Rezension/Kritik - Online seit 17.01.2004. Dieser Artikel wurde 5289 mal aufgerufen.

Bosworth

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Autor: Mark Alan Osterhaus
Illustration: John Kovalic
Verlag: Out Of The Box
Rezension: Steffen Stroh
Spieler: 2 - 4
Dauer: 45 - 60 Minuten
Alter: ab 8 Jahren
Jahr: 1998
Bewertung: 5,0 5,0 H@LL9000
4,0 4,0 Leser
Ranking: Platz 2289
Bosworth

Spielziel

„Welch ein Sieg, welch eine Schlacht! Welch Genugtuung, die Truppen Richards III. ausbluten und fliehen zu sehen!“ So oder so ähnlich mag Heinrich der VII. gedacht haben, als er 1485 seinen großen Widersacher mit Hilfe französischer Truppen besiegte und den Tudos-Absolutismus begründete. Doch vor dem Sieg stand der Kampf - lang, hart und verlustreich. Diesem Thema widmet sich nun das vorliegende Spiel – nicht ganz so ernst, nicht ganz so lang, aber immerhin auch ziemlich verlustreich. Und ob die wahre Schlacht wohl auch so chaotisch war? Wer weiß, auf jeden Fall nicht so lustig...

Ablauf

Ja, wie sage ich es nun schonend, um nicht gleich die Hälfte der Rezensionsleser zu vergraulen: Bosworth hat seine Wurzeln im Schach, und ist doch so anders. Da ist zuerst das Schlachtfeld, pardon, das Spielfeld: 4 mal 4 Felder sind es nur, mit einer angrenzenden Viererzeile an Basisfeldern zu jeder Seite. Jeder Spieler erhält die volle 16-köpfige Figurenmacht eines echten Schachspiels in Kartenform, vier davon kommen zu Beginn auf die Basisfelder (vier Bauern sind die armen Tröpfe, die zuerst ins Feld ziehen müssen), vier weitere kommen offen auf die Hand, der Rest bildet den persönlichen Nachziehstapel. Hat man einen seiner Untertanen aus den Basisfeldern ins Schlachtfeld geschickt, muss nach Zugende das frei gewordene Basisfeld wieder mit einer Figur (=Karte) aus der Hand aufgefüllt werden, auch die Handkarten werden durch Nachziehen wieder auf 4 ergänzt. Die Figuren selbst ziehen ins Feld, wie wir es aus dem guten, alten Schach kennen, einzig unser Bauer darf sich auch nach links und rechts bewegen, schließlich sollen Angriffe auf alle Gegenspieler gleichermaßen möglich sein - und das sind hier bis zu drei. Damit sind die Parallelen zum Schachspiel aber schon erklärt (Details wie Rochade oder Bauernumwandlung gibt es nicht), denn das nun folgende Getümmel hat wenig mit den akkuraten Stellungskämpfen eines Garry Kasparow gemein: Hier herrscht das blanke Chaos! Fast mit jedem Zug purzeln Figuren, und nie ist gewiss, welche Figur die Mitspieler als nächstes aus der Hand aufs Spielfeld zaubern. Deckungsspiel ist zwar ab und zu möglich, doch wo sich zwei Mitspieler ein Opfer ausgeguckt haben, ist Rettung meist ein Fremdwort, und nur Schadensbegrenzung eine Option. Erst gegen Ende, wenn sich das Schlachtfeld lichtet und der Figurennachschub mangels Reserven ins Stocken gerät, können wir uns wieder auf schachähnliche Winkelzüge besinnen. Oberste Priorität hat bei unserem Ansinnen stets unser holder König, den es um jeden Preis zu beschützen gilt. Gelingt es einem Spieler, einem König Schach zu bieten und dieses bis zum nächsten eigenen Zug aufrecht zu erhalten, so darf er diesen schlagen, und erhält als Belohnung die Dienste der Angetrauten des gefallenen Monarchen – die gegnerische Dame zieht ab sofort für den Königsmörder ins Feld. Das Siegprinzip heißt: „Last King standing“.

