Rezension/Kritik - Online seit 26.05.2025. Dieser Artikel wurde 1615 mal aufgerufen.
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In den Untiefen des Bewusstseins
Moderne Psychoanalyse? Da fällt einem zuerst Sigmund Freud ein. Nach ein bisschen Nachdenken noch Carl Jung und dann … sah es bei mir zumindest düster aus. Bis ich die Regeln zu Das Unbewusste aufschlug und direkt drei weitere Namen sah: Alfred Adler, Margarete Hilferding und Sabine Spielrein. Da dauerte es dann ein wenig, bis ich mit dem Regelstudium anfangen konnte, denn erst mal musste Wikipedia meine Wissenslücken schließen. Dazu aber später mehr.
Wir befinden uns historisch akkurat in Wien Anfang des 19. Jahrhunderts und sind Teil von Freuds „Mittwochs-Gesellschaft“, die sich regelmäßig traf und Erfahrungen, Ideen und Fortschritte im Bereich der Psychoanalyse austauschten.
Wie stellt man sich das vor? Wahrscheinlich saßen alle an einem großen Tisch, haben diskutiert und Gedanken hin und her gespielt. Dieses Bild hatten wohl auch die Autoren Laskas, Jonny Pac, Yoma und Antonio Zax vor Augen, denn so ein Tisch ist eins der zentralen Elemente von Das Unbewusste und bei diesem Spiel sind unsere Arbeiter, die wir einsetzen, Ideenblasen, die auf eine bestimmte Aktion auf dem Tisch zeigen.
Würde man die Mechanismen in ein anderes Setting packen, z. B. Mittelalter oder SciFi, würden wir mit diesen Aktionen Ressourcen wie Lehm, Holz oder Plasmaphotische Exotizioden sammeln. Bei Das Unbewusste sammeln wir auch Ressourcen, aber die heißen hier „Erkenntnisse“ und die gibt es in drei Qualitäten: gering, gehoben und umfassend. Man könnte auch sagen: klein, mittel, groß.
Erkenntnisse braucht man, um Patienten zu behandeln und bei manchen reicht es, ein bisschen über deren Leidenschaften oder den Drang nach Unabhängigkeit zu wissen. Bei anderen Patienten muss man aber gehoben oder umfassend Bescheid wissen und deshalb wandern die Marker auf unserem Erkenntnisrad permanent hin und her, wir geben Erkenntnisse aus, investieren diese in unsere Patienten, setzen uns mit den Kolleginnen und Kollegen an den Tisch und generieren neue Erkenntnisse für die nächsten Patienten.
Diese armen Menschen sind geplagt. Nicht nur von Träumen, sondern auch von Traumata. Beides gibt es als Karten, die Träume haben einen tollen, surrealen Dixit Vibe und die Traumata sind durchsichtige Plastikkarten mit bedrohlichen Schlieren, die auf den Patienten liegen. Träume müssen wir „analysieren“ und los werden, denn das hilft bei der erfolgreichen Therapie. Und Traumata sollten weg behandelt werden, damit sie die für uns positiven Effekte unserer Patienten nicht weiter blockieren.
Und neben all dem gibt es noch zwei weitere Tableaus. Ein eigenes, auf dem wir neue Marker für Erkenntnisse und Idee freischalten können und ein allgemeines von Wien, auf dem sich unsere Figur bewegt und in berühmten Wiener Gebäuden Inspirationen bekommt. Vorzugsweise, indem man sich mit anderen Figuren oder sogar Freud selber dort aufhält, denn je mehr vor Ort sind, desto mehr kann man machen.
Und jetzt zurück zu Wikipedia. Kaum hatte ich angefangen, die ganzen Namen einzutippen und mit deren Geschichte durchzulesen, waren plötzlich zwei Stunden vergangen und ich war noch nicht mal am Ende. Die Geschichte der Psychoanalyse ist so reichhaltig und so voller interessanter Figuren, ich kam mir richtig ungebildet vor. Ohne Das Unbewusste hätte ich mich damit vielleicht nie beschäftigt – außer, wenn ich durch Zufall den etwas misslungenen Film „Eine dunkle Begierde“ von David Cronenberg gesehen hätte, der sich mit Sabine Spielrein, Jung und Freud beschäftigt, aber bei deren Figuren leider nicht so in die Tiefe geht, wie er vielleicht sollte.
