Rezension/Kritik - Online seit 08.04.2025. Dieser Artikel wurde 737 mal aufgerufen.

Décorum

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Verlag: Floodgate Games
Broadway Toys LTD
Skellig Games
Rezension: Franky Bayer
Spieler: 2 - 4
Dauer: 30 - 45 Minuten
Alter: ab 13 Jahren
Jahr: 2022
Bewertung: 4,0 4,0 H@LL9000
Ranking: Platz 3766
Décorum
Erweiterungen/Hauptspiel:Décorum: Movin´ Out
Auszeichnungen:2022, Golden Geek Bestes kooperatives Spiel Nominierung

Spielziel

Der Mensch ist ein Herdentier, sagt man. Kaum zu glauben, denn wir betrachten uns doch alle als Individualisten, mit unseren eigenen Interessen und Idealen. Unseren Eigenheiten, Charakteren und Macken. Wenn wir dann doch - meist zwangsläufig - zusammenleben müssen, etwa in einer Wohngemeinschaft, kommt es oft zu Konflikten, weil unsere Vorstellungen diametral zueinander verlaufen. Wollen wir die friedliche Kohabitation nicht gefährden, müssen wir dann halt unser Ego etwas zurückstecken, Kompromisse eingehen und auch auf die Wünsche der Anderen eingehen.

Damit sind wir schon mitten im Spiel Décorum, bei dem wir bewusst in solch eine heikle Situation versetzt werden. Wir müssen unser Haus einrichten, wobei wir gleichzeitig unsere eigenen Interessen durchsetzen, als auch jene unserer Mitbewohner beachten müssen.

Ablauf

Die Situation sieht folgendermaßen aus: Unser Haus besteht aus vier Zimmern, nämlich einem Wohnzimmer und einer Küche im Erdgeschoss, sowie einem Schlafzimmer und einem Bad im 1. Stock. Eine Aufbaukarte für das anfangs gewählte Szenario gibt vor, in welcher Wandfarbe (rot, gelb, grün oder blau) jeder Raum gestrichen ist, und welche Gegenstände (Bilder, Lampen und Kuriositäten) sich in welcher Farbe und in welchem Stil (modern, antik, retro oder selten) sich bereits in welchen Zimmern befinden.

Logischerweise passt uns da einiges nicht. Verdeckt zugeteilte Bedingungskarten zeigen uns an, was uns stört und was wir unbedingt haben wollen. Diese geben uns beispielsweise an, dass im oberen Stock keine Lampe sein darf, dass in der Küche unbedingt ein antikes Objekt stehen muss, dass die beiden Räume im Erdgeschoss nur in "warmen" Farben (rot oder gelb) gestrichen sein dürfen, dass im ganzen Haus mindestens zwei Bilder hängen müssen, und und und.....

Dummerweise decken sich unsere Ansprüche nicht oder nur teilweise, noch lästiger ist, dass wir nur unsere eigenen Bedingungen kennen, die unserer Mitbewohner aber (anfangs) überhaupt nicht. Es ist auch absolut verboten, über die Details der eigenen Bedingungskarten zu sprechen.

Eine Partie geht über mehrere Runden, in denen wir nacheinander an der Reihe sind. Unser Spielzug besteht aus drei Phasen:

1. Aktion
Wir führen eine einzige Veränderung im Haus durch. Wir können etwa ein Objekt aus dem Vorrat auf ein leeres entsprechendes Feld platzieren, ein Objekt entfernen, ein Objekt gegen eines desselben Typs im Vorrat tauschen (nicht allerdings zwischen zwei Zimmern) oder eine Wand streichen. Nur wenn wir mit dem aktuellen Zustand zufrieden sind, können wir passen.

2. Zufriedenheits-Check
Sind nach unserer Aktion alle Bedingungen unserer eigenen Karte erfüllt, können wir unseren Mitspielern mitteilen, dass wir zufrieden sind. Können diese das aus ihrer Sicht ebenfalls bestätigen, haben wir die Partie gewonnen.

3. Kommentare
Anderenfalls reagieren die Mitbewohner auf die Veränderung mit einem positiven, negativen oder neutralen Kommentar. zum Beispiel mit "Ich liebe es", "Ich hasse es" oder "Okay, mir egal".

Haben wir alle unseren Spielzug ausgeführt, wird abschließend der Rundenmarker um 1 Feld vorgerückt. In regelmäßigen Abständen (alle 5 Runden) findet daraufhin eine Hausbesprechung statt, bei der jeder von uns bekannt gibt, wie er sich momentan in Bezug zu dem Haus fühlt. Außerdem wählt jeder eine seiner Bedingungskarten, um sie mit einem anderen Spieler zu teilen.

Wir haben gemeinsam gewonnen, wenn wir irgendwann allesamt zufrieden sind, weil wir alle unsere Bedingungskarten erfüllen konnten. Gelingt uns dies bis zum Ende der 30. und letzten Runde nicht, haben wir hingegen als WG versagt und demnach verloren.

Fazit

In den letzten Jahren ist eine ganz neue Art des kooperativen Spiels entstanden. Die Informationen zum Lösen eines Problems oder zur Gestaltung eines gemeinsamen "Projekts" sind unter den Spielern verteilt, aber es besteht Kommunikationsverbot oder stark eingeschränkte Kommunikation. So müssen die Spieler alleine durch ihre Aktionen Hinweise auf ihre Informationen, auf ihre Gegebenheiten liefern. Einige Beispiele für dieses neue Spielegenre sind Ritual, The Gang, Tower Brix oder Romeo & Julia.

