Spielerei-Rezension
Spielerei Frühjahr 2006:
Was der Pizza-Express in Braunschweig ist, entspricht dem Sushi-Express in München, der schon seit zehn Jahren auf dem Markt ist. "So schmeckt Japan", ist der Werbespruch für die exquisiten Sushi-Variationen, die die Käufer in attraktiven Verpackungen mit japanischen Holzstäbchen erhalten. Auch der Spielemarkt geht mit der Zeit, der Pizza-Flitzer von Kosmos ist schon seit Anfang des Jahres unterwegs, nun wird er verfolgt vom Sushi Express von ABACUSSPIELE.
Der Verlag aus Dreieich liefert zwar keine Stäbchen mit, aber eine mittelgroße stabile Verpackung, die, satirisch verfremdet, Spielvergnügen verheißt. Michael Schacht, der Autor, lädt uns nicht an die Sushi-Bar ein, worüber ich ganz froh bin, die gesäuerten mit rohem Fisch gefüllten und Seetang umwickelten Reishappen sind wahrlich Geschmacksache. Er schickt drei bis sechs Lieferanten aus, die sich um 28 Kunden- und acht Trinkgeld-Karten rangeln. Das war's dann auch schon zum Sushi-Thema, der ganze Rest ist ein Konstrukt, das sich auf eine ganze Reihe unterschiedlicher Themen anwenden ließe.
Dreh- und Angelpunkt des Spiels ist eine an ein altes Telefon erinnernde Wählscheibe. Diese steuert die Bewegung der Lieferanten, die sich auf 12 Sechseckplättchen im Kreis bewegen. Jedes Mal wenn sie die Start-Ziel-Karte überschreiten, dürfen sie sich aus einer Auslage von den Kunden- oder Trinkgeldkarten bedienen. Auf einem Sonderfeld, dem Park, erhalten die Spieler Aktionskarten, die unterschiedlich hilfreich für das weitere Spiel sind. Zurück zur Wählscheibe, die Sushi Express zu einem ordentlichen Zockerspiel macht. In jeder Spielrunde müssen die Spieler immer erst einen Tipp abgeben, wie weit sie ihr Fahrzeug bewegen wollen. Die entsprechende Zahl zwischen zwei und zwölf wird mit Hilfe eines Tippsteines auf der Wählscheibe eingestellt. Nachfolgende Spieler dürfen in der Regel nicht auf Zahlen tippen, die vorher belegt worden sind. Gezogen wird später in der Reihenfolge der höchsten Zahlen. Wer zuerst ziehen darf, hat meist eine größere Auswahl an Kundenkarten zur Verfügung, so dass oft relativ hohe Zahlen geboten werden. Korrektiv für die Gebote sind zwei Würfel, die immer der Spieler mit dem höchsten Gebot werfen muss. Die Zugweite muss nämlich durch einen entsprechenden Wurf bestätigt werden. Zwei Versuche haben die Spieler, schaffen sie es nicht, bleibt ihr Sushi- Auslieferungswagen stehen. Zum Trost gibt es aber eine Aktionskarte. Sobald ein Spieler seine Vorgabe erreicht hat, endet die Würfelrunde, alle anderen dürfen ohne zu würfeln ihre gesetzten Zahlen fahren. Beim Voranziehen der Fahrzeuge zählen besetzte Felder nicht mit, so dass Rundungen vor allem in voller Besetzung gut machbar sind. Der Spieler mit dem niedrigsten Tipp startet in die nächste Runde. Vorher darf er noch entscheiden, sofern noch Kundenkarten in der Auslage sind, ob sie liegen bleiben oder aus dem Spiel genommen werden, so dass ein neues Angebot in der Zahl der Mitspieler ausgelegt werden kann.
Bei der Auswahl der Kundenkarten ist zu beachten, dass vor allem unterschiedliche Karten Punkte bringen. Die erste Kundenkarte in jeder Farbe zählt stets drei Siegpunkte, jede weitere nur einen Siegpunkt. Da sechs Farben nur je zweimal vorhanden sind, gegenüber zwei Farbe, die achtmal vorkommen, ist das Sammeln der seltenen Karten spielentscheidend. Beachtet werden muss aber auch, dass derjenige, der am wenigsten Trinkgeld erhält, Punkte abgezogen bekommt. Das Spiel endet im Übrigen sofort, wenn die Auslage für die Kundenkarten nicht mehr vollständig ausgeführt werden kann.
Sushi Express ist etwas für Zocker. Die Bereitschaft in die Vollen zu gehen ist groß bei diesem Spiel. Im Spiel zu fünft und zu sechst geht fast keine Bietrunde ohne die statistisch eher unwahrscheinliche Zehn aus. Erstaunlich ist auch, dass die erreichten Ergebnisse meist über der durchschnittlichen Sieben liegen. Das mag ein gefühltes, aber durchaus in vielen Spielen verifiziertes Ergebnis sein. Der Kampf um die raren Farben führt vor allem in den letzten Runden zu spannenden Pokerphasen. Wenn es dann darum geht, die letzte lila Karte zu bekommen, dann versucht es auch einer mit der 11 oder gar 12 - und wenn es dann klappt, ist Stimmung am Tisch. Wenn nicht, dann gibt's ja die Trostkarten, die es zum Beispiel möglich machen, einen vorher gegebenen Tipp ebenfalls zu nutzen. Auch ein Nachwürfeln ist so möglich und ein weiteres Vorankommen des eigenen Fahrzeuges. Besonders stark ist die Karte Platztausch, mit der man Tippsteine vertauschen darf. Wer Spaß an stark glücksabhängigen Spielen hat, ist mit Sushi Express gut bedient. Geboten wird eine lockere Unterhaltung, der man sich vor allem in großen Runden stellen sollte. Ein Spielvergnügen, das zwar nicht abendfüllend ist, aber für eine halbe Stunde als solides Hors d'oeuvre genügt.
Rezension Wieland Herold
In Kooperation mit der Spielezeitschrift