Rezension/Kritik - Online seit 29.03.2023. Dieser Artikel wurde 1268 mal aufgerufen.

Precognition

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Autor: Julien Prothière
Verlag: Ludonaute
Rezension: Frank Gartner
Spieler: 2 - 4
Dauer: 60 Minuten
Alter: ab 12 Jahren
Jahr: 2022
Bewertung: 3,5 3,5 H@LL9000
Ranking: Platz 4735
Precognition

Spielziel

Die Welt ist verseucht, die Menschheit zum Großteil ausgerottet oder krank. Ihr seid die sogenannten Ymunen, habt gelernt mit der Seuche zu leben und wollt den übrig gebliebenen Menschen helfen und diese heilen. Mit Booten fahrt ihr den Fluss hinab, sammelt so viel Menschen wie möglich ein und versucht diese zu heilen. Auf diesem Weg wertet ihr euer Schiff auf und natürlich sammelt Ihr Nahrung, um die Ernährung der Menschen sicher zu stellen. Um dies zu bewerkstelligen hilft euch auch die sogenannte „die Gabe der Vorahnung“, ein „einzigartiger Kartenmechanismus“, mit welchem der Spieleverlag wirbt. Ist das so? Schauen wir´s uns an!

Ablauf

Das Hauptziel des Spiels ist es Menschen (blaue Figuren) ins Schiff zu bekommen und zu heilen. Gesunde Menschen werden benötigt um die Kartenaktionen zu aktivieren. Da diese Menschen beim Aktivieren wieder krank werden, ebenso wie die frisch eingesammelten Menschen, müssen sie zuerst geheilt werden. Hier kommen die Ymunen (grüne Figuren) ins Spiel. Jeder Ymune in der Krankenstation kann pro Spielrunde einen kranken Menschen heilen. Demnach sollte die Anzahl der Ymunen in der Krankenstation in einem ausgewogenen Verhältnis zu den Menschen befinden. Wer seine Ymune stattdessen im Bug platziert, kann sich mit diesen gegen unliebsame Attacken schützen.

Das über 3 Jahreszeiten mit je 4 Spielrunden laufende Spiel erfordert zum Ende einer Jahreszeit jeweils die Ernährung aller gesunden Menschen. Hierzu ist Nahrung (gelb) erforderlich. Um den Upgrade-Prozess des Schiffs zu beschleunigen verfügt das Schiff über einen Maschinenbereich, der mit Batterien (rot) aufgewertet werden kann.

Der Motor des Spiel sind die Spielkarten. Genau die 4 Grund-Elemente (Menschen, Ymune, Nahrung und Batterien) finden sich auch auf diesen Spielkarten wieder. Das führt uns direkt zum „Dual-Select-System“.
Die Aktionen der nun folgende Beschreibung erfolgen gleichzeitig, d.h. in der Entscheidungsphase entscheiden sich alle Spieler parallel, was sie mit ihren Karten machen wollen.

  1. Vor jedem Spieler liegen 2 Karten, welche in der Vorrunde vom linken Mitspieler zugeschoben wurden. Eine der beiden Karten bekommt der linke Spieler zum Einsatz in dieser Spielrunde zurück geschoben.
  2. Aus der verbleibenden einen offen ausliegenden Karte sowie 2 vom eigenen Stapel gezogenen Karten darf man sich nun eine Karte aussuchen, die man diese Runde spielen möchte.
  3. Die verbleibenden 2 Karten schiebt man zum rechten Mitspieler und bieten die offene Auslage der Folgerunde.

Haben das alle Spieler gleichzeitig durchgeführt haben sie nun 4 Karten vor sich liegen:

a) 2 Karten vom linken Mitspieler, die erst in der nächsten Runde bei Schritt 1 genutzt werden
b) 2 Karten, die nun in der Aktionsphase gespielt werden können: Eine davon kam vom rechten Mitspieler und eine hat man selbst rausgesucht.

Um Karten zu aktivieren, muss die auf den Karten aufgedruckte Anzahl gesunder Menschen vom gesunden Bereich in den Krankenbereich geschoben werden. Nutzt man nur eine der beiden Karten, werden keine Menschen krank, es führt aber auch zu weniger Effizienz. Wer zwei gleichfarbige Karten nutzt, kann zusätzlich die Sonderfunktionen dieser Karten nutzen und erhält dadurch zusätzliche Ressourcen.
Wenn man zwei unterschiedliche Farbkarten gewählt hat, kann man stattdessen gewisse Bereiche aus dem Maschinenraum nutzen, sofern dieser Bereich schon mit Batterien aktiviert wurde.

