Rezension/Kritik - Online seit 14.11.2003. Dieser Artikel wurde 6976 mal aufgerufen.

Tikal (PC-Spiel)

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Autor: Michael Kiesling
Wolfgang Kramer
Verlag: Dartmoor Games
Rezension: Steffen Stroh
Spieler: 1 - 4
Dauer: 60 Minuten
Alter: ab 12 Jahren
Jahr: 2003
Bewertung: 2,0 2,0 H@LL9000
2,0 2,0 Leser
Ranking: Platz 6149
Tikal (PC-Spiel)
Tikal (PC-Spiel)

Spielziel

PC-Umsetzungen bekannter Brettspielhits scheinen sich jüngst größerer Beliebtheit zu erfreuen. An vorderster Front kämpft Dartmoor Games bei derlei Konvertierungen mit, die ersten beiden einer ganzen Reihe von Dartmoor-Umsetzungen waren dabei Tikal (SDJ 1999) und Euphrat & Tigris (DSP 1998). Die folgende Rezension behandelt beide Spiele.

Ablauf

Ein lauer Herbstnachmittag, die dicken Wälzer fürs Studium gehen langsam auf die Nerven, und der nächste, Abwechslung verheißende Brettspielabend ist noch weit. Da kommen als Ersatzdroge für zwischendurch die Brettspielumsetzung von Tikal gerade recht – hatte ich das Spiel doch ebenso gerne wie (leider) selten am Brett gespielt. Also rein mit der CD ins Laufwerk, installiert und losgespielt. Nun, ein Tutorial kann nicht schaden, Bedienung lernen. Erste Bildschirmanweisung: Platziere ein Landschaftssechseck zwischen die Tempel 1 und 3. Gesagt, getan – doch oh weh, ich mache etwas falsch??? Mein Erstaunen legt sich erst mit der Erkenntnis, dass diese Aufgabe an zwei Stellen des Beispielaufbaus zu lösen ist, das Tutorial akzeptiert aber nur eine. Nachdem diese Hürde genommen wurde, geht´s weiter: Es folgen Anweisungen zum Tempelausbau und Inbesitznahme selbiger, wobei bei ungefähr jedem zweiten Fenster der Anweisungstext unvollständig angezeigt wird. Aber man kennt ja die Regeln, und nach etwas Klickerei gratuliert das Programm mit den Worten „Einen besseren Partner als dich kann ich mich nicht vorstellen“ zum bestandenen Tutorial – Ehre dem Dativ....

Gleich darauf hinein ins „Vergnügen“, die maximal mögliche Anzahl von 3 Computergegnern auf der höchsten der drei Schwierigkeitsstufen eingestellt, und auf in den Dschungel. Als erster bekomme ich ein Plättchen zugeteilt, auf dem sich 4 Brühwürfel zu befinden scheinen, die sich beim näheren Heranzoomen mit viel gutem Willen als Schatztruhen identifizieren lassen. Dieses Deja-Vu bringt mich auf die Idee, nach der Möglichkeit einer höheren Grafikauflösung zu suchen. Leider enthält das übersichtliche Optionsmenü zwar Einstellungen für allen möglichen Schnickschnack (Wolken, Animationen der Figuren, ...), die Auflösung ist aber bei kümmerlichen 800*600 festgenagelt. So mutet die Bildschirmdarstellung eher an wie ein schlechtes Gemälde von Claude Monet, irgendwie „krümelig“. Zwar ist alles schön bunt, und die Urwaldbäume wiegen sich im Wind, aber schön ist das ganze nicht. Die Topfkuchen, Entschuldigung, die Tempel sind kaum als solche zu erkennen. Immerhin ist allenthalben gut zu erkennen, wie viele Figuren jeder Spieler noch im Vorrat hat. Der Expeditionsleiter schreitet wahlweise sogar als animierte Figur in doppelter Baumhöhe übers Brett – nicht ohne sich beim Weg quer durch die Baumtexturen schwerste Unterleibsverletzungen zuzuziehen. Kurzum: Hässlich, aber wenigstens übersichtlich? Weit gefehlt. Ständig muss ich drehen und zoomen, um zu erkennen, wie viele Figuren auf einem Feld gestapelt sind, oder ob sich an einer Sechseckseite ein Wegstein befindet – besonders bei tempelbestückten Sechsecken am Waldrand eine größere Herausforderung.

