschaubarem Bargeldbestand durchaus vorher abgewogen werden.

Des Weiteren erlaubt das Einsetzen bestimmter Apostel als Belohnung den Austausch von einem eigenen Anhänger am Abendmahltisch mit dem eines Mitspielers. Damit kann man einem Mitspieler ein paar Punkte abknöpfen, was bei engen Spielverlauf spielentscheidend sein kann. Da die meisten Punkte jedoch erst bei Spielende erzielt werden, ist es ziemlich aufwendig auszurechnen, wem man denn mit einer solchen Aktion am erfolgsorientiertesten schadet.

Bei der Bewertung des Spielreizes schwanke ich ehrlich gesagt zwischen 4 und 5. Die Einstiegshürde mit Erlernen der gesamten Spielregel ist schon nicht niedrig. Auch der Aufbau des Spiels benötigt einige Zeit, weil es gilt, die Anpassungen für die jeweilige Spieleranzahl vorzunehmen. (Von der einmaligen Vorarbeit mit dem Bekleben der Spielfiguren und Ressourcen möchte ich gar nicht reden.)

Eine Partie spielt sich flüssig, wenn man erstmal alle Feinheiten verinnerlicht hat. Ich habe keine groben Fehler in der Konzeption von Spiel und Regel entdecken können, was ich für ein Erstlingswerk durchaus erwähnenswert finde.

Eine gute halbe bis dreiviertel Stunde pro Spieler sollte man einplanen.

Mit Blick auf den Status Erstlingswerk der Autorin, das ziemlich ansprechende Material, den Mut des Verlages zur Verwendung des Themas „Das letzte Abendmahl“ und das insgesamt schlüssig konzipierte Spiel tendiere ich jedoch zu 5 Punkten.

Rezension Andreas Frank

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.

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H@LL9000 Wertung Ierusalem: Anno Domini: 5,0 5,0, 1 Bewertung(en)

Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 01.08.24 von Andreas Frank

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