Rezension/Kritik - Online seit 19.05.2005. Dieser Artikel wurde 13915 mal aufgerufen.
Direktlinks zu den Rezensionsblöcken |
|
|
Preview Juni-Ausgabe 2005:
Mir ist egal, wer unter mir Papst ist!
Spiele von Phalanx Games haben sich in ihrer verhältnismäßig kurzen Geschichte in der Spielerszene einen guten Ruf erworben, ihre Ausstattung ist immer hervorragend und die angesprochenen Themen attraktiv für Liebhaber von historischen Spielhintergründen. Auch das hier vorliegende Die Borgia entspricht dieser Definition, diesmal ist die Zeit der Renaissance die Bühne des Geschehens. Im Prinzip haben wir es bei diesem Spiel mit einem reinrassigen Kartenspiel zu tun, die beigelegten Übersichtsblätter dienen als Ablage und zur Verzeichnung der Siegpunkte. Weiteres Material sind Geld- und Kardinal-Counter und einige Holzfiguren, die als Spielzugs- und Siegpunktanzeiger dienen.
Hauptbestandteil aber sind 60 schön gestaltete Spielkarten, die in unterschiedliche Gruppen aufgeteilt sind. Die wichtigste Gruppe ist die der Städtekarten, die ihrem Besitzer nicht nur ein regelmäßiges Einkommen bescheren, sondern auch die Möglichkeit bieten, weitere Karten unter ihnen abzulegen (je eine Ämter-, Künstler- und außenstehende Familie-Karte). Ämterkarten bringen zusätzliches Einkommen und Stimmrechte, Künstler erzielen Siegpunkte und zum Teil Machtpunkte, außenstehende Familien addieren ihre Macht zur Macht des Besitzers der Stadt. Weitere Sonderkarten wie Spione, Todeskarten, Condottiere, die wichtige „Ämterkauf-Anschuldigung“ sind ebenfalls zu beachten. Doch bevor jetzt diese ganzen Einzelheiten jeden Leser völlig verwirren und dazu führen, diese Rezension schnellstens zu überlesen und danach nie wieder etwas von Borgia wissen zu wollen: es ist eigentlich alles viel unkomplizierter und tatsächlich simpler, als es den Eindruck hat!
Es gibt drei Spielzüge, jeder Spielzug besteht auch drei Phasen und einer Endphase. Zu Spielbeginn erhält jeder Spieler fünf (bei drei Spielern) bzw. vier (bei vier und fünf Spielern) Karten auf die Hand, dazu 100 Dukaten, vier Kardinalchips und zur Markierung der Siegpunkte ein farbigen Holzstein. Dann werden je nach Spielerzahl unterschiedlich viele Karten verdeckt ausgelegt. Von eigenen (Hand-)Karten müssen alle Städte-, Ämter- und außenstehende Familien-Karten sofort vor dem betreffenden Spieler ausgelegt werden. Es wird nicht nachgezogen!
Die drei Spielphasen (und auch die Endphase!) sind in den drei Spielzügen identisch. Es beginnt der Papstspieler, den in der ersten Runde der älteste Spieler übernimmt (da jeder Spielzug mit einer Papstwahl endet, ist hier ein Personenwechsel durchaus möglich). Als erstes muss sich ein Spieler entscheiden, ob er eine der verdeckten Karten kaufen möchte oder mit Hilfe einer Spionkarte sich eine Karte einfach nehmen will. Bei der Entscheidung für einen Kauf dreht er eine Karte um und gibt dafür ein Dukaten-Gebot ab, die anderen Spieler folgen im Uhrzeigersinn so lange, bis nur noch ein Bieter im Rennen ist. Dieser zahlt den Betrag an die Bank und erhält dafür die Karte.
Die zweite Phase gibt die Möglichkeit, Karten aus der Hand auszuspielen - diese Aktion ist freiwillig und kann auch ausgelassen werden. Das gilt auch für die dritte Phase, die das Wegnehmen von ausgelegten Karten der Mitspieler betrifft. Der Spielzug wird beendet durch die Endphase, in der alle Spieler ihren Besitztümern entsprechend ihr Einkommen beziehen, danach den Papst neu wählen und zum Abschluss ihre gewonnenen Siegpunkte vermerken.
Der zweite und dritte Spielzug läuft nach dem gleichen Schema ab, es gibt aber nur noch jeweils 35 Dukaten als weiteres Einkommen und zusätzlich noch eine Handkarte, die - wie oben geschildert - entweder ausgelegt werden muss oder die Kartenhand verstärkt.