Nachdem ich meine Zugentscheidung getroffen habe, nehme ich dann sofort einen Tempel in Besitz, anstatt ihn zu erhöhen. Der segensreiche „Zug zurück“-Button bewahrt mich jetzt in Anbetracht der fummeligen Bedienung vor dem ersten frustbedingten Tobsuchtsanfall. Endlich sind meine 10 Aktionspunkte verbraucht, und ich übergebe das Zepter einem meiner PC-Gegner, was das Spiel sofort mit einer ausgelassenen Licht- und Tonorgie zu feiern scheint, die jeden Blackjack-Automaten bei Hauptgewinn vor Neid erblassen lässt. Die Faschingsbeleuchtung entpuppt sich bald als die Anzeige der aktiven Spielerfarbe, dennoch scheint mir zum ersten mal die handelsübliche Epilepsie-Warnung im Spiele-Handbuch (das sich über die Spielregeln im übrigen ausschweigt) höchst angebracht.

So quäle ich mich Zug für Zug, unterhalten von der minimalistischen Soundkulisse, durch Spielzüge und Wertungen, und stelle alsbald überrascht fest, dass mein roter Punktepöppel auf der Wertungsskala ein Tempo vorlegt wie Jan Ullrich im Kampf gegen 3 herzkranke Senioren in Telekom-Trikots. Schon nach der dritten Wertung liegen 20-30 Punkte (eine genaue Zahlenanzeige gönnt und das Spiel erst bei Spielende...) zwischen meinem Turbopöppel und dem kläglichen Rest der „schweren“ Computergegner. Ob´s daran liegt, dass der PC lieber World-Trade-Center-Reminiszenztürme auf einzelnen Tempelfeldern errichtet, anstatt seine Figuren zu verteilen oder die achtlos liegengelassenen Schätze, zu heben? Wer weiß.

Mit Verdacht auf schwere Migräne und zwei Punktvorsprüngen von 37 und 41 in lustlos heruntergeklickten Testpartien verlasse ich den Urwald von Tikal in Richtung Zweistromland, in der Hoffnung, zwischen Euphrat und Tigris mein El Dorado zu finden.

