Rezension/Kritik - Online seit 24.06.2023. Dieser Artikel wurde 1737 mal aufgerufen.

Tiwanaku

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Autor: Olivier Grégoire
Verlag: Sit Down!
Rezension: Frank Gartner
Spieler: 1 - 4
Dauer: 30 - 60 Minuten
Alter: ab 14 Jahren
Jahr: 2022
Bewertung: 5,5 5,5 H@LL9000
Ranking: Platz 1286
Download: Kurzspielregel [PDF]
Tiwanaku

Spielziel

In Tiwanaku führt ihr das wandernde Volk der Quechua in ein unbekanntes Land. Dort wollt ihr Land entdecken und Pflanzen anzubauen. Die geheime Anordnung der Landschafts- und Pflanzenplättchen wird von einer Szenarioscheibe am Anfang der Partie festgelegt. Schritt für Schritt erkundet ihr diese Landschafts- und Pflanzenplättchen. Je mehr Informationen vorliegen, desto besser lassen sich Rückschlüsse ziehen, die nächsten Spielzüge planen und damit die Punkte-Effizienz der eigenen Züge optimieren.

Ablauf

Der Spielplan besteht aus 9 x 5 Feldern. Durch die Auswahl einer Szenarien-Scheibe wird definiert, auf welchem Feld bei späteren Entdeckungen welche Landschaften und Pflanzen erscheinen wird.

Für jedes Feld sind immer 2 Eigenschaften fest definiert: Der Landschaftstyp und der Pflanzentyp. Einige der Landschafts- und Pflanzenplättchen werden zu Spielbeginn auf dem Spielfeld als Einstiegsinformation ausgelegt. Zudem erfahren die Spieler wie häufig jede Landschaft auf dem Spielfeld vertreten sein wird, was speziell zum Spielende besonders hilfreich wird.

Wer am Zug ist, kann aus 2 Optionen wählen:

  • Spielfiguren ziehen: eine neue Spielfiguren von außen auf das Spielfeld ziehen, eine bereits platzierte Spielfigur auf dem Spielfeld bewegen oder eine Spielfigur vom Spielplan nehmen, um sie später anderer Stelle wieder einzusetzen.
  • Eine Wahrsagung machen: Man kann mit allen Figuren, die man bereits auf dem Spielplan stehen hat raten, welche Pflanze sich wohl auf diesem Feld befindet

Spielfigur ziehen:
Wer seine Spielfigur zieht, kann diese beliebig weit waagrecht und senkrecht über den Spielplan bewegen, auch abbiegen ist zulässig. Man darf über alle Felder ziehen, die von eigenen Figuren belegt sind oder über komplett entdeckte Felder (Landschaft + Pflanze) hinweg ziehen. Auf diesen darf man allerdings nicht stehen bleiben. Felder, auf denen fremde Spielfiguren stehen, sind grundsätzlich tabu.
Man beendet stets den Zug auf einem Feld, das entweder noch komplett unentdeckt ist oder auf dem nur eine Landschaft ohne Pflanze liegt.
Beendet eine Spielfigur einen Zug auf einem leeren Feld, so wird automatisch die Landschaft entdeckt. Hierfür stellt man auf der Szenarioscheibe die entsprechende Koordinate ein, ermittelt damit die Landschaft und man legt das entsprechende Landschaftsplättchen auf den Spielplan.
Immer wenn eine Landschaft entdeckt wurde, zieht der Spieler auf der „Vielfaltsleiste“ seinen Spielstein ein Feld weiter. Hier zahlt es sich aus, ausgewogen zu entdecken, d.h. immer schön im Wechsel einen Landschaftstyp, denn für jeden Spielstein, der gleich oft entdeckt wurde, gibt es einen zusätzlichen Siegpunkt.
Beispiel: Man erhält für seine erste Entdeckung immer 1 Siegpunkt. Sollte man es schaffen danach Landschaftstyp 2 zu entdecken, danach Landschaftstyp 3 und danach gleich noch Landschaftstyp 4 kann man in Summe 1+2+3+4 Punkte erzielen. Eine ausgewogene Entdeckung ist somit sinnvoll und kann spielentscheidend sein.

