Spielziel
Die Fußball EM 2004 in Portugal steckte voller Überraschungen. Deutschland konnte sich trotz Rudi Völler gegen die starke Konkurrenz nicht durchsetzen, jedoch schaffte es ein deutscher Trainer, Otto Rehagel, gemeinsam mit der griechischen Mannschaft überraschend den Europameister-Titel zu erlangen. Die EM ist vorrüber, aber der eine oder andere Zuschauer, wird sich dennoch nicht satt geschaut haben. Da kommt ein Spiel wie Die wilden Fußball-Kerle wie gerufen, sich die Wartezeit zu verkürzen. Zwei Spieler treten mit Karten gegen einander auf dem Fußballfeld an. Durch klugen Einsatz von Spielern und Aktionen gilt es, in zwei Halbzeiten die Zweikämpfe zu gewinnen, zum Torschuss zu kommen und die meisten Tore zu schießen.
Ablauf
Die Spieler legen das Fußballfeld zwischen sich. Es zeigt für jeden Spieler einen Abwehr- und einen Angriffsbereich sowie das Mittelfeld. Jeder Spieler hat außerdem einen Torwart (Karte), der ausschließlich den Kasten sauber halten soll. Dazu hat man 31 Fußballer- und 33 Aktionskarten. Eine Fußballer-Karte gibt Auskunft über den Namen, den Spielwert sowie die besondere Eigenschaft einer Fußballers. Jeder der 10 verschiedenen Fußballspieler ist dreimal im eigenen Spielerpool vorhanden. Jeder hat einen Wert für die Abwehr, das Mittelfeld und den Angriff. Manche Werte sind für einen Bereich doppelt angegeben. Je nachdem, ob man in Ballbesitz ist, gilt jeweils ein Wert. Jeder Spieler erhält 7 Spieler-Karten auf die Hand.
Das Spiel beginnt mit dem Anstoß. Der wird ausgelost. Wer in Ballbesitz ist, legt einen Spieler neben das Spielfeld. Da man sich nach dem Anstoß im Mittelfeld befindet, gilt der Spielwert für das Mittelfeld. Sein Gegner spielt ebenfalls einen Spieler aus. Es werden die beiden Spielwerte für das Mittelfeld verglichen (Zweikampf). Wer seinen Spieler für den Zweikampf aufwerten will, darf nun noch eine Aktionskarte aufdecken. Der erste (gelbe) Wert dieser Karte wird zu dem Spielwert addiert. Wer den höchsten Wert hat, gewinnt den Zweikampf. Wer den Ball erobert hat, darf man ihn in den nächsten Spielbereich kicken (Fußball-Figur verstellen).
Wer mit dem Ball in den Strafraumbereich des Gegners vorstößt und hier den Zweikampf gewinnt, schießt auf das Tor. Dazu wird eine Aktionskarte aufgedeckt. Sie zeigt den (blauen) Wert für einen Torschuss an. Der gegnerische Torwart dreht ebenfalls eine Aktionskarte um und versucht den Ball mit dem (weißen) Abwehrwert zu fangen. Der höhere Wert gewinnt: Ist es der Angreifer, fällt ein Tor. Ist es der Torwart, geht das Spiel weiter. Ist der Wert, mit dem der Torwart den Ball abwehrte, hoch genug, schlägt er den Ball gleich in den Angriffsbereich des Gegners.
Mancher ausgelegte Spieler hat besondere Eigenschaften, die von bestimmten Spielsituationen ausgelöst werden. So etwa Leon, der mit einem hohen Wert oder aus dem Mittelfeld auf das Tor schießt, sobald er den Zweikampf gewinnt. Die Aktionskarten, die die Zweikampfwerte erhöhen sollen, bergen auch Tücken: Fouls und Gelbe Karten. Bei einem Foul kommt sofort der Gegner in Ballbesitz. Kommt zum Foul auch eine Gelbe Karte, wird auf dem bereit liegenden Spielblatt der Name des Verwarnten notiert. Bei einer zweiten Gelben fliegt dieser Spieler vom Platz.
