Rezension/Kritik - Online seit 12.05.2011. Dieser Artikel wurde 6015 mal aufgerufen.

Camino

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Autor: Frank Stark
Verlag: Gerhards Spiel und Design
Rezension: Sandra Lemberger
Spieler: 2 - 4
Dauer: 15 - 30 Minuten
Alter: ab 6 Jahren
Jahr: 2009
Bewertung: 4,0 4,0 H@LL9000
Ranking: Platz 4008
Camino

Spielziel

Der Verlag wirbt mit dem Slogan "Das (Familien-)Spiel für Sehende und Nicht-Sehende". Zu Recht, denn tatsächlich können sich bei diesem Spiel Blinde und Sehende gemeinsam an den Spieltisch setzen, ohne dass die Sehenden gravierende Vorteile genießen würden.

Ablauf

Das 30 cm quadratische Spielbrett aus massiver Buche, das mit unzähligen Mulden versehen ist, die vier Spielsteine, welche für die Blinden unterschiedliche Tastmerkmale aufweisen sowie der Würfel, dessen Ergebnisse ebenfalls ertastbar sind, sorgen dafür, dass sich Blinde recht schnell in das Spiel einfinden. Perfekt zum vorbildlichen Spielmaterial passt auch die Tatsache, dass die Spielanleitung nicht nur in schriftlicher Form, sondern auch als CD in Audioform beiliegt, so dass sich Blinde tatsächlich ohne die Hilfe Sehender an das Spiel heranwagen können.

Die Figuren werden in die große Startmulde gestellt und 12 kleine Steine (die so genannten Caminis) werden gleichmäßig auf den ersten drei Etappen der um das Spielfeld führenden Strecke verteilt.

Wer an der Reihe ist, würfelt und zieht mit einem Finger entsprechend 1, 2 oder 3 Felder weit bzw. nach Belieben 1 bis 4, wenn die Linie gewürfelt wurde. Danach kann er weiter würfeln, wenn er möchte. Erst, wenn er seinen Zug beenden will, stellt er seine Figur auf den von seinem Finger festgehaltenen Platz. Liegt auf diesem Platz ein Camino, darf er diesen an sich nehmen. Trifft er auf die Figur eines Mitspielers, setzt er diese zum nächsten Eckpunkt des Spielbretts zurück. Ist dies nicht möglich, darf er hier nicht stehen bleiben, sondern muss weiter würfeln.

Beim Würfeln kann auch ein so genannter Stopper gewürfelt werden. Dies würde bedeuten, dass der Zug beendet ist und die Figur auf ihrem Startplatz stehen bleiben müsste, sofern man keinen Camini abgeben kann oder will - in diesem Fall dürfte man noch einmal würfeln.

Das Spiel endet, wenn eine Figur über die Ziellinie gezogen wird. Danach dürfen alle Mitspieler ebenfalls noch einmal ziehen und wer danach die Ziellinie am weitesten überschreiten konnte, hat gewonnen.

Fazit

Vom Verlag erfuhr ich, dass der Autor Frank Stark beruflich mit blinden und sehenden Kindern zu tun hat und der Umstand, dass diese beiden Gruppen kaum miteinander spielen können, ohne dass die Sehenden Vorteile haben, in ihm den Wunsch erweckte, einmal ein Spiel zu erschaffen, das sowohl den Sehenden als auch den Blinden sowie Sehbehinderten die gleichen Chancen einräumt. So entstand Camino. Und tatsächlich funktioniert diese Idee einwandfrei - alle spielen gleichwertig mit.

Das Material, das komplett aus Holz besteht, besticht vor allem durch das massive, schwere Buchenspielbrett. Figuren und Würfel sind für Blinde tatsächlich gut zu unterscheiden und auch das Ziehen auf dem Brett fällt nicht schwer, weil dort keine Felder aufgemalt, sondern in Form von Vertiefungen vorhanden sind. Auch die große Würfelmulde erfüllt ihren Zweck, denn sie sorgt dafür, dass der Würfel nicht vom Tisch fällt.

