Rezension/Kritik - Online seit 14.05.2016. Dieser Artikel wurde 8437 mal aufgerufen.

Mafia de Cuba

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Autor: Philippe des Pallières
Loïc Lamy
Illustration: Thomas Vuarchex
Verlag: Asmodee
Lui-même
Rezension: André Beautemps
Spieler: 6 - 12
Dauer: 10 - 20 Minuten
Alter: ab 10 Jahren
Jahr: 2015
Bewertung: 3,5 3,5 H@LL9000
3,7 3,7 Leser
Ranking: Platz 5665
Mafia de Cuba

Spielziel

Jetzt kommst du zu mir ... was habe ich dir getan, dass du mich bittest, einen Bericht über den Verlust meiner Diamanten zu verfassen? Ich war mir damals so sicher, den Verräter in der eigenen Familie ausfindig gemacht zu haben, und dann war es doch nur der Chauffeur! Nicht, dass dieser besonders vertrauenswürdig ist, aber er hat eben keine Diamanten gestohlen. Wie diese anderen dreckigen Diebe, die sich als loyale Familienmitglieder ausgaben ...

Ablauf

Als Familienoberhaupt ist es wichtig, dass man seiner treuen Familie immer wieder zeigt, wie gut und richtig es ist, zur Familie zu gehören. Daher wollte ich bei einem unserer Familientreffen allen Mitgliedern mein Wohlwollen durch die Weitergabe edler Zigarren ausdrücken. Dummerweise habe ich dabei die falsche Kiste erwischt, die mit dem doppelten Boden und einer Anzahl von 10 bis 15 Diamanten drin. Fünf von diesen oder weniger habe ich vorher entnommen, als allerletzte Sicherheit. Je nach Größe der Familie musste ich dafür zu den Diamanten noch Personenchips in die Kiste legen, wobei leider nicht nur treue Familienmitglieder, sondern auch ein oder zwei Schurken in Form von verdeckten Ermittlern dabei waren. Und eben jener verfluchte Chauffeur!

Nach dem Entfernen der Diamanten zu Beginn gab ich die Kiste in die Runde. Jedes Familienmitglied bediente sich aus der Kiste und nahm heimlich entweder einen der Personenchips oder eine beliebige Anzahl Diamanten heraus, je nachdem, was noch drin war, als sie die "Zigarren" erreichten. Wer eine bereits leere Kiste erhielt, tat wenigstens so, als ob er etwas herausnehmen würde.

Am Ende hatte ich die Kiste wieder zurückerhalten und was soll ich sagen: Die Kiste war leer! Da ich so etwas nicht durchgehen lassen kann, will ich mir weiterhin des Respekts meiner Getreuen sicher sein, musste ich also alle Familienmitglieder einer strengen Befragung unterziehen. Das Problem dabei war, dass jeder lügen durfte, egal welche Rolle er sich ausgesucht hatte. Somit verrieten mir Diebe niemals auf direktem Weg, dass sie welche waren. Ich musste durch geschicktes Nachhaken und der Widersprüchlichkeit von Angaben verschiedener Familienmitglieder Rückschlüsse ziehen und dann eine Person aussuchen, deren Tascheninhalt ich kontrollierte. Dabei war meine Familie insgesamt zu klein, um mir Fehlschüsse erlauben zu können. Bei mehr Mitspielern ... pardon, Mitgliedern hätte ich ein oder sogar zwei Fehlversuche frei gehabt.

Bei der ersten Person hatte ich einen Volltreffer gelandet und tatsächlich eine der treulosesten Tomaten und dreckigsten Diebe erwischt. Nun bewohnt diese Person ein eigenes großzügiges Areal von mehreren tausend Quadratkilometern, allerdings in sehr feuchter Umgebung auf dem Meeresgrund des Atlantiks. Doch es gab noch mehr Diebe in der Runde, und ich musste alle finden, damit ich wieder als Pate respektiert wurde und ganz nebenbei das Spiel gewann.

Meine getreuen Gehilfen hatten - weil sie mit mir gewinnen oder verlieren konnten - die Aufgabe, sich möglichst schnell als solche erkennen zu geben und mitzuhelfen, die verbrecherischen Langfinger in der Runde ausfindig zu machen. Der üble Geselle, der sich als Familienmitglied getarnt in Wahrheit als verdeckter Ermittler zu erkennen geben würde, war selbstverständlich auch nicht auf meiner Seite, und ich durfte diesen auf keinen Fall verdächtigten, denn sonst hätte jener Schuft die Runde ganz alleine gewonnen.

