Rezension/Kritik - Online seit 08.04.2016. Dieser Artikel wurde 10783 mal aufgerufen.

Watson & Holmes

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Autor: Jesús Torres Castro
Verlag: Ludonova
Rezension: Hardy Jackson
Spieler: 2 - 7
Dauer: 45 - 75 Minuten
Alter: ab 12 Jahren
Jahr: 2015
Bewertung: 6,0 6,0 H@LL9000
5,5 5,5 Leser
Ranking: Platz 733
Watson & Holmes

Spielziel

Der gute alte Meisterdetektiv von der Insel ist wieder angesagt, spätestens seit der BBC-Serie "Sherlock". Da wundert es nicht, dass auch mal wieder ein Spiel mit dem berühmtesten aller Detektive herauskommt. Watson & Holmes präsentiert sich aber nicht als Trittbrettfahrer auf der Holmes-Welle.

Statt wie die neueste TV-Ausgabe des Engländers in modernen Zeiten auf Verbrecherjagd zu gehen, entführt uns das Spiel des Spaniers Jesús Torres Castro wie die Original-Geschichten von Sir Arthur Conan Doyle ins viktorianische England des ausgehenden 19 Jahrhunderts. 13 bisher noch unbekannte Fälle warten in der Box darauf, von den Spieler gelöst zu werden. Hinweis um Hinweis wird eingesammelt, bis man schließlich meint, auf alle Fragen zum Fall die passende Antwort zu haben - und das möglichst, bevor die Mitspieler, denen man gezielt noch Steine in den Weg legen kann, soweit sind. Wer als Erster die richtige Lösung notiert, gewinnt das Spiel.

Ablauf

Nachdem man sich für einen der Fälle, die in drei Schwierigkeitsgrade eingeteilt sind, entschieden hat, wird die Einführung zu diesem vorgelesen, die auch mehrere Fragen enthält, auf deren Beantwortung hingearbeitet werden soll.

Anschließend werden die ca. 15 (je nach Fall variabel) großformatigen Karten auf dem Tisch ausgelegt, die verschiedene Orte, die für diesen Fall relevant seien könnten, repräsentieren. Reihum besetzen die Spieler in ihrer Rolle als Holmes' Assistent Watson (der sich für das Spiel quasi vervielfacht hat und nun gegen seine Kopien zum indirekten Duell antritt) mit ihrer Figur den Ort, den sie als nächstes aufsuchen möchten.

Ist der Wunschort schon von einem Mitspieler besetzt, kann man diesen unter Einsatz von Kutsch-Kärtchen verdrängen, worauf hin dieser neu wählen muss. Dabei kann er auch wiederum den Verdränger verdrängen, muss dafür aber noch mehr Kutschen bieten. Sind alle Figuren platziert, nimmt sich jeder Spieler seine Ortskarte und liest sich den jeweiligen Hinweistext durch, macht sich ggfs. Notizen.

Sucht man Scotland Yard auf, gibt es neben eventuellen Informationen auch noch ein Polizei-Plättchen dazu, mit dem man später aufgesuchte Orte absperren kann. Diese müssen dann erst wieder entsperrt werden, um dort Zugang zu erlangen. Andererseits kann man für mehrere Kutschplättchen auch einen der Mitspieler zwingen, seinen Kartentext laut für alle vorzulesen.

So versucht jeder, möglichst schnell die entscheidenden Hinweise zusammen zu bekommen und sich damit den Fall (oft, aber nicht immer, handelt es sich dabei um einen Mord) zu rekonstruieren. Wer meint, alle Fragen beantworten zu können, begibt sich zurück in die Baker Street, nicht ohne vorher seine Antworten notiert zu haben. Lag der Spieler komplett richtig, hat er das Spiel gewonnen, andernfalls können die Mitspieler noch weiter um den Sieg spielen. Der Gescheiterte übernimmt dann die Rolle des Holmes, in der er den verbliebenden Detektiven gegen Kutschplättchen Tipps verkauft.

Ab dem zweiten Fall bekommen die Spieler noch jeweils Unterstützung von einem der aus den Geschichten bekannten Charaktere wie z.B. Irene Adler oder Inspektor Lestrade, die den Spielern Sonderfähigkeiten verleihen.

Fazit

Es liegt nahe, Watson & Holmes mit dem Sherlock Holmes Criminal Cabinet - seines Zeichens Spiel des Jahres von 1985 - zu vergleichen. Nicht nur das Holmes-Thema, sondern auch das Grundprinzip, das Orte aufgesucht, dort Hinweise gesammelt und so schließlich Fragen zu den Fällen, hinter denen jeweils richtige Geschichten stecken, beantwortet werden, haben beide Spiele gemeinsam.

Dennoch unterscheidet sich Watson & Holmes deutlich von dem Klassiker: Auf die vielen Accessoires des prämierten Vorgängers wie Stadtplan, Adressbücher und Zeitungsseiten wird hier verzichtet, die Anzahl der verfügbaren Orte ist deutlich überschaubarer. Dadurch wirkt die Detektiv-Arbeit in Watson & Holmes nicht ganz so realistisch, andererseits werden so aber auch Sackgassen-Situationen vermieden, die im 1985er-Spiel durchaus mal vorkommen konnten (d.h. man hat alle naheliegenden Hinweise abgegrast, ohne eine Lösung oder mögliche weitere Vorgehensweise vor Augen zu haben).

