Rezension/Kritik - Online seit 06.11.2012. Dieser Artikel wurde 4797 mal aufgerufen.
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Selbst im alten Venedig gab es bereits Flashmobs. Anders ist es nicht zu erklären, dass an jeder Säule im Arkadengang des Palastes entweder ein Siegel oder eine Münze angebracht ist. Das Gute daran ist, dass wir für den gesellschaftlichen Aufstieg unserer Familie genau diese Dinge benötigen. Also schnell unsere Mitglieder quasi als Reinigungskolonne ausgesendet, um die begehrten Teilchen einzusammeln. Dummerweise wollen alle anderen Spieler genau dasselbe.
Zunächst sollte man eine für ein Kartenspiel sehr großzügige Spielfläche einkalkulieren und mittig freihalten. Aus sechzehn Karten wird eine quadratische Auslage mit je fünf Karten pro Seite gebildet, der so genannte Palast. Die Karten müssen dabei einen Abstand zueinander haben, dass in jede Lücke eine weitere Karte gelegt werden kann. Dies kann entweder eine Einflusskarte sein, deren sechs verschiedene Arten offen in der Mitte des Palastes zum Kauferwerb bereit liegen, oder eine Intrigantenkarte, die aus der Hand gespielt wird.
Letztere zeigen Mitglieder verschiedener Familien in unterschiedlicher Wertigkeit. Jeder Mitspieler kontrolliert eine der Familien, jedoch sind zusätzlich Intriganten einer weiteren, spielerunabhängigen Familie mit im Spiel. Alle Intriganten werden gemischt und je Spieler vier Karten verdeckt zugeteilt. Von diesen darf eine ausgesucht und behalten werden, die restlichen wandern im Uhrzeigersinn weiter zum nächsten Spieler. Dieses Procedere wird solange wiederholt, bis nur noch eine Karte weitergegeben wird. Dann hat jeder Spieler seine Handkarten für die laufende Runde beisammen.
Als letzte Startvorbereitung müssen noch aus einem Stoffbeutel zufällig gezogene Siegelplättchen auf die Palastkarten verteilt werden sowie aus dem neben den Einflusskarten mittig platziertem Dukatenvorrat Münzen. Die Verteilung erfolgt in einem strengen Wechselrhythmus, d. h. auf ein Siegel folgt eine Dukate, folgt ein Siegel, folgt eine Dukate und darauf dann wieder ... dürfte klar sein. Die Spieler haben übrigens zu den in fünf Farben erscheinenden Siegeln korrespondierende Zählkarten, die zu Beginn auf 0 stehen, da noch kein Siegel einer Farbe erbeutet wurde.
Reihum wird entweder eine Handkarte in einen noch verfügbaren Zwischenraum der Palastkarten gelegt oder eine Einflusskarte gekauft und mit ihr ebenso verfahren. Darauf wird eine bestimmte Aktion aktiviert, die sich zumeist auf bereits gelegte Intrigantenkarten in unmittelbarer Nachbarschaft beziehen. So können Positionen von bereits gelegten Karten getauscht werden, aber auch Positionen von Siegeln und Dukaten. Darüber hinaus ist es möglich, bestimmte Karten legen zu lassen oder mal ein Siegel oder eine Dukate umzudrehen, die dann in der laufenden Runde nicht mehr gewonnen werden können.
Nachdem alle Zwischenräume belegt sind, wird die Runde ausgewertet. Da alle Karten Wertigkeitspunkte aufgedruckt haben, werden für jede Palastkarte, auf der ein erwerbbares Siegel oder eine Dukate liegt, die Werte der benachbarten Intriganten- oder EInflusskarten verglichen. Ist ein Wert höher als der andere (kann nur bei Intrigantenkarten der Fall sein), erwirbt der Besitzer der Familie die jeweilige Belohnung. Bei Siegelkarten wandert diese direkt in den Stoffbeutel und der Erwerber erhöht auf seiner passenden Zählkarte den Wert. Ist die siegreiche Intrigantenkarte der neutralen Familie zugeordnet, verbleibt die Beute auf der Palastkarte.