Fazit

Herrjemine, ist das eine Gaudi. Schachskeptiker mögen ihre Abneigung gegen das Grundspiel getrost beiseite legen, dieses Spiel bedient sich nur der grundlegendsten Elemente, um eine chaotische Parodie zu bieten, die (trotz stellenweise lückenhafter Regel) an Unterhaltsamkeit alles überbietet, was der Markt an Mehrspieler-Schachvarianten hervorgebracht hat. Sicher, Schachpuristen mag der Tiefgang fehlen, aber diesen Anspruch erhebt Bosworth nicht. Hier reizt die Anarchie des Schlachtgetümmels, ein wildes Hauen und Stechen, bei dem man mal gewollt, mal ungewollt einem Mitspieler den Kopf aus der Schlinge zieht. Denn Bosworth ist keineswegs nur gegeneinander – immer wieder bilden sich kurze Allianzen, um einen Führenden gemeinsam zu schröpfen. Manchmal missgönnt man einem bestimmten Mitspieler den Sieg über einen gegnerischen König nebst den hilfreichen Diensten der zugehörigen Dame, und wählt im Sinne des Chancenausgleichs eine eigene Figur, um sich dem schachbietenden Vasallen umgehend „anzunehmen“. Gelingt es dabei, seine wertvollen Figuren möglichst spät einzusetzen, oder vor dem frühen Ableben zu bewahren, so sind die Siegchancen im Endspiel umso größer – denn linear zum Auslichten der Schlachtreihen wächst die Chance, die eigene Position taktisch und strategisch bewusst zur Siegfähigkeit auszubauen. Und so obsiegt am Ende, trotz allem Durcheinander, vielleicht doch der kühlste Denker – aber wenn ein gewisser Tiefgang auf so unterhaltsame Art verpackt wird, können, sollen, ja DÜRFEN selbst Schach-Hasser nicht zum ein oder anderen Feldzug nein sagen!

Anmerkung zu den Ausgaben: Das Spiel ist in mehreren Ausgaben erschienen. Zum einen bietet Pegasus-Spiele eine deutsche Übersetzung an, zum anderen sind auch über den Originalhersteller Out of the Box zwei unterschiedliche Ausgaben zu beziehen. Sollten man des Englischen ansatzweise mächtig sein, so bemühe man sich um die hier zur Wertung herangezogene englische Neufassung, die an robusten, RUNDEN Figurenkärtchen zu erkennen ist. Die anderen Ausgaben, insbesondere die deutsche Übersetzung, verwenden normales Spielkartenformat, und passen zu diesem Zwecke hässlicherweise das Spielfeld der Kartenform an – die 16 Felder sind also rechteckig, das Spielfeld länglich statt symmetrisch. Das sieht nicht nur wenig hübsch aus, es ist auch wenig suggestiv dahingehend, dass sich die Figuren (Bauern) hier gleichberechtigt in alle Himmelsrichtungen bewegen dürfen. Auch die Farbübersicht ist bei den Spielkartenversionen weit weniger klar gelungen. Wertung und Kaufempfehlung orientieren sich an der abgebildeten, englischsprachigen Neuausgabe von Out of the Box.

Rezension Steffen Stroh

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.

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H@LL9000-Bewertungen

H@LL9000 Wertung Bosworth: 5,0 5,0, 2 Bewertung(en)

Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 01.04.04 von Steffen Stroh
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 01.04.04 von Markus Hofmann

Leserbewertungen

Leserwertung Bosworth: 4,0 4.0, 2 Bewertung(en)

Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 09.08.04 von Sarah Kestering - Schach bleibt Schach. Ich mag Schach nicht. Bosworth gefaellt mir da etwas besser, aber es ist zu sehr Schach. Fuer Leute die schach moegen vielleicht nicht uninteressant.
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 24.09.12 von Leif - Wie vielleicht viele von Euch habe ich das Schachspielen als Kind gelernt, geliebt aber dennoch nie! Bosworth versetzt nun diesen angestaubten Denker ins heute und macht daraus ein Spiel für´s 21. Jhd., das richtig fetzt und endlich Alt und Jung am Karobrett vereint! Für mich die mit Abstand beste Schachaplikation, die leider viel zu wenig angepriesen wird!

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