Rezension/Kritik - Online seit 19.02.2006. Dieser Artikel wurde 6292 mal aufgerufen.

Spinnentwist

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Autor: Henning Poehl
Illustration: Matthias Catrein
Verlag: Sphinx Spieleverlag
Rezension: Wieland Herold
Spieler: 2
Jahr: 2005
Bewertung: 4,0 4,0 H@LL9000
4,0 4,0 Leser
Ranking: Platz 4370
Spinnentwist

Spielerei-Rezension

Preview Spielerei Frühjahr 2006:

Das Matriarchat dominiert die Spinnenwelt: Wir Männer können dankbar sein, dass die Evolution irgendwie ihren Weg über die Säuger zum Menschen gegangen ist und sich nicht Gliederfüßer, wie die Spinnen, durchgesetzt haben. Inzwischen ist ja Frauenpower auch bei uns angesagt, politisch merkelts weiblich. Wir sind aber zum Glück meilenweit von der weiblichen Dominanz der Spinnenwelt entfernt. Nicht nur, dass die meisten Spinnenweibchen erheblich größer als ihre männlichen Pendants sind - die weibliche Schwarze Witwe bringt das hundertfache Gewicht ihres männlichen Partners auf die Waage -, sie pflegen auch häufig ihre Sexualpartner nach dem Akt zu töten und zu verspeisen. Wer überleben will, muss das schnelle Liebespiel beherrschen. Wenn die Wespenspinne sich nicht nach acht Sekunden zurückzieht, wobei fünf Sekunden, wie Wissenschaftler herausgefunden haben, zur Befruchtung ausreichen, hat der Spinnenmann ausgedient. Die männliche Gartenspinne bekommt sogar nach jedem Akt ihren finalen Herzinfarkt. Wer die Homepage des Spielautors und Kleinverlegers Henning Poehl besucht, erfährt das und noch viel mehr über die Welt der Spinnen.

Passend zu seinem neuesten Produkt Spinnentwist hat Poehl eine interessante Linkliste zusammengestellt. Jedes Jahr in Essen erweitert der Autor sein Programm um ein Produkt aus der ganz makabren Welt, seiner "schwarzen Reihe", und um ein Spiel aus der Welt der Natur, der Biologie. Der Diplombiologe Poehl ist so mit Auweier dem Paarungsverhalten von Vögeln auf der Spur gewesen, die Hirschbrunft hat er mit Null Bock fantastisch eingefangen, nun führt er seine Spieler in die abenteuerliche Welt der Spinnenetze. Diesmal ist es kein Kartenspiel, das uns den Geschlechterkampf in der Natur näher bringt, sondern ein kleines strategisches Brettspiel für zwei Spieler.

Jeder der Spieler führt zehn Spinnenmännchen in das Netz eines Weibchens, um dort zur Paarung zu schreiten. Auf jede Bewegung im Netz reagiert das Weibchen. Wird ein Männchen über die Knotenpunkte des äußeren Netzes ins Spiel gebracht, setzt sich das Weibchen auf dem kürzesten Weg sofort in Richtung des Eindringlings in Bewegung. Die kleinen Männchen dürfen immer nur ein Feld weit ziehen, die Bewegungsweite des Weibchens hängt ab von der Erschütterung des Netzes, die durch die Bewegung des Männchens entstanden ist. Poehl definiert diese durch die Anzahl der Spinnen, die auf der betroffenen Netzspeiche sitzen. Mehr an Spielsteuerung benötigt der Autor nicht, um zu einem spannenden Wettkampf im Spinnennetz zu kommen.

Wichtig für den Spielablauf ist, dass die Spieler nicht abwechselnd ihre Spinnenmännchen führen, sondern dass jeder Spieler, wenn er an der Reihe ist, anfangs immer eine Spinne ins Spiel bringen und zusätzlich alle im Netz befindlichen eigenen Tiere bewegen darf. Die Reaktionsbewegung des Weibchens führt stets der Mitspieler aus, der damit nicht lange tatenlos zuschauen muss, sondern immer mit im Spiel ist. Dabei muss er nicht immer automatischen Bewegungsbefehlen des Spinnenweibchens folgen, oft genug gibt es verschiedene gleich lange Wege zum Männchen, das sich gerade bewegt hat. Sollte das Spinnenweibchen unterwegs aber Beute machen können, hilft kein Zetern und Schreien. Dann muss der Spieler das Weibchen auch zu eigenen Männchen führen. Ein solches Mahl hält das Weibchen erst einmal auf, so ein Männchen muss ja genüsslich verdaut werden. Wie lange das dauert, wird durch einen kleinen sechsseitigen Würfel bestimmt. Bei jeder erforderlichen Bewegung wird die Augenzahl des Würfels, der auf die Spinne gelegt wird, um eins vermindert, so dass spätestens nach sechs Runden das Weibchen das Netz wieder unsicher macht. Paarungswillig bleibt es aber in diesem Zustand.