Leider hatte ich schon beim zweiten Versuch meinen Chauffeur verdächtigt und damit den Dieben und allen Straßenkindern (das sind diejenigen, die gar nichts aus der Kiste nehmen konnten, weil sie schon leer war) zum Sieg verholfen. Hätte ich eines von den Straßenkindern oder ein loyales Familienmitglied verdächtigt, wäre der Ausgang der gleiche gewesen. Und schließlich (es scheint sich wirklich alles um diese Person zu drehen) hat der Chauffeur nur eines im Sinn: Sein rechter Sitznachbar muss gewinnen, dann gewinnt auch er. Was ich wenigstens als kleinen Trost verhindert hatte. Aber wo sind nur meine Diamanten?

Fazit

Eine mafiöse Familienstruktur benötigt eine starke Hand. Eine Führungsperson. Eine Autorität. Einen Charakter, der die richtigen Fragen an die richtigen Leute stellt und die richtigen Entscheidungen trifft. Ist so eine Persönlichkeit nicht in Sichtweite, wird es schwierig mit der Bildung einer Famiglia. Und auch mit diesem Spiel.

Die Schachtel dient auch in Nichtraucherhaushalten sowohl als dekorative Aufbewahrung für das Spielmaterial als auch als doppelbödige Kiste für den Diamantenklau bzw. die Personenauswahl in der Vorbereitungsphase. Toll gemacht. Auch die Personenchips und die Diamanten sind passend und ausreichend griffig, um gut versteckt der Kiste entnommen zu werden.

Die Spielregel erklärt alle Vorgehensweisen und die Bedeutung der Rollen, die durch die Entnahme aus der Kiste festgelegt werden. Was die Regel nur im eingeschränkten Fall tun kann ist, den Don oder die Donna garantiert auf die anstehende Aufgabe vorzubereiten. Gilt bei vielen Mitspielern übrigens auch in den Einstiegsrunden für die Personenrollen, die auf den Chips zu sehen sind. Trotz klarer Beschreibung des Spielziels sind manche Teilnehmer arg verunsichert, was dies für eine Auswirkung auf ihr Spielverhalten in der Fragerunde haben soll. Insbesondere die Frage nach der Möglichkeit des Lügens wird trotz eindeutiger Regelvorgabe nicht sofort verinnerlicht. Auch die Sinnhaftigkeit des Verschweigens oder gar Verleugnens der Wahrheit wird manchmal erst durch einen Fehler in einer konkreten Fragesituation im Nachhinein verstanden.

Das Spiel befindet sich in einem nicht überbordend besetzten Segment der kommunikativen Großgruppenspiele. Dies ist ein großer Vorteil, wenn viele Spieleinteressierte zusammenkommen und gerne auch einmal in größerer Runde etwas gemeinsam spielen möchten. Bei diversen Wochenendseminaren wurde das Spiel sofort mit Freuden in Beschlag genommen, und es fanden sich immer reichlich freiwillige Testkandidaten.

Wurde diesen Mafia de Cuba zunächst zur selbstverantwortlichen Erarbeitung und Nutzung überlassen, hing es vollständig davon ab, ob mindestens eine extrovertierte Person der Runde beiwohnte, damit das Spiel überhaupt ausprobiert wurde. War dies nicht der Fall, wäre das Spiel ohne beherzten Eingreifens von dritter Stelle niemals auf den Tisch gekommen. Was sehr schade ist.

Das Spiel funktioniert nämlich in allen Besetzungen sehr gut und macht Spaß. Durch geschickte Deduktion und dem Herausfinden widersprüchlicher Aussagen über den Inhalt der Kiste gelingt es tatsächlich dem Don in den allermeisten Fällen, mindestens auf eine 50:50-Abwägung zwischen zwei Mitspielern zu kommen, um einen davon als Dieb entlarven zu können. Viel hängt davon ab, welches schauspielerisches und psychologisches Talent die Mitspieler der weiteren Rollen einfließen lassen. Gute Agenten haben gute Chancen, durch geschickte Falschaussagen und nicht zu offensichtlicher Verdachtsmomentlenkung auf sich selbst als potenzieller Dieb verdächtigt zu werden.

Am interessantesten sind die Partien, in denen auch die Gehilfen des Dons sich intensiv in die Überlegungen einschalten, wer noch ein Dieb sein könnte. Natürlich nur, wenn mindestens einer der Diebe ebenso tatkräftig bei den Anstrengungen der "Getreuen" mitmischt. Gerne auch ein Straßenkind, welches häufiger in größeren Spielrunden auftritt als in den Minimalbesetzungen.