Sobald ein Spieler entweder das vierte Siegel einer Farbe erwirbt oder mindestens ein Siegel jeder Farbe ergattern konnte, endet das Spiel. Ist diese Bedingung noch nicht erfüllt, werden genutzte Einflusskarten aus dem Spiel genommen, alle leeren Palastkarten wieder mit Siegeln oder Dukaten bestückt und die Intrigantenkarten neu gemischt und verteilt, wobei die Startspielerpflicht uhrzeigergerecht mitwandert.
Selten hat man sich so geärgert, dass man Startspieler ist. Lediglich bei Einstiegsrunden von Spielen, die keiner der Teilnehmer bisher kennt, tritt man gerne davon zurück, Startspieler zu sein. Sollen die anderen doch erst mal ein paar Fehler machen, bevor man selbst ins Geschehen eingreift. Bei Intrigo ist das gerechterweise automatisch weiterwandernde Startspielerrecht grundsätzlich mehr Last als Vorteil. Denn wenn noch keine Karte gelegt ist, hat man immer das Gefühl, eine Art Vorlage für die Mitspieler zu liefern. Durch die Einflusskarten kann sich natürlich noch einiges an der Auslage ändern, allerdings ist man dann auf entsprechende Geldmittel angewiesen und hier herrscht grundsätzlich Knappheit.
Öffnet man die schlanke Schachtel, fällt einem zunächst ein einen gehörigen Schrecken einjagendes Regelwerk mit einem Umfang von 64 Seiten auf. Nach genauerer Betrachtung des Machwerks stellt man erleichtert fest, dass einen lediglich 10 dieser Seiten interessieren sollten, es sei denn, man möchte das Regelwerk in den insgesamt 6 verschiedenen Sprachen vollständig durcharbeiten. Auf den für die eigene Sprache verfassten Seiten sind jedoch alle Aspekte des Spiels umfassend und reich bebildert (inklusive Startaufstellung) hinlänglich beschrieben. Leider ist die Schachtelgröße nur aufgrund des beigelegten Stoffbeutels und der Regel um ca. 40 % zu groß geraten. Das eigentliche Material hätte auch in einer kleineren Umgebung ausreichenden Stauraum.
Die Spielfläche ist auf jeden Fall großflächig genug zu wählen, die Arkadekarten benötigen in der Auslage mit entsprechenden Lücken für die Intriganten- bzw. Einflusskarten eine Ausdehnung von mindestens 50 cm je Seite, dann sind aber nur noch Millimeterabstände zwischen den Karten insgesamt möglich. Bei bloßer Schätzung der Aussparungen werden locker 60 - 70 cm von einer Seite in Anspruch genommen. Dafür wird man dann mit einer wunderschönen und stimmungsvollen Grafik belohnt. Alle sichtbaren Zeichnungen sind mit sehr vielen Details in prachtvoller Optik ausgestattet, und selbst die Integration der Symbolik auf den Einflusskarten durchbricht diesen Eindruck nicht. Es wird zwar nicht ganz klar, warum alle Intriganten maskiert sind (es handelt sich ja nicht um einen Maskenball und angeblich ist man "im Schutze der Dunkelheit" unterwegs), aber dennoch stimmt die gewählte Darstellung mit dem Thema über- und sehr gut auf dieses ein.