Nachdem alle Spieler ihre Karten aktiviert und dadurch entweder Ymunen, Menschen, Nahrungsmittel oder Batterien erhalten haben, werden je nach Anzahl von eigenen Ymunen in der Krankenstation Menschen vom Krankenbereich in den Gesundbereich geschoben. Diese sind für die Folgerunden wieder einsatzfähig. Weiterhin wird geprüft, ob durch gewisse Karten der Gefahrenmarker nach oben gegangen ist. Da durch diesen Gefahrenmarker Menschen sterben, kann man durch Abgabe von weiteren Ymunen im Bug-Bereich den Gefahrenlevel wieder senken.
Zu guter Letzt fährt das Schiff auf dem Fluss ein Feld weiter und die Flusskarte wird umgedreht. In der ersten Jahreszeit bekommt man noch zusätzlich einen Bonus, in den beiden anderen Jahreszeiten hingegen muss man etwas abgeben. Wer das nicht möchte, kann alternativ einen Ymune aus dem Bug-Bereich abgeben.

Nach 4 Spielrunden endet eine Jahreszeit. Nun müssen alle gesunden Menschen ernährt werden und entsprechend viel Nahrung abgegeben werden. Wer nicht ausreichend Nahrung gesammelt hat verliert entsprechend viele Menschen.

Das Spiel endet, sobald die 3. Jahreszeit beendet wurde, d.h. 12 Spielrunden absolviert wurden.

Nun hängt es davon ab, welcher Spielmodus gewählt wurde:

  1. Kompetitiver Modus: Der Spieler mit den meisten gesunden Menschen gewinnt das Spiel.
  2. Team-Modus: Hier sitzen die Spielpartner jeweils nebeneinander, so dass jeder Spiele jeweils an einer Seite einen Team-Partner oder einen Gegner sitzen hat (nur mit 4 Spielern möglich). Hier hat das Team gewonnen, welches gemeinsam die meisten Menschen eingesammelt und geheilt hat.
  3. Kooperations-Modus: Hier gewinnt man nur zusammen. Dieser Modus unterscheidet sich dahingehend, dass es zusätzlich in jeder Jahreszeit zufällig gezogene Ziele zu erfüllen gibt. Es gibt Ziele, die jeder Spieler schaffen muss (Team-Ziele) und es gibt Ziele die zumindest 1 Spieler schaffen muss. Sollte zum Jahreszeit-Ende eine der Bedingungen nicht erfüllt werden, haben alle sofort verloren. Die Ziele sind zu Spielbeginn zudem verdeckt und man muss investieren, um die Ziele zu erfahren und durch weitere Investition von Ressourcen kann man zudem den Zielwert ein wenig mildern.

Fazit

Material und Optik: Wir sind also mit Booten auf einem Fluss unterwegs. Um ehrlich zu sein. Das Design erinnert schon stark an Raumschiffe, weniger an Boote. Alles wirkt sehr nach Science Fiction. Die Ymunen sehen eher bedrohlich als Menschenfreundlich aus. Der Spielbereich ist halbwegs übersichtlich und vor allem variabel. Auch die Spielkarten selbst sind gut erkennbar. Den wirklichen optischen Mangel sehe ich bei den Zielplättchen für die Kooperations-Variante. Hier hatten wir es mehrfach, dass Phase 1 mit Phase 3 von Spielern verwechselt wurden. Wenn das nur 1 mal passiert wäre, dann kann das mal passieren. Wenn es jedoch mehrfach passiert und bei unterschiedlichen Spielern, dann möchte ich diesen Spielern nicht mehr anlasten. Man merkt den Fehler jedoch spätestens, wenn das erste Ziel aufgedeckt wird und unmöglich schaffbare Ziele zum Vorschein kommen. Hier wäre eine bessere optische Abgrenzung notwendig gewesen.