Ein wenig abseits des Hauptgeschehens befindet sich die im Grundspiel integrierte Rolle des Chauffeurs. Was soll die Person im Rahmen aufkommender Diskussionen beitragen? Höchstens wenn seine Schutzperson in Verdacht gerät, kann er Partei ergreifen und dies kann den Verdacht nur selten auflösen, sofern die Person selbst als Chauffeur identifiziert wird. Diese Rolle fällt somit etwas aus dem Rahmen und wurde auch eindeutig zur unpopulärsten des Spiels gewählt.

Schön ist es aber, jede noch so kleine Gelegenheit mitzunehmen um herauszufinden, wer wer ist und durch welche Rückschlüsse man zu seinen Ergebnissen kommt. Der vorletzte Spieler der Reihe hat zum Beispiel oft genaues Wissen darüber, welche Rolle der in der Reihe als letzter sitzende Mitspieler einnimmt. Der erste Empfänger der Kiste wiederum weiß genau, wie viele Diamanten der Don vor der Verteilung entfernt hat.

Es kommt also nur darauf an, die leider sehr hohe Einstiegshürde in das Spiel überwunden zu bekommen und langsam, aber sicher ein Gefühl für die Rolle des Don und aller anderen Beteiligten zu bekommen. Die Altersangabe von mindestens 10 Jahren ist daher sehr optimistisch gesetzt. Ein paar Jährchen mehr dürfen gerne auf dem Buckel sein, wobei natürlich pfiffiger Nachwuchs durchaus in der Lage ist, schon sehr durchtrieben eine Rolleninterpretation abzuliefern. Für die eindeutig im Vordergrund und sehr dominante Rolle des Don dürfte es aber bei den allermeisten Nachwuchstalenten noch nicht reichen.

Eine Partie ist in der Tat flott gespielt. Wobei die Zeitdauer in enger Verbindung zur Gruppengröße mit ansteigender Mitspielerzahl wächst. Das ist logisch und nachvollziehbar. In der größten Runde, die ein Dutzend Personen umfasst, beträgt die Spieldauer schon mal bis zu einer halben Stunde. Sie liegt damit deutlich über dem angekündigten Bedarf, das Spielgeschehen trägt locker den Spannungsbogen bis zum verspäteten Ende mit. Hier gilt wie bei einer wirklich guten Fernsehübertragung: Die Überziehung verzeiht jeder.

Wer die Gelegenheit hat, sollte Mafia de Cuba einmal ausprobieren. Wenn man sich nicht selbst zutraut, zu Beginn die Rolle des Don einzunehmen, empfehle ich die Überlegung, ob man nicht jemanden persönlich kennt, der diese Aufgabe übernimmt und sucht sich diese und weitere spielwillige Personen. Es ist möglich, dass nach dem Kennenlernen nahezu echte Streits darüber entstehen, wer das nächste Familienoberhaupt ist. Pferdeköpfe kamen dabei bisher nicht zum Einsatz.

Rezension André Beautemps

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.

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H@LL9000-Bewertungen

H@LL9000 Wertung Mafia de Cuba: 3,5 3,5, 4 Bewertung(en)

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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 22.02.16 von André Beautemps - Voraussetzung: Mindestens ein starker Charakter, der sich die Rolle des Don zutraut.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 16.10.15 von Michael Kahrmann - Super unterhaltsam. In der richtigen Runde ein riesiger Spaß!
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 15.11.15 von Frank Lehmann
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 09.01.20 von Monika Harke - Ich frage mich immer, wo sich der Spielspaß versteckt hat.

Leserbewertungen

Leserwertung Mafia de Cuba: 3,7 3.7, 3 Bewertung(en)

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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 16.10.15 von Florian Hullmann - Was für eine phantastische Neuinterpretation des alten Werwolf-Prinzips. Ein stimmiges Thema trifft auf eine hervorragene Umsetzung im Material. Natürlich, wie immer bei einem solchen Spieltypus: Die Runde muß passen und sich auf das Spiel einlassen. Dann ist beste Stimmung garantiert.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 14.05.16 von Merkator - Nein, nein und nochmals nein: Es ist kein Ersatz für Werwölfe und kommt auch bei weitem nicht heran. Ich habe drei Partien gespielt, eine war Okay, zweimal war es öde. Mehr als großzügige 3 Punkte kann es dafür leider nicht geben.
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 26.05.16 von Horst Heller - Leider sehr langweilig für alle, die gerade nicht Teil der Befragungen sind. Macht definitiv nicht viel Lust auf weitere Partien!

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