Rezension/Kritik - Online seit 16.05.2020. Dieser Artikel wurde 1876 mal aufgerufen.

Extraordinary Adventures: Pirates

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Autor: Glenn Drover
Don Beyer
Verlag: Forbidden Games
Rezension: Michael Timpe
Spieler: 2 - 6
Dauer: 45 - 60 Minuten
Alter: ab 8 Jahren
Jahr: 2019
Bewertung: 3,0 3,0 H@LL9000
Ranking: Platz 4463
Extraordinary Adventures: Pirates

Spielziel

Bei Brettspielen (nicht nur für Kinder) sind Piraten (und Ritter) immer wieder ein beliebtes Thema. Offenbar bleibt eine Mehrheit von uns der Faszination dieser Erzählungen auch als Erwachsener noch stark verhaftet. So konnte auch Extraordinary Adventures: Pirates auf der Spielemesse 2019 interessierte Blicke auf sich ziehen. Ein sehr schöner und großer Spielplan sowie hübsche Miniaturen halfen der Aufmerksamkeit weiter auf die Sprünge. Und wenn dann noch ein Autorenduo auf der Schachtel steht, das schon recht gute Brettspielumsetzungen u. a. von Civilization, Age of Empires 3 sowie Bootlegers veröffentlicht hat, dann darf man als Spiele-Enthusiast blind zugreifen und sich mit hohen Erwartungen an den Spieletisch setzen.

Ablauf

Drei Schifffahrtsrouten ziehen sich durch die Karibik. Wir alle starten mit drei Schiffen, eins auf jeder Route. Durch Ausspielen seiner Handkarten (seiner Mannschaft) darf man sein Schiff auf diesen Routen fortbewegen. Jede Karte hat dafür einen Zahlenwert, vom Schiffsjungen (Wert 1) bis zum Seebären (Wert 3), um den man eins seiner Schiffe versetzen darf.

Einige Karten haben auch noch Spezialfunktionen, die man statt der normalen Bewegung nutzen kann. Ziel aller drei Routen ist die Hafenstadt Trinidad, wo die spanische Schatzflotte darauf wartet, endlich von uns überfallen zu werden.

Unterwegs befinden sich auf jeder Route noch zahlreiche kurze Abstecher. Folgen wir diesen Umwegen, treffen wir auf fremde Schiffe und Häfen. Schiffe können überfallen werden, um so an wertvolle Beute (Warenklötzchen) zu gelangen, die man in den Häfen gegen Schätze eintauschen kann. Bei jedem Hafen und jedem Überfall können wir zudem unsere Mannschaft verstärken.

Wie von anderen Deck-Building-Spielen schon bekannt, kann man seine anfänglich sehr schwache Mannschaft mit neuen, besseren Karten verstärken bzw. auch ersetzen. Und vielleicht ist diese bessere Mannschaft bis zum Schluss dann in der Lage, die führenden Schiffe wieder einzuholen und als Erstes in Trinidad einzulaufen, wodurch das Spielende eingeläutet wird.

Am Ende gibt es dann Punkte auf jeder der drei Routen für die aktuelle Reihenfolge der Schiffe. Außerdem noch für die eingetauschten Schätze sowie noch gelagerte Warenklötzchen. Der erfolgreichste Pirat hat das Spiel dann gewonnen.

Fazit

Pirates! ist optisch ein Fest, zumindest mir gefällt es. Das fängt mit dem Karton an, der mich schon sehr anspricht – wahrscheinlich hab ich allein deswegen das Spiel schon gekauft. Dann natürlich der große Spielplan, der eine alte Landkarte – oder eher Wasserkarte - der Karibik darstellt. Außerdem kleine Schiffsminiaturen, Warenklötzchen und Piratenfiguren. Selten ist mir ein Spiel schon nur wegen des Materials so positiv aufgefallen, das ist einfach stimmig und lädt zum Spielen ein.

Leider, leider kann das Spiel selbst nach meiner Meinung mit der schönen Optik nicht ganz mithalten, wofür ich wesentlich die fehlende Konkurrenz im Spiel verantwortlich mache. Im Kern handelt es sich ja primär um ein Rennspiel. Weiter vorn zu segeln als die Mitspieler bringt viele Punkte. Auf allen 3 Routen vorne mitzuschwimmen ist allerdings nicht möglich. Also konzentriert man sich erst mal auf eine Strecke und verwendet allfällige Restpunkte auf die zweite. Die dritte Route ignoriert man komplett. Dieser Effekt ist bisher bei allen meinen Spielrunden so aufgetreten, egal ob Viel- oder Wenigspieler. Und wenn alle Spieler 1/3 des Spieles ignorieren, find ich das etwas befremdlich.