Für die Abrechnung am Ende ist es wichtig, dass Männchen, die nach dem Paarungsakt aus dem Verkehr gezogen werden, zwei Siegpunkte bringen, für aufgefressene Tiere wird ein Punkt abgezogen. Das macht deutlich, dass es manchmal durchaus Sinn macht, ein eigenes Männchen zu opfern, sofern drumherum weitere eigene sind, die die Verdauungsphase des Weibchens ausnutzen können. Noch besser ist es natürlich, wenn man diese Situation im Rücken des Gegenspielers erreicht.

Spinnentwist braucht eine Aufwärmphase, bis die Tiere so allmählich ins Netz kommen, im entscheidenden Mittelspiel geht die Post ab, wobei vorsichtiges Taktieren das Ende ziemlich hinauszögern kann. Schluss ist nämlich erst dann, wenn ein Spieler nur noch eine Spinne übrig hat. Die Vielfalt der taktischen Möglichkeiten des Spiels unterschätzt man am Anfang. Hilfreich ist auch die Freiheit, die der Autor beim Bewegen der Spinnen lässt. Die Spieler dürfen Spinnen ins Spiel bringen, sie müssen aber nicht. Die Spieler dürfen alle Figuren in ihrem Zug bewegen, sie müssen aber nur einmal eine Bewegungsreaktion der Spinne auslösen. Das Spinnenweibchen lässt sich nach der Aufwärmphase geschickt steuern, am besten dadurch, dass man sein Spinnenteam in zwei gegenüberliegenden Gruppen agieren lässt. Nach etwa einer halben Stunde endet eine Runde Spinnentwist bei einigermaßen gleichwertigen Spielpartnern meist sehr knapp. Partien mit Fünft- und Sechstklässlern haben ergeben, dass das Spielalter doch eher mit 12 Jahren angegeben werden sollte. Manche dieser Altersgruppe waren chancenlos, da sie die jeweiligen Zugkonsequenzen noch nicht recht einzuschätzen wussten.

Die Ausstattung ist nicht üppig. In einer kleinen Klappschachtel befinden sich der doppelseitige Spielplan, 20 Miniholzchips, ein Miniwürfel, ein etwas größerer Spinnenweibchenstein und die recht ordentliche Spielregel. Die grafische Gestaltung von Matthias Catrein ist ansprechend. Trotzdem könnte der Betrag, der für das Spiel verlangt wird, vielen Käufern überhöht erscheinen. Das mitgelieferte Spielvergnügen sieht man dem Material leider nicht an. Beruhigend für alle männlichen Spieler sollte sein, dass der Autor sich letztlich doch eher spielerisch als biologisch hat beeinflussen lassen. Die Spinnentwist Weibchen reagieren nur fremdgesteuert, trieborientiert folgen sie brav jedem Männchen und tun das, was die Männer wollen. Eine schöne, heile Spinnenwelt, die uns der Biologe Poehl da bietet.

Rezension Wieland Herold

In Kooperation mit der Spielezeitschrift

Spielerei

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H@LL9000-Bewertungen

H@LL9000 Wertung Spinnentwist: 4,0 4,0, 5 Bewertung(en)

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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 07.02.06 von Wieland Herold
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 30.10.05 von Ralph Bruhn - Schwieriger zu spielen, als es zunächst den Anschein hat - vielleicht ein Geheimtipp für Freunde von Taktik-Zweierspielen.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 15.02.06 von Hans-Peter Stoll - sehr knobelig und raffiniert, Spielelemente greifen gut ineinander
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 19.02.06 von Frank Gartner - Für mich bislang eines der besten Spiele aus dem Hause Sphinx-Verlag. Ein wirklich gutes 2-Personenspiel, das fast die 5 Punkte beim Spielreiz bekommen hat.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 05.03.10 von Horst Sawroch

Leserbewertungen

Leserwertung Spinnentwist: 4,0 4.0, 2 Bewertung(en)

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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 20.02.06 von Tom TRH Hoemske - Nettes Zweipersonenspiel, das man allerdings nicht mit Grüblern spielen sollte, sonst braucht man ne Eieruhr ;-). Interessant vor allem die innovativen Mechanismen des Spiels, aus denen man noch mehr hätte "herausholen" können.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 21.02.06 von Daniel Ott - Eines der besseren Spiele aus dem Verlag. Die Regeln sind meiner Meinung nach ein wenig konfus aufgebaut. Wer auf Grüblerspiele steht, dem wird Spinnentwist gefallen.

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