Rezension/Kritik - Online seit 22.09.2024. Dieser Artikel wurde 1218 mal aufgerufen.
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Die Splitter des Infinity-Steins? Da war doch was. Ach ja, der Superschurke Thanos wollte doch in den "Avenger"-Filmen alle Infinity-Steine zusammenbringen, "um mit einem Fingerschnippen" das Problem der Überbevölkerung in unserer Galaxie zu lösen.
Die Shards of Infinity haben damit aber rein gar nichts zu tun. Laut Spielgeschichte stiegen nach dem Untergang der Menschheit durch die Zerstörung der Infinity-Maschine vier Nachfolgerassen des Homo Sapiens auf, die um die Macht kämpften und dabei versuchten, die mächtigen Splitter wieder zu vereinen.
Diese vier Rassen finden sich auf Spielkarten wieder: "Homo Deus" (Menschen-Maschinen-Hybride), "Spektral" (Wesen, bei denen sich dunkle Energie auf ewig mit ihren zerfallenden Körpern verbunden hat), "Nachtschatten" (ein Naturgott verehrendes Waldwesen-Kollektiv) und "Der Orden" (spirituell mit der digitalen Welt verbundene Mönche). Wir mischen alle Karten und decken anschließend vom Stapel sechs Karten offen auf, welche so eine zentrale Auslage bilden.
Unsere Startkarten hingegen sind keiner Rasse zugeordnet, sondern bestehen hauptsächlich aus "Kristallen", mit denen wir neue Karten erwerben können, einem "Blaster", mit dem wir unseren Gegnern 1 mickrigen Schaden ("Macht") zufügen können, sowie zwei Karten ("Infinity-Splitter" und "Splitter-Reaktor"), die von Haus aus 2 Macht bzw. Kristalle bringen, bei entsprechender "Erfahrung" sogar noch mehr.
Mit 5 Karten unseres gut gemischten Decks beginnen wir unseren Spielzug. Wir spielen Karten aus unserer Hand aus und nutzen die auf den gespielten Karten abgebildeten Symbole. Mit "Kristallen" können wir neue Karten aus der zentralen Auslage erwerben, indem wir die auf der rechten oberen Ecke angeführten Kosten bezahlen. Auf diese Weise erworbene Karten kommen sofort auf unseren Ablagestapel.
Mit "Macht" können wir unsere(n) Gegner und/oder deren Champions (dazu später mehr) Schaden zufügen. Mit "Leben" können wir die Lebensanzeige unserer Charaktertafel entsprechend erhöhen. Mit "Erfahrung" wiederum können wir die Erfahrungs-Anzeige unserer Charaktertafel nach oben drehen.
Am Ende unseres Zuges legen wir sowohl die ausgespielten als auch unsere verbliebenen Handkarten auf den Ablagestapel und ziehen wieder fünf Karten von unserem persönlichen Deck nach. Sollte unser Deck einmal leer sein, mischen wir die Karten des Ablagestapels und bilden daraus einen neuen Nachziehstapel.
Fällt die Lebensanzeige unserer Charaktertafel auf "0", scheiden wir aus dem Spiel aus. Haben wir hingegen als Letzter noch "Leben" übrig, gewinnen wir das Spiel.
Shards of Infinity ist unverkennbar ein Deckbauspiel. Das ist an sich eine gute Sache, denn damit kenne ich mich recht gut aus. Man kann mich fast schon als Deckbau-Experten auf "H@ll 9000" bezeichnen, denn bei rund einem Zehntel meiner gut 400 bisher rezensierten Spiele stellt "deck building" entweder den zentralen Mechanismus oder zumindest eine wichtiges Element dar.
Als Deckbauspiel kommt Shards of Infinity aber recht altmodisch daher: Ein Startdeck, welches in seiner Zusammensetzung stark an Dominion - den Urvater dieser Spielegattung - erinnert; Eine offene Auslage aus sechs Karten, aus denen die Spieler neue Karten erwerben können; Eine Siegbedingung, die jener von Star Realms (White Wizard Games 2014) bzw. Hero Realms vom selben Verlag ähnelt, nämlich alle Gegner auszuschalten. Alles sehr schnörkellos, sehr kompetitiv, aber eben weder originell noch "up to date".
Deckbau ist zwar nach wie vor präsent in vielen Spielen, jedoch in weit innovativerer Form oder mit einem speziellen Kniff. Der Grund, warum ein Spiel in dieser ursprünglichen Form trotzdem gerade jetzt erscheint, liegt daran, dass es bereits 2018 bei "Ultra PRO" herausgekommen ist, und dies nun die lokalisierte Version von "iello Games" darstellt, welche bei "Huch! & friends" auch deuschsprachig erhältlich ist.
