Rezension/Kritik - Online seit 13.10.2016. Dieser Artikel wurde 8602 mal aufgerufen.
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Wenn mir langweilig ist, wird der Fernseher angemacht oder ich räume zur Not auch mal auf ... aber selten bis gar nicht steht eine Schauspieltruppe plötzlich vor meiner Couch und führt für mich ein Stück auf. Das geht nur, wenn man ein angeödeter König ist. In diesem Fall hat die Blaublütigkeit noch einen weiteren Vorteil: Seine Majestät muss nach der Aufführung (und generell nie) nicht selber saubermachen. Kann man eigentlich eine Fortbildung zum König machen? Schnell mal googeln ...
Bei Hoftheater wollen wir dem König gefallen, bzw. unser Stück soll ihm gefallen. Welches Genre (Komödie oder Tragödie) in der Gunst unseres Oberhauptes oben steht und wie wir diese Stimmung manipulieren können, das ist einer der Hauptpunkte bei diesem Spiel.
Acht Städte umfasst das Königreich und jede Stadt bietet anfangs eine und im späteren Verlauf des Spieles auch mal mehrere Karten zum Erwerb an. Um an diese Karten zu kommen, muss man reisen. Dazu suchen wir uns geheim aus unseren Reisekarten aus, welche Stadt wir besuchen wollen und decken gleichzeitig auf. Jetzt können zwei Dinge passieren:
Ich besuche diese Stadt alleine: Hurra! Ich nehme mir alle Karten, die dort liegen. Zusätzlich darf ich einen (eventuell) eben erworbenen Schauspieler abwerfen und die Stimmung des Königs dementsprechend verändern. Häschen fördern die Komödienlaune des Königs, und tragische Kraniche wecken des Königs Lust nach einem Drama. Dazu bringen manche Schauspieler noch eine kleine Sonderaktion wie z. B. eine seiner "Impresario"-Figuren auf die Bühne zu stellen ... also quasi theatralische Marktschreier. Je mehr dieser Figuren auf der Bühne stehen, desto mehr Taler bekommt man, wenn man einen Neuen dazustellt.
Ich besuche diese Stadt nicht alleine: Mist! Alle Karten dieser Stadt werden abgeworfen und des Königs Stimmung entsprechend verändert, sollten Schauspieler dabei sein. Aber wir gehen nicht leer aus. Jeder bekommt eine Karte "geheime Bitte". Am Ende jeder Runde darf man eine dieser Karten ausspielen, und erfüllt man die Bedingung, winken Goldmünzen.
Nicht nur Schauspielerkarten können in einer Stadt liegen. Es können auch Almosenkarten sein, die einem Geld bringen oder sogar Gaukler, deren besondere Fähigkeiten man 1x pro Spielzeit (Runde) einsetzen kann.
Erworbene Gaukler und Schauspieler legt man vor sich in seine Auslage, die so im Laufe einer Runde immer weiter anwächst. Manchmal zur Freude, manchmal zum Leid der Spieler, denn durch das Abwerfen der Schauspieler wird die Stimmung des Königs ständig verändert. Bis zu dem Punkt, an dem seine Majestät plötzlich seine Meinung ändert und statt einer Tragödie eine Komödie sehen will. Oder umgekehrt.
So ein Stimmungswechsel kann hart sein. Der Bühnenhintergrund wird gedreht und alle Impresarios fliegen von den Brettern. Am Ende einer Runde (wenn keine Karten mehr in den Städten nachgelegt werden können) zählen nur die Schauspieler, die den Geschmack des Königs treffen. Nur für die gibt es Geld und der Spieler, der die beste Aufführung (also die punktestärksten Schauspieler) vorweisen kann, bekommt noch einen Bonus. Dazu gibt es noch Geld, wenn man seine ausgewählte "geheime Bitte" erfüllen konnte.
Dann wird die nächste Spielzeit vorbereitet. Alle Stadtkarten (außer den Gauklern) werden eingesammelt, gemischt und an jede Stadt wird wieder eine Karte angelegt. Die nächste Runde beginnt.
Mit der zweiten Abrechnung endet Hoftheater. Wer jetzt das meiste Geld sammeln konnte, darf das nächste Theaterstück in der königlichen Loge gucken.