Und wie anfangs schon erwähnt, wären die Erkenntnisse hier bei anderen Spielen Ressourcen und es ist vielleicht alles austauschbar. Trotzdem passt hier alles hervorragend zusammen, denn die Autoren scheinen, wie ich, eine Recherche-Spirale durchlebt zu haben, Das Unbewusste ist randvoll mit Historie, Geschichte und Atmosphäre. Einen nicht gerade kleinen Teil trägt die Illustration bei und Vincent Dutrait hat zusammen mit Andrew Bosley ganze Arbeit geleistet. Dieses Spiel sieht wirklich traumhaft aus und transportiert die Geschichte an jeder Stelle ausgezeichnet.
Was aber nicht heißt, dass man sich super schnell in Das Unbewusste einarbeiten kann. Dieses Spiel ist ein Schwergewicht, es gibt viele Details, viele kleine Regeln, es gibt viel zu beachten. Besonders das eigene Tableau, auf dem wir Aktionsplättchen des großen Tisches ablegen dürfen. Die können natürlich unter bestimmten Umständen noch mal aktiviert werden, man baut sich also einen Motor, der viel abwerfen soll. Eine anspruchsvolle Aufgabe. Die Regeln sind gut, trotzdem braucht es bei der ersten Partie einiges an rumblättern und nachgucken, bis alles sitzt.
Thematik und Mechanik gehen aber dort Hand in Hand, wo zwar Fragen auftauchen, deren Antwort dann aber hängen bleibt, weil man es sich so schön bildlich vorstellen kann. Besonders bei der Behandlung der eigenen Patienten. Es ist völlig logisch, dass man die Träume analysieren und sich um die Traumata kümmern muss. Es ist völlig logisch, dass man dafür Erkenntnisse braucht. Und natürlich ist logisch, dass unsere Patienten Siegpunkte abwerfen und wir bei aller „sitzen an einem Tisch und reden“ Atmo trotzdem die beste Reputation bei Sigmund Freud bekommen wollen.
Das Unbewusste hält den tollen Trend aufrecht, komplexe Themen anschaulich und gut recherchiert an den Spieltisch zu bringen. Es schafft, dass man sich mit dem Thema beschäftigt und etwas lernt. Für Leute, die es gerne herausfordernd und atmosphärisch haben wollen, ist Das Unbewusste genau richtig.
Rezension Christoph Schlewinski
In Kooperation mit der Spielezeitschrift
H@LL9000 Wertung Das Unbewusste:
5,0, 1 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
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16.04.25 von Christoph Schlewinski |
Leserwertung Das Unbewusste:
3.5, 2 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
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28.02.25 von schwenkbraten - Uff, das war eine Enttäuschung. Keine Frage, das Spiel ist eines meiner schönsten in der Sammlung, tolles Material und super Artwork. Leider überfordert es schon sehr früh im Spiel mit unfassbar langen Kettenzügen, die völlig außer Kontrolle geraten können, sodass sowohl Spieler selbst, als auch die Mitspieler nicht mehr überblicken können, wo sie eigentlich gerade sind, welche Teilaktionen noch nicht ausgelöst wurden und was die Ursprungsaktion gewesen ist... Notizplättchen sind beliebig und seelenlos, einige sind besser als andere (Kaffee-Produktion). Wir sind erfahrene Spieler und trotzdem zog sich das Spiel. Mir schien die Gesamtrundenzahl auch zu lang. Zusätzlich hatte ich noch größere Schwierigkeiten, die Regel zu erfassen, was an den unnötig kompliziert dargestellten bew. designten Aktionen auf dem Wien-Plan zusammenhäng (Ortsaktionen, Orts-Boni und Bezirks-Boni)... Game Over. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
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26.06.25 von Berit |