Wahrsagung machen:
Man darf für alle Felder, auf denen man Figuren stehen hat und auf denen noch kein Pflanzenchip liegt, versuchen zu tippen, welche Pflanzenart auf den Spielfeldern liegen könnten. Man spricht den Tipp laut aus, stellt man auf der Szenarioscheibe die Koordinate des Feldes ein und öffnet das Pflanzen-Türchen. Der entsprechende Pflanzenchip wird auf den Spielplan gelegt. War der eigene Tipp falsch, verliert der Spieler die Punkte des Pflanzenchipwerts und darf nicht mehr weiter tippen. War der Tipp korrekt, erhält man die Punkte für den Pflanzenchipwert (1-5 Punkte) als Siegpunkte gut geschrieben. Zudem erhält man einen Garben-Marker dieser Pflanzen-Sorte (sofern man nicht schon einen Chip dieser Sorte hat).

Optional darf man zudem jede Runde seine gesammelten Garben-Marker einlösen und dafür Siegpunkte erhalten. Je nachdem, wie viele Marker man gesammelt hat, kann man dafür 0/1/3/6/10 Siegpunkte erhalten.

Die Deduktion: Was aktuell vielleicht noch wie eine wilde Raterei klingt, wird schrittweise mehr und mehr zu einem logischen Deduktionsspiel, denn es gibt klare Regeln, wie Landschaften und Pflanzenchips liegen können. So können Landschaften maximal 5 Felder groß sein. Eine Landschaft grenzt niemals orthogonal oder diagonal an die gleiche Landschaft. Je nach Größe der Landschaft, liegen auf deren Feldern immer unterschiedliche Pflanzenplättchen. Bei einem 1er Landschaftsfeld kann nur der 1er Pflanzenchip liegen, auf einer Landschaft der Größe 3 liegt immer jeweils ein Pflanzenchip vom Wert 1-3 und bei einer 5-Feld großen Landschaft liegen immer alle 5 Pflanzenchips von 1-5 darauf. Hat man eine Landschaft aufgedeckt und darauf einen Pflanzenchip des Wertes 5 entdeckt, ist automatisch klar, dass die Landschaft 5 Felder große ist bzw. wird. Auf diese Art und Weise wird im Spielverlauf immer klarer, wie sich die Landschaften zusammensetzen müssen.
Bei den Pflanzenchips können identische Pflanzenarten niemals orthogonal oder diagonal aneinander grenzen. Diese Information in Kombination mit den Landschaften führt irgendwann dazu, dass man kombinieren kann auf welchem Feld wohl welcher Chip liegen wird, auch wenn man ihn noch nicht sehen kann.

Das Spiel endet, sobald das letzte Landschaftsplättchen aufgedeckt wurde. Wer dann die meisten Punkte ergattert hat, gewinnt das Spiel.

Man kann das Spiel nicht nur kompetetiv, sondern auch solo oder kooperativ spielen. In diesen beiden Varianten spielt man gegen ein gegnerisches Volk, das ebenfalls Figuren über den Spielplan bewegt, entdeckt und dadurch Punkte ergattert. Das Spiel ist dann gewonnen, wenn man es bis zum Spielende geschafft hat, mehr Punkte zu ergattern, als das gegnerische Volk.

Fazit

Die Spielregeln sind wahrlich nicht optimal gestaltet, etwas direkter formuliert: sie ist schlecht: Diverse Verweise zwischen dem Kompetitiv-, Solo- und Kooperationsspiel provozieren das Risiko etwas zu übersehen. Einige Regeln sind selbst nach mehrmaligem Lesen nicht 100% eindeutig. Hier wäre es für den Leser einfacher gewesen, wenn einige Bereiche pro Modus einfach jeweils nochmal erklärt würden und speziell beim Kooperationsspiel mit Beispielen versehen würden. Wir haben dann einfach mal interpretiert und losgespielt… später dann noch einmal gelesen und dann in einigen Fällen anders interpretiert, weil wir uns nicht vorstellen konnten, dass es so gemeint war. Und hier haben wirklich nur sehr erfahrene Spieler am Tisch gesessen!! Für mich ist dies der maßgebliche, redaktionelle Schwachpunkt des gesamten Spiels.

Gut hingegen finde ich die Möglichkeit mit einer „abgespeckten“ Spielversion um mit einem kleineren Spielplan schnell in den Spielmechanismus hinein zu finden.