Ein paar Besonderheiten besitzt Shards of Infinity dennoch. So weisen die vier eingangs erwähnten Rassen stark voneinander abweichende Fähigkeiten auf. Die "Homo Deus" etwa liefern mehr Kristalle und erlauben uns zudem, Karten während unseres Zuges nachzuziehen. Außerdem sind unter ihnen deutlich mehr Champions vorhanden, auf die ich später noch näher eingehen werde. Die "Nachtschatten" wiederum sorgen für relativ viel Schaden ("Macht"), können uns Heilung bringen (Erhöhung unserer Lebenspunkte) und verstärken sich gegenseitig, das heißt, dass ihre Wirkung stärker ist, wenn wir im selben Zug zwei oder mehr "Nachtschatten" ausspielen.
Auch die "Spektral" bringen viel "Macht", können also die Lebenspunkte der Gegner stark reduzieren. Gleichzeitig erlauben uns die "Spektral", das eigene Deck etwas zu manipulieren, beispielsweise indem wir schwächere Karten "bannen" und somit aus dem Spiel entfernen können, oder indem wir Karten direkt aus dem Ablagestapel auf die Hand nehmen dürfen. Der "Orden" schließlich kommt ganz ohne "Macht" aus, im Gegenteil, er hilft mit Schildkarten, die wir im Falle eines Angriffs bloß aus der Hand vorzeigen müssen, Schaden zu reduzieren, und sorgt mit einigen Karten dafür, unsere Erfahrung zu erhöhen.
Die Erfahrung dient übrigens nicht nur dazu, den Effekt einiger Karten zu erhöhen, wenn ein bestimmter Wert erzielt oder übertroffen wird. Sie bietet uns sogar eine alternative Möglichkeit, das Spiel zu gewinnen. Erreichen wir nämlich die höchste Erfahrungsstufe (Stufe "30"), erhalten wir mit der Startkarte "Infinity-Splitter" eine unendliche Menge "Macht", mit der wir alle Gegner auf einmal ausschalten können.
Neben den "Verbündeten", welche den Großteil der Karten ausmachen, finden wir auch einige sogenannte Champions vor. Deren Vorteil ist, dass sie nach dem Ausspielen am Ende des Spielzuges nicht aufgeräumt werden, sondern in der Spielfläche verbleiben. Ihre Fähigkeit könnten wir daher in jedem unserer Spielzüge nutzen, weshalb sie gerne Ziele von Angriffen sind. Auf jeder Champion-Karte sind deswegen auch "Leben" abgebildet. Wird ausreichend "Macht" genutzt, um einen unserer Champions zu zerstören, wandert dieser sofort auf unseren Ablagestapel.
Während die Champions in etwa mit den Basen bzw. Außenposten bei Star Realms zu vergleichen sind, stellen die Söldner bei Shards of Infinity hingegen etwas völlig Neues dar. Einige Verbündete in der zentralen Auslage - sie sind deutlich mit roten Rahmen markiert - können wir nämlich sofort nutzen, statt sie zu erwerben. Die Kosten sind dieselben, jedoch kommt die Karte nach der Nutzung ihres Effekts nicht auf unseren Ablagestapel, sondern wird stattdessen unter den allgemeinen Nachziehstapel geschoben.
Ein heikler Punkt ist die Interaktion. Die Regeln besagen ja, dass wir unsere "Macht" beliebig auf Champions und/oder Gegner aufteilen können. Daher ist es im Mehrpersonenspiel möglich, dass mehrere Spieler ihre Angriffe auf einen einzigen Spieler konzentrieren, um diesen auszuschalten. Selbst eine Hausregel, beispielsweise dass man nur seinen linken Nachbarn angreifen darf, brächte wenig Besserung, da es in diesem Fall keinen Sinn machte, gegnerische Champions zu atackieren.
Aus diesem Grund spielt sich Shards of Infinity am besten zu zweit. Duelle sind dann mit einer Spieldauer von 15 bis 20 Minuten auch recht kurz und knackig, und laden zu der einen oder anderen Revanchepartie ein. Auch wenn Partien zu dritt oder zu viert kaum länger dauern, empfinde ich Zweipersonenpartien als wesentlich ausgeglichener.
Das Spielmaterial besteht - logischerweise - hauptsächlich aus Karten, für deren Fantasy-Illustrationen mehrere Grafiker verantwortlich zeichnen. Daneben gibt es bloß noch vier Charaktertafeln mit Drehscheiben, mit denen wir die Werte für "Leben" und "Erfahrung" einstellen. Die Charaktertafeln sind funktionell völlig identisch, da hätte ich mir schon gerne individuelle Fähigkeiten, etwas Asymmetrie gewünscht. Aber vielleicht kommen solche noch in zukünftigen Erweiterungen, von denen es in der englischen Originalfassung ja bereits einige geben soll. Mir persönlich reicht allerdings das Grundspiel, denn Shards of Infinity ist zwar solide, bietet jedoch nicht allzu viel Neues.
Rezension Franky Bayer
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
H@LL9000 Wertung Shards of Infinity: 3,0, 1 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
03.07.24 von Franky Bayer - Ein Deckbauspiel der alten Schule, mit wenig Alleinstellungsmerkmalen. Erinnert ein wenig mit seinem konfrontativen Charakter an Star Realms. Funktioniert gut, aber wegen fehlender Originalität vergebe ich statt einer 4 nur eine 3. |
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