Das nicht neu erfundene Prinzip der Kartenauswahl vor dem Beginn einer Spielrunde passt hier sehr gut und sorgt für größtmögliche Verzweiflung, weil man nur sehr selten seine eigenen Karten zur Verfügung hat, was allerdings bei allen anderen Spielern ebenfalls zu großem Wehklagen führt. Durch die Nutzung der Einflusskarten kann es natürlich geschehen, dass so manche hohe Intrigantenkarte in einer Spielrunde überhaupt keinen Arkadenplatz bekommt, da dieser schlicht und ergreifend nur dann für alle Intriganten ausreichend wäre, wenn niemand eine Einflusskarte spielt. Das wiederum wäre eine grobe Missachtung der hier vorliegenden Spielfeinheiten, denn erst durch diese Karten wird das Spiel richtig turbulent, und es kann sich ergeben, dass scheinbar sicher geglaubte Beute plötzlich in weite Ferne gerückt ist. Durch den offen ausliegenden Spielstand jedes Familienoberhauptes kann im Laufe des Spiels auch durchaus kooperativ gearbeitet werden, schließlich gilt es gegen Spielende immer wieder zu verhindern, dass die führende Familie das letzte noch benötigte Siegel bekommt.
Dies hat den Nachteil, dass je nach Zusammensetzung der Runde unter Umständen etwas zu viel "gequatscht" wird. Soll heißen, Spieler mit einem schnelleren und besseren Überblick über die aktuelle Situation und den Blockademöglichkeiten können dominanterweise den anderen Spielern quasi das Spielen abnehmen, indem sie genau anweisen, wie der führende aufzuhalten ist. Ausgeglichen wird dies aber durch die Tatsache, dass im Extremfall alle Spieler vor der (dann vermutlich) letzten Spielrunde noch auf exakt ein Siegel fixiert sind. Spätestens jetzt verflüchtigen sich sämtliche Kooperationsgedanken, da jede Hilfe ein Spatenstich für das eigene Grab ist. In dieser Phase versuchen nur noch die durchtriebendsten Charaktere, ihre Gegner verbal zu beeinflussen und vielleicht auf eine falsche Fährte zu führen.
Der zeitliche Rahmen, vorgegeben mit 40 Minuten, ist zutreffend und auch passend. In der Regel wird eine dreiviertel Stunde lang intrigiert und nach der unauffälligsten Methode gesucht, an die benötigten Siegpunkte zu kommen. Nicht zu lang, nicht zu kurz für ein Produkt dieser Komplexität. Die recht hoch gewählte Altersangabe von mindestens 13 Jahren ist wohl der Tatsache geschuldet, dass Spieler mit geringerem Alter zumeist die Wirkung und Nutzung der Einflusskarten nicht genau beurteilen können und dadurch oft in gestellte Fallen der erfahreneren Teilnehmer tappen. Strategische Überlegungen haben sowieso nur eine begrenzte Haltbarkeit, oft muss im eigenen Zug situativ überlegt und gehandelt werden. Durch die Verknappung der Auslagemöglichkeiten zum Ende einer Runde wird das Spielgeschehen eher beschleunigt als verlangsamt. Eine von mir sehr geschätzte und als angenehm empfundene Eigenschaft.
Einigen Teilnehmern ist gerade aufgrund der Kartenverteilung zu Beginn der eigene Einfluss zu gering. Sicher, wenn man mehrere Runden hintereinander nicht eine eigene Karte selber platzieren kann, wirkt das schon sehr fremdgesteuert. Da hilft dann nur noch der gezielte Einsatz der Einflusskarten. Da diese aber Geld kosten und natürlich die entsprechenden Plätze noch frei sein müssen, wo sie einem den größten Dienst erweisen, ist auch dieser Part nicht völlig störungsanfällig durchzuspielen. Dennoch haben so gut wie alle Spieler am Ende einen positiven Eindruck mitnehmen können und so will auch ich Autoren, Verlag und Illustratoren gerne bescheinigen, dass ihr Machwerk keineswegs sinnlos Zeit vergeudet, sondern vielmehr bereichert und unterhalten hat. Merci!
Rezension André Beautemps
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
H@LL9000 Wertung Intrigo: 4,0, 3 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
15.07.12 von André Beautemps |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
09.05.11 von Frank Gartner |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
09.05.11 von Bernd Eisenstein |
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