Zudem bietet diese Veröffentlichung aber auch neue, brettspielerische Elemente, insbesondere den Wettstreit um die interessantesten Orte mit Einsatz von verschiedenen Sonder-Plättchen und spezielle Charakter-Fähigkeiten. Durch diese kompetitiven Elemente eignet sich Watson&Holmes am besten für spannende Wettstreite mit 4 und mehr Spielern, während das Sherlock Holmes Criminal Cabinet primär als kooperatives Spiel für kleine Gruppen, sowie für 2er-Duelle oder Solo-Spiele konzipiert war.

Somit ist Watson & Holmes also nicht nur ein Aufguss einer alten Idee, sondern ein eigenständiges Spiel mit neuem Schwerpunkt. Der Wettstreit mit den Mitspielern macht Spaß - einziger Nachteil ist, dass man während des Spiels nicht viel kommunizieren kann, ohne sich damit einen Nachteil zu verschaffen. Dafür folgten in unseren Testrunden nach Abschluss des Falles umso ausgiebigere Gespräche darüber, wie man denn auf die Lösung gekommen ist, an welcher Stelle man sich verspekuliert hat und wie sich die Geschichte wohl genau abgespielt hat.

Was man lieber mag, Wettstreit oder kooperativ-kommunikatives Enträtseln, ist Geschmackssache. Wobei es fast schade ist, dass hier nicht auch eine kooperative Variante beigefügt wurde.

Denn, und damit kommen wir zum zentralen Punkt eines Spiel dieser Art, die Ausgestaltung der einzelnen Fälle ist wirklich toll gemacht - und zwar auch deutlich besser als beim Vorgänger. Das geht schon mit der Fall-Einführung los, die stets literarisch ansprechend geschrieben ist. Wer (vor-)lesefaul ist, kann den Text übrigens auch vom Smartphone abspielen lassen - ein QR-Code auf jedem Fall-Booklet führt zu einer Audio-Datei. Der Sound hierbei ist allerdings anders als der Rest des Spieles nicht auf professionellem Niveau, sodass wir diese Funktion nicht genutzt und lieber selber vorgelesen haben.

Man merkt gleich, dass mit Castro ein echter Liebhaber der Original-Erzählungen am Werk war. Denn auch die Geschichten, die hinter den Fällen stecken, sind sehr schön ausgedacht. Es gibt nicht nur einen Weg zur Lösung, meist kann man auf verschiedenen Wegen die benötigten Antworten finden, manchmal allerdings kann auch ein bestimmter Ort für eine der Fragen zentral sein.

Die Fälle sind anspruchsvoll, beim Enträtseln ist auch ein wenig Phantasie und Um-die-Ecke-Denken gefragt. Früher oder später kommt man der Lösung meist nahe, ggfs. muss man ein paar Orte mehr aufsuchen. Logikfehler oder allzu abwegige Auflösungen habe ich bisher (nach fünf gespielten Fällen) keine entdeckt, auch das ist ein Qualitätskriterium für ein solches Spiel.

So kam es, dass Watson & Holmes in den Testrunden großen Anklang fand. Es ist sowohl für Vielspieler als auch für Gelegenheitsspieler gut geeignet, da die Fälle anspruchsvoll, aber lösbar, und die Regeln leicht zu erlernen sind. Wer das Holmes-Thema mag und Spaß am kompetitiven Lösen von Kriminal-Fällen hat, der sollte sich Watson & Holmes nicht entgehen lassen, von mir gibt's daher ein klare Empfehlung.

Rezension Hardy Jackson

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.

Regelvarianten

Watson&Holmes lässt sich auch gut in größeren Runden mit bis zu 30 Personen spielen (z.B. auch in Schulklassen im Englisch-Unterricht der Oberstufe - wurde erfolgreich ausprobiert), dann bilden mehrere Spieler zusammen eine Gruppe und spielen als Team - somit hätte man dann auch das kooperativ-kommunikative Element wieder im Spiel (innerhalb der Teams). Man braucht aber dafür viel Platz oder Ausweichmöglichkeiten, denn die einzelnen Gruppen sollten sich untereinander beraten können, ohne das die anderen mithören können.

Weitere Infos

Bisher ist Watson & Holmes im Ludonova-Verlag nur auf Spanisch sowie in englischer Version erschienen (diese Rezension bezieht sich auf die englische Version). Mittlerweile hat aber der Ystari-Verlag angekündigt, dass Spiel übernehmen zu wollen, sodass in Bälde auch mit einer deutschen Ausgabe zu rechnen ist.

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H@LL9000-Bewertungen

H@LL9000 Wertung Watson & Holmes: 6,0 6,0, 1 Bewertung(en)

Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 27.10.15 von Hardy Jackson - DIE Entdeckung auf der Spiel 2015. Da war ein echter Kenner mit Liebe zum Detail am Werk! I love it!

Leserbewertungen

Leserwertung Watson & Holmes: 5,5 5.5, 2 Bewertung(en)

Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 27.04.16 von Stefan Stadler
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 04.06.18 von Tobias - Zunächst einmal: sehr, sehr schöne Aufmachung. Auch inhaltlich und sprachlich merkt man dem Spiel die Liebe des Machers zum Werk Doyles an! Insgesamt einfach ein sehr unterhaltsames Spiel, dass für Freunde des deduktiven Ermittelns ins Schwarze trifft. Lediglich die Interaktion untereinander fällt durch den kompetitiven Charakter des Spiels etwas flach (im Vergleich zum Sherlock-Spiel aus den 80ern). Insgesamt aber dennoch eine klare Empfehlung!

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