Den Spielmechanismus selbst empfand ich wirklich als extrem gelungen! Sehr innovativ ist schon die Einstellscheibe (Szenarioscheibe), mit welcher man die Landschaften und Pflanzen der jeweiligen Felder ermitteln kann und die natürlich bei jedem der 15 Szenarien unterschiedliche Landschaftsplättchen hervorzaubert. Und hat man mal die 15 Karten durchgespielt, kann man sich bestimmt nicht mehr an die Konstellation der 1. Scheibe erinnern, so dass man mit gutem Gewissen gewisse Szenarien noch ein zweites Mal spielen kann, ohne einen wirklichen Wissensvorsprung zu haben. Ggf. kann ja der Spieler mit der geringsten Erfahrung dann ein Szenario heraussuchen, so dass man noch nicht einmal die Nummer kennt. So cool diese Scheibe ist, so stellten sich diverse Spiele (einschließlich mir) die Frage, weshalb man dies nicht in Form einer App bereit gestellt hat?
Damit könnten sich unzählige weitere Szenarien generieren lassen, mit etwas Programmierkunst sogar per Zufallsgenerator eine fast unlimitierte Anzahl an Szenarien.

Sobald mal einige Landschaften und Pflanzen entdeckt wurden, startet der Hirnverzwirbler! Da Landschaften niemals größer als 5 Felder werden können, noch nicht einmal diagonal aneinander ragen dürfen, kombiniert mit der Tatsache, dass darauf liegende Pflanzenmarker mit dem Wert von 1-5 niemals orthogonal/diagonal aneinander angrenzen dürfen, egal auf welcher Landschaft sie liegen, führt zu logischen Einschränkungen der Möglichkeiten und lässt ab einem bestimmten Zeitpunkt klare Rückschlüsse zu. Irgendwann sind die Größen und Formen von Landschaften sowie die Werte der Pflanzenchips durch logisches Kombinieren und Ausschließen planbar bzw. mit geringerem Risiko vorherzuahnen. Das erinnert entfernt ein wenig an die Sudoku-Logik.
Ab diesem Zeitpunkt macht das Spiel dann richtig Spaß, kann aber ggf. auch etwas Zeit in Anspruch nehmen, bis man im Kopf die möglichen Konstellationen betrachtet hat.

Eines ist sehr wichtig beim gesamten Spiel: Achtet auf Sorgfalt! Das fängt beim Spielplanaufbau an. Wer hier nicht darauf achtet, ob Spielplan und Spielaufbau-Szenario in die gleiche Richtung ausgerichtet sind (also um 180 gedreht sind), wird sich schnell wundern, dass da etwas nicht stimmen kann. Stellt die Tafel ein und prüft danach noch einmal gemeinsam, dass sie richtig eingestellt ist, bevor ihr sie öffnet. Und vergesst vor allem nicht die Punkte auf der Vielfaltstabelle jedes Mal nachzuziehen. Später lässt sich das nur noch schwer nachvollziehen. Das sind jedoch sehr wichtige Siegpunkte.

Versucht stets eine gute Balance beim Entdecken der Landschaften zu finden, denn wer die 4 Landschaften sehr ausgewogen aufdeckt, kann schnell mal 3-4 Punkte für eine Landschaft erhalten. Einerseits giert man nach den 4er und 5er – Pflanzenplättchen. Auf der anderen Seite bringen die Garben-Marker-Sets von 1-5 Punkten zusätzliche 10 Punkte. Es lohnt also, auch mal kleine Wahrsagungen zu machen.

Zum Ende des Spiels wird vieles deutlich klarer, denn man weiß immer, welche Landschaften noch übrig sind. Die offen ausliegenden Pflanzenchips mit Werten von 1-5 geben einen Hinweis, wie groß die Landschaft zumindest sein muss und durch die Abstandsregeln von Landschaften und Pflanzen kann man irgendwann bestimmte Konstellationen ausschließen. Die Kombination verschiedener Ausschlüsse ergeben irgendwann auch eindeutige Schlussfolgerungen. Nun muss man nur noch seine Spielfiguren auf die richtigen Felder bekommen, um dann dort die Punkte ergattern zu können.

Der kompetitive Modus funktioniert sehr gut in allen Spielerkonstellationen. Zu Beginn gieren die Spieler vor allem darauf, ausgewogen die Landschaften zu erkunden, um damit möglichst viele Punkte zu erzielen. Wer Wahrsagungen macht, kann zwar ebenfalls viele Punkte machen, bietet aber häufig auch Vorlagen für die anderen Spieler. Im kompetitiven Modus waren noch nicht so viele Felder mit Pflanzen belegt, da der führende Spieler ein Interesse hat das Spiel schnell zu beenden, d.h. das letzte Landschaftsplättchen auf den Spielplan zu bekommen.