Spielziel ist das Erringen von möglichst viel Siegpunkten, die sowohl durch Geld als auch durch im Besitz befindliche Ämter- und Künstlerkarten und durch die „Papstwürde“ erwirtschaft werden. Das ganze Spiel über müssen die Spieler also versuchen, möglichst viele dieser Karten in ihren Besitz zu bringen und zu sichern. Dieses Sichern ist eine der wesentlichen Aufgaben: Nur einer Stadt zugeordnete Karten sind „geschützt“ und können daher nur unter erschwerten Bedingungen erobert werden. Jede Stadt kann je eine Ämter-, Künstler- und außenstehende Familien-Karte aufnehmen, hat man mehr Karten als Städte, sind diese dementsprechend ungeschützt. Bei einem Versuch, Karten eines Gegenspielers zu übernehmen, muss man durch das Ausspielen von Condottiere (= Solda-ten)-Karten versuchen, einen höheren Wert zu erreichen als der jetzige Besitzer ihn ausspielen kann. Bei einem Angriff auf eine Stadt kann der Verteidiger noch zusätzliche Machtpunkte der Stadt addieren; eine Niederlage bedeutet hier dann nicht nur den Verlust der Stadt, sondern auch den sämtlicher ihr zugeordneten Karten - ein herber Rückschlag!
Die genaue Darstellung sämtliche Sonderkarten und -bedingungen würde den Umfang dieser Kritik sprengen, sie bringen dem Spiel die eigentliche Würze und sind sicher nicht gleich im ersten Spiel in ihrer Komplexität voll zu durchschauen. So gibt es z. B. Giftkarten, gegen die eine Doktorkarte helfen kann, durch erzwungene Heirat verhindert man Aktionen eines Mitspielers gegen sich, der Spion kann neben dem Einsatz in der ersten Phase eines Spielzuges auch noch dazu eingesetzt werden, einem Gegner eine Karte aus der Hand zuziehen und vieles mehr. Selbstverständlich ist auch der Papstwahl ein besonderes Regelwerk zugeordnet und die Aufgaben und Pflichten des Papstes sind detailliert beschrieben.
Trotz dieser hohen Komplexität ist das Spiel allerdings nicht ausschließlich durch eine gute Spieltaktik zu gewinnen, dazu sind leider doch an zu vielen Stellen Glückskomponenten vorhanden. Das beginnt schon mit den verdeckt liegenden Karten, deren Anzahl so gewählt ist, dass zum Spielende alle Karten versteigert bzw. erworben worden sind. Das Umdrehen dieser Karten ist völlig unbeeinflussbar, wenn ich durch günstige Kartenverteilung mit einer Spionkarte die Möglichkeit habe eine Karte kostenlos zu erhalten, kann ich so entweder eine gute Karte ziehen und muss dafür kein Gebot abgeben - es kann aber auch eine völlig unpassende Karte sein, die mir überhaupt nicht nutzt. Aber auch im Normalfall ist es reines Glück, welche Karten überhaupt in der Auslage liegen, es ist also hier kaum Taktieren möglich. Ein weiterer Punkt ist die Handkarten-Verteilung, auch hier ist dem Zufall Tür und Tor geöffnet. Ich möchte hier aber nicht falsch verstanden werden: In unseren Spielrunden kam das Spiel mehrheitlich gut an, es gab aber eben auch Spielrunden, die hier deutlich Kritik wegen der erwähnten Gründe äußerten. Natürlich darf man auch nicht vergessen, dass Die Borgia eben keine historisch genaue Simulation der Renaissance ist, sondern ein Spiel mit historischen Hintergrund. Wer daher mehr an historisch genauen Abläufen interessiert ist, sollte erst einmal ein Probespiel wagen und dann entscheiden, ob ihm das Spiel trotzdem gefällt. Was mir besonders gefällt: Ich muss in jedem Spielzug aufs Neue abwägen, wie ich mich verhalte, mit wem ich mich vielleicht „anlege“ und gegen wen ich eine längerfristige Strategie fahren möchte. Außerdem ist es ratsam, den Einsatz der Handkarten gut zu planen und nicht überhastet den kurzfristigen Erfolg zu suchen, der mit einer heftigen Niederlage im nächsten Spielzug bitter bestraft wird.Die Borgia ist kein Quickie für Zwischendurch, eine Partie dauert zwischen 90 und 100 Minuten, bei der ersten Rund sicher fast 120 Minuten. Insgesamt gesehen nicht der absolute Überflieger, aber dennoch ein empfehlenswertes Spiel mit einer zwar anstrengenden, aber dennoch klar formulierten Regel (bei der auf der letzten Seite allerdings das Satzende fehlt…).
Rezension Michael Schramm
In Kooperation mit der Spielezeitschrift
H@LL9000 Wertung Die Borgia: 3,3, 4 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
19.05.05 von Michael Schramm |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
21.05.04 von Jörn Griesbach |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
24.05.06 von Carsten Pinnow - Schöne Idee, leider versiebt. Die Regel ist an einigen Stellen sehr unglücklich formuliert und missverständlich. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
01.06.06 von Ulrich Fonrobert - Na ja, dieses Spiel ist einfach nix für mich. |
Leserwertung Die Borgia: 4.0, 2 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
17.02.06 von eleonore olfert - Bei Borgia sind die Versteigerungen etwas einfallslos (Hauptmechanismus). Die verscheidene Wertigkeit der zu ersteigernden Karten ist ein echtes Ärgernis. Außerdem ist die Eroberung einer Stadt mit allen dazugehörigen Anhängseln viel zu lukrativ. Zudem ist es möglich, dem anderen mit Bluff die Verteidigungskarten zu entziehen um dann richtig angreifen zu können. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
10.07.09 von Mike |