Wer die Aktionskarten bemüht, um auf das Tor zu schießen, kann statt eines Schusswertes auch daneben oder drüber schießen. Aber es ist auch möglich, dass der Torwart gar nicht zu halten versuchen muss, wenn die Aktionskarte bestimmt, dass der Torschuss erfolgreich ist („Tor“). Auch für den Torwart halten die Aktionskarten Überraschungen bereit: Statt eines Abwehrwertes kann er den Ball gleich abwehren („Gehalten“), muss einen Nachschuss halten („Latte“, „Pfosten“) oder muss ihn durchlassen („Tor“).
Die erste Halbzeit endet, wenn ein Spieler keine Fußballer mehr nachziehen kann. Dann werden alle Karten gemischt und die zweite Halbzeit beginnt. In beiden Halbzeiten werden alle Tore, Torschützen sowie Gelben Karten auf einem Spielberichtsbogen festgehalten. Das ist wichtig, weil manche Aktionen oder Fähigkeiten davon abhängen, ob ein Spieler eine Karte gesehen hat oder seine Mannschaft in Führung oder Rückstand ist. Wer nach der zweiten Halbzeit die meisten Tore geschossen hat, verlässt das Spielfeld als Sieger.
Fazit
Die wilden Fußball-Kerle ist eine durchaus gelungene Simulation eines Fußballspiels. Das Spielgeschehen pendelt zwischen Angriff, Mittelfeld und Abwehr und hängt ganz vom Einsatz der Karten ab. Durch kluge Kartenwahl lässt sich der Glücksanteil im Spiel ein wenig verringern, doch bleibt es der bestimmende Faktor. Die Spielkarten geben alle wichtigen Informationen (Spielwert, besondere Fähigkeit) gut erkennbar wieder. Das Design orientiert sich an der Jugendbuchreihe von Joachim Masannek und Jan Birck. Man muss es deswegen aber nicht mögen.
Doch für den Spielfluss ist das unwichtig. Hier kommt es darauf an, alle Regeln und Bedingungen im Kopf zu haben, soll der Spielfluss nicht durch häufiges Nachlesen unterbrochen werden. Leider ist das Regelwerk nur grafisch ansprechend. Eine gute und durchgängige Strukturierung, die das Auffinden mancher Spielsituationen erleichtert, fehlt. Eher wird man von Text erschlagen, auch wenn der sich in Farbspielereien ergeht. Zudem werden an manchen Stellen fußballerische Fachbegriffe (z.B. „Sturm“) verwendet, die nicht allen bekannt sind. Oder ist das Spiel nur für Fußball-Fans konzipiert?
Schade ist auch, dass weder das Regelheft noch der Block mit den Spielberichtsbögen in die Vertiefung der Schachteleinlage passen. So stehen sie (zusammen mit dem Spielplan) über den Schachtelrand hinaus und verhindern, dass sich die Schachtel wirklich gut schließen lässt. Doch dies ist eine ludophile Nebensächlichkeit, die vielleicht den Ordnungsfreak stört, sich auf den Spielablauf aber nicht auswirkt. So bleibt
Die wilden Fußball-Kerle ein Kartenspiel mit hohem Glücksanteil, das zwei Spielern umso mehr Freude bereitet, je mehr sie von Fußball verstehen, und je mehr Zeit sie sich für das Regelstudium nehmen. Jedoch sollte man sich nicht vornehmen, dieses Spiel mit einem Achtjährigen zu spielen, auch wenn Amigo dieses Spiel ab 8 Jahren freigibt. Jedenfalls haben drei Achtjährige vor dem doch recht komplexen Ablauf frühzeitig die Segel gestrichen.
Rezension Jürgen Henrich
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
Weitere Infos
Die Spieleautoren Thorsten Löpmann und Andi Wetter mussten einige Anläufe starten, bis sie das Fußballspiel bei einem Verlag unter brachten, denn Sportspiele sind in aller Regel keine Selbstläufer. Amigo-Spiele suchte sich jedoch einen sehr geschickten Moment heraus, um das Spiel heraus zu bringen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Bis zum Sommer 2004 wurde Die wilden Fußballkerle über 40.000 mal verkauft.
Wie kommts? Ganz einfach: Die wilden Fußballkerle ist eine erfolgreiche Jugendbuchreihe über eine Kinder-Fußball-Straßenmannschaft. Das Thema wurde in 2003 in einen Film umgesetzt, der im Herbst selbigen Jahres in die Kinos kam. Parallel zum Film kam das Spiel auf den Markt und erfreut sich seit dem einer beachtlichen Beliebtheit. (Frank Gartner)