Spielregel: Im Grunde sind alle Informationen und Beispiele vorhanden. Es gibt auch Kurzspielregeln in optischer Form, welche den Ablauf noch einmal darstellen. Warum die Sequenz in der Spielregel und in der Kurzübersicht unterschiedlich ist, entzieht sich jedoch meiner Kenntnis. Wir haben immer die Sequenz der Kurzübersicht verwendet.
Das Spiel verfügt über eine gewisse Fehleranfälligkeit. Da der Spieleinstieg des neuen Kartenspielmechanismus nicht zu 100% intuitiv ist, kann es schon mal passieren, dass ein Einsteiger versehentlich eine Karte aus der Hand an den linken Spieler weitergibt.
Eine etwas bessere Strukturierung der Regel und einige weitere Übersichten hätten dem Spiel gut getan und geholfen zum Spieleinstieg weniger Fehler zu machen. Zumindest zu Beginn kann ich nur empfehlen, dass man auch die Aktionen gemeinsam nacheinander auswertet. Das hilft auch ein wenig die Geschehnisse der anderen Spieler besser zu verstehen und darauf in den Folgerunden mit den eigenen Karten zu reagieren.

Der „einzigartige“ Spielmechanismus genannt „Dual-Select-System“: Ja, er ist in der Tat neu. Es braucht ein paar Runden, bis er in Fleisch und Blut übergeht. Je nach Spielmodus (Gegeneinander, Team, Koop) ist die angepriesene Vorhersehbarkeit allerdings unterschiedlich hoch:

Im kompetitiven Modus sind einem die Mitspieler natürlich nicht positiv gesonnen. Man kann versuchen eine relativ attraktive Karte nach rechts zu schieben, so dass die andere Karte zurück geschoben wird. Da man selbst noch nicht weiß, welche Karten man in der Folgerunde nachziehen wird und welche Karten der rechts sitzende Spieler ziehen wird, kann man das nur in Grenzen planen. Wenn der rechte Spieler eine brauchbare Karte auf die Hand bekommt, kann es gut sein, dass er dir dann die doofe Karte zurück schiebt und die für dich gute Karte noch eine Runde weiter schiebt. Folglich ist es grundsätzlich besser 2 Karten zu draften, die man beide gute gebrauchen kann. In der Folgerunde sucht man sich dann selbst eine Karte aus, die möglichst gut zu beiden Karten passen könnte.
Es ist ohnehin fast unmöglich das eigene Schiff zu optimieren und gleichermaßen die Strategie vom linken und dem rechten Mitspieler zu verstehen und dementsprechend die Karten zu wählen. Wenn Endlosgrübler diesen Anspruch entwickeln sollten, würde es die Spieldauer sprengen. Zum Glück hatte ich nie einen Mitspieler dieser Spezies in meiner Spielrunde.
Der Hauptfokus dieser Variante liegt auf dem Aufbau möglichst vieler gesunder Menschen, wobei diese natürlich regelmäßig ernährt werden müssen und das geht auch nur, wenn man ausreichend Ymunen und Maschinenraum-Ausbau vorweisen kann. Dennoch ist die Siegstrategie bei allen Spielern symmetrisch und der Spielverlauf tendenziell monoton. Mehr Variabilität kann man hier nur durch die Expertenmodi bekommen wofür man aber schon ein ausgesprochener Fan sein muss.

Im kooperativen Modus hat die „Vorhersehbarkeit“ eine ganz andere Gewichtung, denn hier spricht man sich miteinander ab. Wer hat Ressourcen übrig, um die Zielplättchen öffentlich zu machen, wer möchte die Zielplättchen ggf. durch die Opferung von Ressourcen mildern und wer hat die besten Voraussetzungen die Ziele zu erfüllen, die nur ein Spieler erfüllen muss. Dementsprechend versucht man den entsprechenden Spielern die richtigen Karten zukommen zu lassen. Die Siegstrategie erfordert somit eine asymmetrische Entwicklung der jeweiligen Schiffe und viel Kommunikation zwischen den Spielern. Das funktioniert erfahrungsgemäß recht gut. Die Ziele der ersten beiden Jahreszeiten sind hierbei noch relativ gut zu bewerkstelligen, in der letzten hingegen wird dann schon relativ tricky. Bei unserer ersten Partie scheiterten wir genau ein Feld vor Spielende… lauter Aufschrei!! 😊 Und sollte es einem extrem gut eingespielten Team zu einfach sein - es gibt ausreichend Möglichkeiten den Schwierigkeitsgrad zu variieren.