Der Vorteil der verdeckten Informationen liegt auf der Hand: Die Problematik eines dominanten "Alpha-Tiers", eines Spielers, der die Kontrolle des ganzen Spieles an sich reisst und die anderen herumkommandiert, was sie am besten zu tun hätten, fällt dadurch völlig weg. Allerdings hat die Sache auch einen Haken, denn nicht alle fassen das Kommunikationsverbot gleich streng auf. Mit unerlaubten Kommentaren, Gesten und verräterischen Mienen geben sie mehr preis als vorgesehen. Es liegt an der Eigenverantwortung der Gruppe, inwieweit sie dies zulassen und sich damit der Herausforderung berauben.

Der Streitpunkt in Décorum ist die Einrichtung des gemeinsamen Wohnhauses. Jeder Spieler verfügt über andere Bedingungen, und im Laufe des Spiels muss das Haus so ausgestattet werden, dass jeder zufrieden ist, also seine Wunschobjekte in den richtigen Zimmern stehen, die Wände nach seinen Vorstellungen gestrichen sind und seine "No Go's" aus der Welt geschaffen wurden.

Für jedes Szenario werden andere Bedingungskarten verwendet. Je nachdem, welche Bedingungen verlangt werden, gibt es unterschiedliche Schwierigkeitsstufen. In den ersten Szenarien sind die einzelnen Parameter so gewählt, dass weniger Konfliktpotential besteht, es also mehrere Lösungswege gibt, mehrere Konstellationen richtig sein können. Die schwierigeren Aufgaben hingegen sind so konzipiert, dass es meist nur eine einzige Möglichkeit gibt, die von den Spielern herausgefunden werden muss.

Die drei unterschiedlichen Objekte gibt es zwar in vier verschiedenen Farben und in vier verschiedenen Stilen. Laut Adam Riese ergäbe dies 48 unterschiedliche Kombinationen. Allerdings existieren nicht alle Permutationen, sondern bloß deren 12. Jeden Gegenstand finden wir in jeder Farbe und in jeder Stilrichtung bloß ein einziges Mal, jedoch nie in der gleichen Zusammensetzung.

Während einer Partie verlangt Décorum doch einiges von den Spielern ab. So brauchen sie einerseits ein hohes Maß an Aufmerksamkeit, um feststellen zu können, welche Sachen die Mitspieler haben wollen und welche sie ablehnen. Andererseits erfordert es logisches Denken, um herauszufinden, wie sich die Wünsche der anderen mit den eigenen Vorstellungen in Einklang bringen lassen. Und schließlich ist auch eine gewisse geistige Flexibilität gefragt, um nicht stur auf denselben Standpunkten zu beharren, sondern kreativ nach Alternativlösungen zu suchen.

Ein wichtiges Instrument dazu bilden die Hausbesprechungen. Klug eingesetzt können mit ihnen Mitspieler auf die richtige Fährte gebracht und eventuelle Denkblockaden gelöst werden. Durch die Weitergabe eigener Informationen können auch besonders kritische oder stark umkämpfte Positionen klargestellt werden. Oft helfen Hausbesprechungen auf diese Weise, Lösungen zu finden.

Zur Spielerzahl: Seltsamerweise wird in der Spielanleitung zuerst ausführlich das 2-Personen-Spiel beschrieben. Erst im Anschluss werden die Änderungen für drei oder vier Spieler erläutert, für die es einen eigenen Kartensatz und spezielle Szenarien gibt. Es hat den Anschein, als wäre Décorum ursprünglich nur für 2 Personen konzipiert worden. Es funktioniert aber genauso gut als Mehrpersonenspiel, wobei in Spielen zu dritt die Bedingungskarten eines vierten Spielers gleichmäßig an die Spieler verteilt werden.

Das Spielgefühl ist zugegebenermaßen etwas ungewohnt. Nicht jeder kommt zurecht mit diesem Wechselspiel aus Durchsetzen der eigenen Interessen und Zurückstecken zum Wohle der Gemeinschaft. Nicht umsonst bezeichnet es der Untertitel als "ein Spiel über passiv-aggressives Zusammenleben". Dafür ist es belohnend und ebenfalls befriedigend, wenn man draufkommt, was die anderen beabsichtigen und gemeinsam eine passende Lösung findet. In höheren Schwierigkeitsstufen kann es mitunter aber auch frustrierend sein, wenn durch ständiges Hin- und Herräumen von Objekten das eigentliche Ziel verfehlt wird.

Ich kann Décorum deshalb - auch wenn es mir persönlich recht gut gefällt - keine uneingeschränkte Empfehlung aussprechen. Es müsste vielmehr jeder Spieler im Rahmen einer Testpartie für sich selbst herausfinden, ob ihm diese Art von Spiel zusagt oder nicht.

Rezension Franky Bayer

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.

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H@LL9000-Bewertungen

H@LL9000 Wertung Décorum: 4,0 4,0, 1 Bewertung(en)

Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 20.01.25 von Franky Bayer - Décorum ist ein Spiel um passiv-aggressives Zusammenleben, das heißt die Spieler müssen eine Wohnung gemeinsam einrichten und zu diesem Zweck die geheimen Vorlieben und Ablehnungen ihrer Mitbewohner herausfinden. Ungewöhnlich, aber gut.

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