Nunja, machen wir es kurz: Ich fand eher ein weiteres Waterloo. Auch die Umsetzung von E&T strotz vor Unübersichtlichkeit, noch dazu fielen hier die Farbkontraste der erneut krümeligen 800*600-Grafik überaus schwach aus. Die per Drag&Drop zu benutzenden Spielsteine und Anführer sind in die Umrandungsgrafik eingearbeitet, was beim ersten Probespiel lustige „Such das richtige Symbol“-Orgien auslöst. Erneut werfen wir uns in ehrfürchtiger Dankbarkeit vor dem „Zug zurück“-Button auf die Knie. Und erneut verschweigt das Programm die Punktevergabe an meine Mitspieler. Die Textangabe der Spielzüge am Bildschirm leistet ebenfalls ganze Arbeit: Sie scrolled zu schnell, um gelesen zu werden, verdeckt aber erfolgreich Teile des Geschehens auf dem Brett. Schön gemacht ist die Beleuchtung des aktiven Spielerplättchens per Lichtstrahl, missraten hingegen die animierte Darstellung der Anführer. Deren drehende Köpfe sind nicht eben ein Wunderwerk der Unterscheidbarkeit, auch begann mich der ganze Animationsfirlefanz zusehends zu nerven. Das Tutorial von E&T offenbarte dabei die ideale Alternativlösung: Die Zuganweisungen wurden in einer wunderschön übersichtlichen, zweidimensionalen Symbolgrafik dargelegt – hätte Dartmoor doch diese Darstellung wenigstens als Alternative ins Spiel eingebaut! An der erneut miserablen KI hätte das aber nichts geändert. Fröhlich verschwendet der „schwere“ PC-Gegner Katastrophenplättchen in Serie, spielt ansonsten überaus passiv und ohne erkennbare Strategie. Offensichtlich kann die KI weder einen Anführer vernünftig verteidigen, noch einen gezielten Angriff lancieren. Kommt es dennoch einmal zum Konflikt, verschwiegt das aufklappende Fenster die Zahl der hinzufügbaren Teile. Zu allem Überfluss offenbart E&T im Gegensatz zur Tikal-Umsetzung auch noch Regelfehler bei Punktevergabe (z.B. Verschmelzung von Königreichen) und Zugmöglichkeiten (z.B. Monumentübernahme), und wenn ich nicht jedes Mal erster in der Spielerreihenfolge sein will, darf ich nicht den Löwen nehmen – Anführersymbole und Spielreihenfolge sind nämlich fest gekoppelt.

Fazit

Stellen wir uns einmal die Frage: Warum kauft jemand PC-Umsetzungen von Brettspielen. Meist deshalb, weil es ihm an verfügbaren Mitspielern mangelt. Was folgt ist, dass der PC diese Rolle adäquat ausfüllen sollte, bei gleichzeitig vorbildlicher und übersichtlicher Darstellung/Bedienbarkeit des Programms als solches.

Bei den vorliegenden Umsetzungen von Tikal und E&T disqualifiziert die miserable KI den PC als jedweden Ersatz für menschliche Mitspieler. Ich habe keines der Spiele zuvor mehr als 2-3mal gespielt, kann aber den PC-Gegner in der höchsten Schwierigkeitsstufe meilenweit abhängen. Das ist inakzeptabel. Gleiches gilt für die technische Gestaltung: Die gebotene Auflösung ist in Zeiten verbreiteter TFT-Displays und großer Monitore völlig antiquiert. Dartmoor Games scheint bei diesen beiden Umsetzungen völlig falsche Schwerpunkte gesetzt zu haben: Anstatt auf eine (hässliche) 3D-Grafik mit störenden Animationen und zwanghaft wirkenden Randverzierungen zu setzen, hätte man eine schlichte Draufsicht mit Symbolen wählen sollen. Die eingesparte Zeit bei der Programmierung hätte der KI zu Gute kommen müssen. Immerhin kündigte Dartmoor jüngst einen zentralen Server für ihre Brettspielumsetzungen an, was es den Käufern wenigstens erleichtert, menschliche Gegner zu finden. Bisher enthalten die Programme dafür nur eine Peer-to-Peer-Lösung, die oftmals am selben Problem krankt, weshalb wir eigentlich zur PC-Umsetzung greifen: Wir suchen vergeblich Mitspieler. Vielleicht reicht diese Ankündigung eines Zentralservers für manche als Grund aus, sich eines (oder beide) der Spiele anzuschaffen – eine Empfehlung kann ich dennoch nicht aussprechen. Zur Ehrenrettung sei gesagt: Dartmoor konnte mit der Torres-Umsetzung jüngst beweisen, dass sie es auch weitaus besser können.

Rezension Steffen Stroh

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.

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H@LL9000-Bewertungen

H@LL9000 Wertung Tikal (PC-Spiel): 2,0 2,0, 1 Bewertung(en)

Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 02.04.04 von Steffen Stroh

Leserbewertungen

Leserwertung Tikal (PC-Spiel): 2,0 2.0, 2 Bewertung(en)

Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 30.12.06 von Braz
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 30.12.06 von Sarah Kestering