Die Caminos hätten ein wenig höher sein können (oder alternativ die Vertiefungen im Spielbrett ein bisschen weniger tief), denn Grobmotoriker empfanden es teilweise als etwas fummelig, die Caminos aus ihren Vertiefungen zu fischen. Auch von der Blindenschule bekam ich die Rückmeldung, dass es für die Kinder nicht immer einfach war, die Caminos aus den Vertiefungen zu holen. Da in vielen Blindenschulen auch Sehbehinderte Kinder unterrichtet werden, die also noch über ein bisschen Restaugenlicht verfügen, wäre es noch hilfreich gewesen, alle Würfellöcher zu schwärzen, dann hätten sie die Würfelergebnisse nicht erfühlen müssen.

Vorbildlich ist die Spielregel, denn sie liegt nicht nur in schriftlicher Form vor, sondern liegt für die Blinden auch als CD bei, der man den Ablauf auch prima akustisch entnehmen kann, denn alles wird langsam und verständlich erklärt.

Positiv ist natürlich auch zu erwähnen, dass für das Spielmaterial zwei Ideen mitgeliefert werden, so dass sich der nicht ganz billige (aber dem Material durchaus angemessene) Anschaffungspreis auch bezahlt macht.

Von der Blindenschule bekam ich die Rückmeldung, dass das Spiel sehr gerne gespielt wird. Anfangs ist es für die Kinder zwar schwierig, beidhändig zu agieren, aber nach und nach gewöhnten sie sich daran. Die Erzieher und Lehrer sahen das als gute Konzentrationsübung an. Sehr gut gefiel den Kindern vor allem, dass man auch von weit hinten noch nach ganz vorne kommen kann, wenn man Glück hat, so dass sich der Spielstand jederzeit ändern kann und das Spiel bis zum Schluss spannend bleibt.

Die Spielmechanismen der beiden Spiele entspringen größenteils Bekannt-Bewährtem, aber der Sinn war es auch weniger, etwas gänzlich Neues zu erfinden, als viel mehr zwei Gruppen miteinander an den Spieltisch zu bringen, die herkömmliche Brettspiele nur unter sehr erschwerten Bedingungen miteinander spielen können. Da die Regeln so einfach sind, dass zumindest bei Cero* auch 4-Jährige schon gut mitspielen können und auch die Großeltern nicht überfordert werden, trägt noch dazu bei, dass man lange Freude an diesem Spiel haben kann.

*s. Regelvariante

Rezension Sandra Lemberger

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.

Regelvarianten

Zusatzspiel

Die Box von Camino enthält nicht nur ein Spiel, sondern auch noch ein zweites mit dem Titel Cero. Diesem liegt ein nicht ganz unbekanntes Spielprinzip zugrunde, nämlich dass man alle seine Steine so schnell wie möglich loswerden muss. Dafür stehen ein 1er-Feld, vier 2er-Felder sowie drei 3er-Felder zur Verfügung. Man darf würfeln, so lange man möchte und seine Steine dem Ergebnis entsprechend in die jeweiligen Vertiefungen setzen. Gibt es da allerdings keinen freien Platz mehr, muss man von dort einen Stein an sich nehmen und der nächste Spieler ist am Zug. Damit nach und nach einige Steine auch ganz aus dem Spiel kommen, darf man beim Würfeln der glatten Seite einen Stein in die große Mulde legen. Außerdem "schenkt" man einem Mitspieler einen Stein, wenn man die Linie würfelt.

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H@LL9000-Bewertungen

H@LL9000 Wertung Camino: 4,0 4,0, 1 Bewertung(en)

Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 30.03.11 von Sandra Lemberger - Für das gemeinsame Spiel von Blinden/Sehbehinderten mit "Normalsehenden" würde ich die Note 5 vergeben. In der Blindenschule selbst kam das Spiel sehr gut an, die Note wäre hier zwischen 5 und 6 anzusetzen.

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