Der Solo-Modus funktioniert einwandfrei und ist sehr spannend. In meinem ersten Solo-Spiel konnte ich im einfachen Modus mit nur 5 Punkten Vorsprung gewinnen, was im Fortgeschrittenen Modus wohl schon nicht mehr geklappt hätte und auch hier hatte ich wahrscheinlich recht viel Glück. Wer im Solo-Modus gewinnen möchte, kann dies nur, indem die Landschaftsplättchen punkteträchtiger (ausgewogener) entdeckt werden als beim zufallsgetriebenen Gegner. Wer diese Version allerdings häufig spielen möchte, wir schnell an die Grenze der verfügbaren Szenarien stoßen. Fazit: Der Solo-Modus machte sogar mir, der nicht gerne solo spielt, großen Spaß!

Der Kooperations-Modus ist aus meiner Sicht noch etwas mehr Tricky und wirkt verwaltungstechnisch beim ersten Spiel zumindest total überfrachtet. Hier hatten wir mit den Regelerklärung die meisten Probleme. Wir versuchten unser erstes kooperatives Spiel sofort nach der ersten, verkürzten Partie und hatten den Eindruck, dass man das niemals gewinnen kann. Nach einigen Partien im kompetitiven Modus und im Solo-Spiel, sah es schon etwas anders aus. Die Regeln waren klarer und wir hatten auch eine Strategie, wie man Punkte generieren kann. Manchmal ist es einfach gut und wichtig, wenn der virtuelle Gegner Plättchen aufdeckt, selbst wenn er dadurch Punkte erhält und erst einmal vorne weg prescht. Der Informationsgewinn kann dazu führen, dass man als Team dafür später umso mehr Punkte generieren kann und dann gegen Spielende aufholt. Uns gelang es im einfachen Modus mit etwas Glück und Grübelei sehr knapp zu gewinnen.

Mein Tipp: Fangt mit dem kompetitiven Modus an und lernt das Spiel erst einmal kennen, bevor ihr euch an die Varianten mit virtuellem Gegner herantraut. Um den virtuellen Gegner besser zu verstehen ist die Solo-Version super geeignet. Ggf. kann man auch gemeinsam den Solo-Modus spielen und sich schlicht über die Spielzüge beraten.
In jedem Fall seid zu Beginn nicht übermütig! Startet erst einmal mit der Einsteiger-Version. Sollte das gut klappen, könnt ihr später noch in den mittleren oder schweren Modus wechseln.
Was die Spielzeit anbelangt, sind die angegebenen 60 Minuten m.E. nur in der Kurzversion erreichbar. Man sollte aus meiner Sicht mindestens 90 Minuten einplanen. Wir haben auch schon über 2 Stunden an einer Partie verbracht, die allerdings kurzweilig und spannend verlief.

Mir gefallen alle 3 Modi von Tiwanaku gut, jedoch gefällt mir der kompetitive Modus am besten. In jedem Fall hat mich die Kombinatorik, die doch in Ansätzen an die Minesweeper / Sodoku-Deduktions-Logik erinnert, ausgesprochen gut unterhalten, obwohl ich seit Jahren kein Sudoku mehr gespielt habe. Wer solche logischen Deduktionsspiele mag, in der Lage ist, im Kopf die möglichen Szenarien durchzuspielen und sich durch die etwas holzigen Regeln quälen möchte, sollte auf jeden Fall mal einen Blick darauf wagen.

Rezension Frank Gartner

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.

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H@LL9000-Bewertungen

H@LL9000 Wertung Tiwanaku: 5,5 5,5, 2 Bewertung(en)

Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 08.04.23 von Frank Gartner - Je nach Geschmack Solo, kooperativ oder kompetetiv spielbar! Kein leichter Einstieg, aber hat man die Einstiegshürde überstanden, wird man mit gutem Kombinations / Deduktionsspaß vergleichbar mit Sudoku oder Mindsweeper belohnt.
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 01.07.23 von Roland Winner - Ich bewerte hier das kompetitive Spiel zu zweit. Nach zig Partien auf BGA bin ich absolut BEGEISTERT, wobei mir Tiwanaku nur zu zweit so gut gefällt. Zu dritt/viert habe ich m.E. wenig Chancen, erkannte Punktemöglichkeiten rechtzeitig zu nutzen, sondern mache eher für die anderen Vorlagen. Genaues Studium der vielen Beispiele im Regelheft (sehr klein) hilft, das zugegeben anfangs kompliziert wirkende Einsetzsystem neuer Figuren richtig zu handhaben.

Leserbewertungen

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