Wenn Spiele gut ausgestattet sind, darf man darüber nicht meckern. Außer, wenn die Ausstattung eine Stimmung und Erwartungshaltung aufbaut, die hinterher nicht erfüllt werden kann. Wie leider bei Hoftheater. Optisch und vom Material ist hier alles Oberklasse. Alles im Thema Theater und Fantasy-Mittelalter, jeder staunt über die Bilder, die Figuren, die kleine Bühne mit dem Drehhintergrund. Immer ein großes "WOW!" und viel Lust, diese Augenweide mit dem interessanten Thema zu spielen.
Diese Begeisterung hielt hier solange an, bis man merkt, dass Optik und Ausstattung es nicht schaffen, ein wirkliches Theatergefühl aufzubauen. Die Welt sieht toll aus, aber fühlt sich leer an.
Was also an Hoftheater nicht so gefällt:
Das führt Hoftheater dann irgendwie ad absurdum. Dabei hat es wirklich alle Ansätze für ein tolles Spiel. Aber die für sich einzeln betrachteten und gut funktionierenden Komponenten (wie z. B. die Gaukler und ihre Fähigkeiten, die Impresarios auf der Bühne und die dadurch wachsenden Einnahmen) sind im Gesamtkonstrukt wackelig und passen nicht zusammen.
Nichts gegen Glück im Spiel. Mag ich, kann super sein. Aber wenn Glück das Einzige ist, das ein Spiel ausmacht, obwohl einem alles auf dem Tisch sagt, dass es nicht so ist, dann streike ich. Ebenso wie in den meisten meiner Testrunden, zu denen ich Hoftheater nicht mehr mitbringen muss. Da ist es leider durch.
Gefallen hat es bis jetzt nur Spielern, die viel Wert auf Ausstattung legen. Die sahen über die Kritikpunkte gnädig hinweg, weil sie ein optisches Erlebnis auf dem Tisch hatten. Aber diese Gruppe ist hier sowas von in der Minderheit ... sie ist eigentlich nicht relevant.
Hoftheater verschenkt viele gute Ansätze und schafft es nicht, die eigene Welt aufrecht zu erhalten. Schon ein kleiner Todesstoß für ein Spiel, das auf anderen Ebenen vieles richtig macht.
Die einzige Gruppe, in der es bis jetzt einigermaßen funktioniert hat, sind die neugierigen Familien, die noch nicht so häufig spielen. Denen fällt die Diskrepanz zwischen Wirkung und Inhalt nicht so auf und sie fühlen sich gut unterhalten. Aber ich persönlich würde dieser Gruppe dennoch andere Spiele empfehlen.
Schade, schade, schade. Aber vielleicht gibt es ja noch mal eine Neuauflage mit verbesserten Regeln. Verdient hätte es die Idee und die Ausstattung.
Rezension Christoph Schlewinski
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
H@LL9000 Wertung Hoftheater: 2,0, 1 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
10.09.16 von Christoph Schlewinski - Leider ein hervorragend ausgestatteter Blender, in dem das Glück regiert. |
Leserwertung Hoftheater: 4.3, 4 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
03.06.16 von Oliver Müller - Phantastisches Spielmaterial, das man aber auch als Blendwerk für eine aufgesetzte Story halten kann, denn eigentlich verdeckt das Spielmaterial einen sattsam bekannten Mehrheiten-Mechanismus. Aber wen stört es, es macht einfach Riesenspaß seine Karavellen loszuschicken, Impressarios auf die Bühne zu stellen und die Stimmung des Königs in die gewünschte Richtung zu steuern. Sehr schönes Familienspiel, das zum sofort Losspielen animiert, letztlich jedoch die mangelnde Innovation mit viel Optik überdeckt. Wen dies nicht stört, dem kann ich das Spiel allerdings wirklich empfehlen! Knappe 5 Punkte. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
18.10.16 von spielebär |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
19.10.16 von Gerd Hebbinghaus - Ich schließe mich der Hall Bewertung an |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
02.02.17 von Bratze Klötensen - "Hoftheater" ist definitiv kein Vielspielerspiel, aber aus meiner Sicht ein sehr gelungenes Familienspiel mit einer wunderschönen Aufmachung und einigen interessanten Kniffen. Wenn man sich an einem doch recht hohen Glücksfaktor nicht stört, sollte man diesem wunderschönen Spiel eine Chance geben. |