Verstärkt wird dieser Effekt auch dadurch, dass alle drei Routen nahezu identisch sind. Man segelt einfach mal irgendwo los, und meistens segelt man da dann auch weiter.

Erst später im Spiel, wenn aus den Häfen die „Profipiraten“ in die Mannschaften kommen, gibt es durch die Zusatzaktionen plötzlich Präferenzen für eine bestimmte Route. Glück, wenn man dann auf dieser ohnehin schon aktiv ist, Pech, wenn nicht.

Thematisch stimmig, aber für meinen Geschmack auch nicht gerade spielförderlich ist dann noch das Thema mit den Waren und Schätzen: Schiffe überfallen und dessen Waren einsammeln kann nur, wer das entsprechende Feld als Erstes erreicht. In der Regel also, wer auf der Route vorne liegt, was auch wieder für die Konzentration auf eine Route spricht. Man erhält dann zufällig irgendwelche Waren, die aber alle gleich häufig und gleich wertvoll sind. Auch das fördert keinerlei die Konkurrenzsituation zwischen den Spielern.

Erreicht ein Schiff dann einen Hafen, kann man dort seine Warenklötzchen in Schätze umtauschen. Die Schatzkarten liegen von Beginn an (größtenteils) offen und sind keinem Hafen zugeordnet. Man kann also jeden Schatz überall ertauschen, und auch welches Schiff zuvor auf welcher Route die Waren erbeutet hat, spielt keine Rolle.

Es gibt also auch keinerlei Wettkampf um bestimmte Warensorten, keine Routen mit besonders wertvollen Schätzen oder solche mit besonders vielen Handelsschiffen. Alles ist gleichwertig und bietet keinerlei Anlass, mit den Mitspielern in Konkurrenz zu treten.

Und dieser etwas lauwarme Einheitsbrei setzt sich dann auch noch in den Mannschaften fort: Neue Crew-Mitglieder, die man zufällig beim Erbeuten eines Schiffes dazu erhält, gibt es eigentlich nur zwei: einer mit 2 Bewegungspunkten und einer mit 3. Dass die Namen und Bilder variieren, macht für das Spiel keinen Unterschied.
Etwas besser ist es im Hafen, wo man immerhin aus einer offenen Auslage von drei Karten wählen darf, die insgesamt auch etwas variantenreicher sind. Aber auch hier gibt es (fast) nur 3er- und 4er-Karten, von denen einige immerhin noch ganz nette Sondereffekte haben. Auch hier ist die Wiederholungsrate sehr hoch, wenn man Karten, die den gleichen Effekt für unterschiedliche Routen bieten, abzieht. Spätestens an dieser Stelle wäre mehr Varianz und Einfallsreichtum nötig gewesen, um dem Spiel doch noch etwas Pfiff zu verleihen.

Bleibt noch ein Satz zur Spielerzahl: Bis zu drei Spieler können sich sehr schön auf die drei Routen aufteilen, das heißt, es fährt jeder mehr oder weniger für sich alleine. Ab vier Spielern gibt es wenigstens etwas Konkurrenz – was aber heißt: Zwei Spieler fahren tatsächlich um die Wette und haben dadurch einen deutlichen Nachteil, da sie ja nur halb so viele Schiffe kapern können und damit weniger neue Karten und Schätze erhalten. Rechnerisch wären also 6 Spieler am besten, aber dann braucht man schon sehr, sehr viel Geduld. Tatsächlich sind 3 - 4 Spieler für das Verhältnis Spieldauer zu Spielspaß am besten.

Zusammenfassend muss ich sagen: Völlig irrational mag ich Pirates trotz aller Kritik, da das Spielgefühl und die Optik einfach Spaß machen. Empfehlen würde ich es aber niemandem. So wie es ist, ist es unausgegoren, die Karten eher langweilig, dadurch recht repetitiv und für das Gebotene dann auch noch zu lang. Sehr schade um das extrem schöne Material, das in dieser Schachtel immerhin nicht verstaubt, die Schachtel selber aber wohl schon.

Rezension Michael Timpe

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.

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H@LL9000-Bewertungen

H@LL9000 Wertung Extraordinary Adventures: Pirates: 3,0 3,0, 1 Bewertung(en)

Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 02.02.20 von Michael Timpe - Starke Aufmachung, leider spielerisch doch etwas zu schwach, um positiv aufzufallen.

Leserbewertungen

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