Rezension/Kritik - Online seit 17.10.2021. Dieser Artikel wurde 3257 mal aufgerufen.
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Topiary, ist das ein Fantasiewort, ein Kunstwort oder tatsächlich ein existierendes Fremdwort? Normal sind Spiele, bei denen man solche Fragen gestellt bekommt, eher Quizspiele, aber das ist hier mal nicht der Fall. In diesem Spiel beschäftigen wir uns mit dem „in Form schneiden von Büschen und Hecken“ wie man es vielleicht aus französischen Gärten kennt. Ein wirklich ausgefallenes Thema also. Fragt sich, ob das Spiel dann auch so ausgefallen ist?
In Topiary legen wir mit zunächst verdeckten Kärtchen eine Parklandschaft von 5 x 5 Feldern aus. Das Feld im Zentrum dieser Auslage wird dann aufgedeckt und zeigt den ersten schön gestutzten Busch. Zusätzlich erhält jeder Spieler noch 3 Kärtchen auf die Hand.
Reihum sind die Spieler an der Reihe, stellen einen ihrer Besucher an einer Außenkante des Parks auf eine freie Position. Dabei belegt man entweder eine Reihe, eine Spalte oder eine Diagonale.
Nach dem Setzen seiner Figur darf man sich dann aus der so gewählten Reihe, Spalte oder Diagonale ein verdecktes Plättchen auf die Hand nehmen, und eins seiner Handplättchen offen wieder dort ablegen. Langsam erkunden wir so gemeinsam den Park.
Entscheidend dafür, wo man seinen Besucher setzen will, welches Plättchen man nehmen und welches man möglichst wieder platzieren will, sind einerseits die Größe der Büsche als auch die jeweilige Form. Es gibt acht verschiedene Formen, in die die Büsche geschnitten sind, jede Form gibt es je einmal in fünf Größen.
Grundsätzlich möchten die Besucher möglichst viel dieser schönen Kunstwerke sehen, was logisch aber nur von klein nach groß funktioniert. Sucht mal eine Nordmanntanne hinter einem Mammutbaum, dann wisst ihr, warum.
Ein Busch mit Größe 5 direkt vor einer Figur ist zwar fünf Punke wert, verstellt aber den Blick auf alle dahinter stehenden Pflanzen.
Außerdem wollen die Besucher auch noch möglichst viel gleiche Büsche sehen, am liebsten also nur eine Sorte in allen Größen hintereinander.
Der Spieler, der es am besten schafft, die Wünsche seiner kleinen Besucher zu erfüllen, gewinnt das Spiel.
Mit Topiary bin ich auf ein sehr einfaches Spiel gestoßen, das in seiner Einfachheit aber viele kniffelige Entscheide eingewebt hat. Ein Umstand, der mir immer gut gefällt: aus einfachen Regeln viel Spieltiefe zu erschaffen.
Da ist zum einen der Entscheid, wo man seine Figuren positionieren will. Da bis zum Ende längst nicht alle Plättchen aufgedeckt werden, und auch noch unbekannt ist, welche Buschformen und -größen zum Vorschein kommen, ist das richtige Platzieren schon ohne Mitspieler ein schwieriges Abwägen mit einem gewissen Glücksfaktor.
Da pro Männchen nur eine Karte aus einer Reihe aufgedeckt wird, versucht man mit seinen weiteren Figuren möglichst Synergien zu schaffen. Quer zur ersten Figur einsetzen und ein Plättchen platzieren, dass dann für beide Figuren punktet. Aber schon ab der dritten Figur wird das schwieriger. Vor allem wenn die lieben Mitspieler inzwischen ja auch noch Figuren eingesetzt haben. Ein großer Busch am Ende einer Reihe steht mit Sicherheit für jemand anderen an vorderster Stelle und ist somit punktetechnisch sowohl Segen als auch verheerend gleichzeitig.
Platziert man seine großen Bäume also mutig ganz hinten? Oder eher vorsichtig in der Mitte, in der Hoffnung, dann davor noch Platz für ein, zwei passende kleine Bäume zu behalten? Oder fängt man die Reihe mit kleinen Bäumen am Anfang an, in der Hoffnung, die großen Bäume kommen dann schon noch weiter hinten?
Zweiter kniffeliger Entscheid ist die „Vogelfrage“: Spatz in der Hand oder Taube auf dem Dach – im Spiel also lieber eine lange Reihe mit verschiedenen Bäumen, oder auf kürzere Reihen mit gleichen Bäumen setzen? Wertvolle Reihen gibt es meist mehrere, die Frage ist halt, wofür man sich entscheidet: sichere Punkte oder eher „Potenzial“?
Es besteht also einiges an Konkurenzdruck zwischen den Spielern, wenn die Runde es darauf anlegt, kann man es sogar recht konfrontativ spielen. Und da man im Spiel zu dritt oder viert auch nur gerade fünf oder sechs Besucher einsetzt, wiegt jeder „Fehler“ schwer bei der Punktwertung am Schluss.
Bei allen Entscheiden spielt aber natürlich auch viel Zufall mit rein. Hat man überhaupt die passenden Bäume? Was bekommt man danach? Was haben die Mitspieler gerade auf der Hand? Der Abstand zwischen dem ersten und zweiten Spieler ist vermutlich häufiger mehr auf Glück als auf wirklich besseres Spielen zurückzuführen. Trotzdem kann man schon besser oder schlechter spielen und eben mehr oder weniger aus seinen Möglichkeiten machen. Bei der kurzen Spieldauer von 15-20 Minuten find ich das völlig in Ordnung.
Topiary ist also keineswegs so „kindlich“ wie es einen das Cover eventuell vermuten lässt. Mir hat dieser Mix aus einfach, aber gehaltvoll sehr gut gefallen, auch materialtechnisch ist das Spiel einwandfreier Standard. Allerdings fürchte ich, dass nach meinen Testrunden jetzt das Spiel voraussichtlich eher tiefer im Spielregal verschwindet. Zwar ist es immer gut angekommen, nachgefragt hat aber niemand mehr. So aufregend oder herausragend ist es dann leider doch nicht. Eher doch die Kategorie "klein und fein".
Rezension Michael Timpe
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
H@LL9000 Wertung Topiary: 5,0, 2 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
02.08.21 von Michael Timpe - Die Grafik passt für mich nicht ganz zu diesem doch recht konfrontativen Spiel, das doch recht tricky ist, anders als es die niedliche, fast Kinderspielgrafik erwarten lässt. Spiel selber gefällt mir recht gut. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
08.10.17 von Roland Winner - Topiary wurde mit 4 weiteren Spielen zum Spiel des Jahres 2017 in Italien nominiert. Im Karton sind englische und italienische Regeln enthalten, die deutschen sind meiner KSR/Spielregel zu entnehmen. |
Leserwertung Topiary: 5.0, 1 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
14.11.17 von Heike - schönes Denk- und Legespiel, aber auch Ärgerspiel, wenn man dem Mitspieler einen dicken Baum vor die Nase setzt. Gutes Material mit dicken Plättchen. Kürzere Spieldauer. Hat mir am besten zu zweit und dritt gefallen. |