Der Team-Modus ist ein Hybrid aus den beiden anderen Versionen. Da die Teams jeweils nebeneinander sitzen, hat man immer einen Mit- und einen Gegenspieler neben sich sitzen. Die Zielstellung ist zwar identisch mit dem kompetitiven Modus, d.h. möglichst viele gesunde Menschen auf das eigene Schiff zu bekommen, allerdings versucht man mit dem Mitspieler möglichst optimal die Karten auszutauschen. Das ist dahingehend spannend, weil ein lautes Kommunizieren auch vom anderen Team gehört wird und ggf. eine Reaktion hervorruft.

Hohe Variabilität: Precognition bietet nicht nur 3 verschiedene Spielmodi, sondern auch weitere Variabilität durch andere Maschinenräume, welche andere Engines bieten und damit zusätzliche Komplexität ins Spiel bringen. Man sollte jedoch nicht die ersten Spielversuche gleich damit starten. Der Grundmechanismus ist ausreichend gewöhnungsbedürftig, so dass man erstmal mit den Basis-Regeln beginnen sollte. Hinzu kommt, dass man den Schwierigkeitsgrad variieren kann. So kann man das Spiel auf den eigenen Geschmack und Spiel-Level anpassen.

Obwohl alle Spieler permanent in das Spielgeschehen eingebunden sind, kann die Spieldauer über 12 Spielrunden schon mal lange wirken, wenn man nacheinander die Aktionen durchzugeht. Dennoch empfehle ich - speziell zu Beginn - nacheinander und gemeinsam auszuwerten, um mögliche Fehler zu vermeiden und auch mehr von den Aktivitäten der anderen Spieler mitzubekommen. Deutlich schneller geht es dann, wenn alle Spieler parallel auch ihre Aktionen ausführen. Das hat jedoch den Nachteil, dass man nur noch begrenzt mitbekommt, was die anderen Spieler tun und dann wird es auch schwierig zu entscheiden, welche Karten man nach links oder rechts schieben soll. Lediglich im kooperativen Modus kann das gut funktionieren, wenn man sich in der Entscheidungsphase gut abstimmt.

Precognition ist ein schwieriger Fall: Es ist ein außergewöhnliches aber auch gewöhnungsbedürftiges Spiel, welches bei der ein oder anderen Spielrunde eher eine Anmutung von Arbeit generierte und aufgrund dessen kein Interesse an weiteren Partien zur Folge hatte. Ich hatte jedoch auch Runden, die sich dieser Herausforderung hingaben und mit einem sehr positiven Gefühl aus der Partie gingen. Das Spiel spaltet somit die Spielerwelt, wobei der Anteil der Spieler mit positiven Feedback in der Minderheit war.

Ich bevorzuge eindeutig den kooperativen Modus: Er ist deutlich kommunikativer und durch die Zielkarten vielschichtiger (anders gesagt: weniger monoton), er spielt sich flüssiger, da man mit erfahrenen Spielern in der Aktionsphase parallel agieren kann und nur hier entfaltet das „Dual Select-System“ seine wirkliche Wirkung.

Ich gehe davon aus, dass Precognition seinen Fan-Kreis finden wird, jedoch wird das wohl eher eine kleine Gruppe sein. Demnach bin ich gespannt, ob das System, das inhaltlich nach Erweiterungen schreit, ausreichend Nachfrage generiert, um einen solchen Anlauf zu rechtfertigen.

Rezension Frank Gartner

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.

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H@LL9000-Bewertungen

H@LL9000 Wertung Precognition: 3,5 3,5, 2 Bewertung(en)

Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 05.02.23 von Frank Gartner - Mir gefällt es am Besten als Kooperations-Spiel.
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 24.12.22 von Michael Andersch - Ein irgendwie seltsames Spiel. Seltsames Thema, seltsamer Mechanismus (der gefühlt verkrapft versucht, neuartig zu sein) der mit viel Regelwust eine Planbarkeit suggeriert, die m.E. nicht vorhanden ist. Man macht im Grunde 12 Runden lang das Gleiche, es gibt kaum einen übergeordneten Spannungsbogen und nicht wirklich Interaktion. Ich fühlte mich gespielt.

Leserbewertungen

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