Rezension/Kritik - Online seit 24.11.2012. Dieser Artikel wurde 3669 mal aufgerufen.

Wilderness

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Autor: Thomas Fryxelius
Daniel Fryxelius
Illustration: Daniel Fryxelius
Verlag: FryxGames
Rezension: Michael Andersch
Spieler: 2 - 8
Dauer: 120 Minuten
Alter: ab 13 Jahren
Jahr: 2012
Bewertung: 3,0 3,0 H@LL9000
4,0 4,0 Leser
Ranking: Platz 4688
Wilderness

Spielziel

Das geht ja gut los. Ganz alleine stehe ich hier in der Wildnis. Überfallen, ausgeraubt, die Klamotten zerfetzt und ohne Nahrung und Trinkvorräte. Wenigstens hat man mir noch eine Spielanleitung gelassen, die mir sagt, in welche Richtung ich laufen muss, um in ein Dorf zu kommen, wo mir geholfen wird. Komme ich dort als Erster an (die Spielanleitung verrät mir nämlich auch, dass es noch andere Personen gibt, denen es genau so geht), dann habe ich gewonnen. Aber mal ehrlich: Ich bin froh, wenn ich überhaupt lebend dort ankomme. Um’s Gewinnen mache ich mir mal keine Gedanken. Lieber lese ich noch schnell die Spielanleitung, damit ich weiß, was ich tun kann, um die nächsten Tage zu überstehen.

Das dauert natürlich eine Weile, und während ich hier so in der Sonne sitze und lese, bekomme ich doch glatt ein wenig Durst. Und Hunger. Da ich ja - wie gesagt - keinerlei Ausrüstung mit mir führe, um beides zu lindern, wird mir wohl für’s Erste nichts anderes übrig bleiben, als mich von dem zu ernähren, was die Natur mir bietet und was vermutlich am Boden wächst. Also den Blick nicht nur nach vorne gerichtet, um den Weg und drohende Gefahren im Auge zu behalten, sondern auch nach unten. Und siehe da – kaum bin ich ein paar Schritte gegangen, da liegen auch schon 3 Ereigniskarten herum, die ich mal schnell auf die Hand nehme. Ereigniskarten bei sich zu haben, ist das halbe Überleben. Nun denn, auf geht’s - der Rettung entgegen …!!

Ablauf

Alle Spieler starten auf einem Startfeld und versuchen, so schnell wie möglich das auf der Gegenseite liegende Dorf zu erreichen. Dazwischen liegen diverse Hexfelder, die unterschiedliche Landschaftstypen verkörpern. Wie viele das sind, hängt von den Spielern ab – mehr oder weniger ausgelegte (und zunächst größtenteils noch verdeckt liegende und daher unbekannte) Landschaftsfelder sorgen für ein kürzeres oder längeres Spiel – je nach Laune und zur Verfügung stehender Zeit.

Die Landschaftsarten haben verschiedene Eigenschaften, wie die Energie, die benötigt wird, um sie zu durchqueren, die Möglichkeit, dort Nahrung oder Wasser zu finden, oder aber auch, sich mehr oder weniger lästige Krankheiten einzufangen. Hin und wieder beheimaten sie auch ein wildes Tier, das sich im ungünstigsten Fall an unsere Socken heftet und nervt. Wenn wir ihm nicht entkommen, müssen wir kämpfen – was im schlechtesten Fall Energie kostet, im besten Fall aber auch Nahrung einbringt.

Jeder Spieler startet mit etwas Durst und Hunger, was zunächst nicht schlimm ist. Allerdings steigert sich beides Runde für Runde (insbesondere, wenn man eine Wüstengegend durchquert), was recht schnell lästig wird, denn je größer Hunger und Durst sind, desto mehr beeinflusst dies unsere Konstitution, was im Endeffekt dazu führt, dass wir weniger Energie und somit weniger Bewegungspunkte pro Zug haben. Durst kann man aber löschen (am Wasser) und auch Hunger durch Nahrungssuche bekämpfen. Nur leider sind beide Möglichkeiten nicht überall gegeben. Auch etwas Ausruhen (kostet Zeit, bringt Energie) oder sogar ein Nickerchen machen (kostet die ganze Runde, bringt aber noch mehr Energie) kann man. Letzteres empfiehlt sich vor allem nachts, denn wer kein braves Kind ist und nachts nicht schläft, läuft Gefahr, sich zu verirren. Was spielmechanisch bedeutet, sich nicht geziehlt bewegen zu können, sondern auf ein zufällig bestimmtes Nachbarfeld bewegt zu werden.

So geht dies Tag um Tag, wobei jeder Tag durch eine Karte symbolisiert wird, die z. B. besondere klimatische Bedingungen nennt, wodurch manche Regeln etwas verändert werden (z. B. kann es sein, dass das Durchqueren der Wüste an einem heißen Tag noch durstiger macht, als dies ohnehin der Fall ist. Oder dass man beim Betreten eines Gebirgsfeldes eine Ereigniskarte findet.).

Ach ja, die Ereigniskarten. Die sind eigentlich ganz schlau gemacht, kann ich sie doch auf zwei Arten spielen: Zu meinem Nutzen (jede Karte tut einem etwas Gutes – wie gut, ist unter Umständen abhängig von meiner aktuellen Situation) oder zum Schaden eines Mitspielers (jede Karte weist nämlich auch noch einen zweiten Text auf, der ebenfalls situationsabhängig mehr oder weniger unangenehm für einen Mitspieler sein kann).

Wer nun einen möglichst kurzen Weg nimmt, dabei optimal mit Hunger, Durst und Erschöpfung haushaltet, wilde Tiere meistert und die eigenen Aktionskarten ebenso geschickt einsetzt wie er den gegnerischen entkommt, der erreicht schließlich zuerst das Dorf und wird gerettet.

Fazit

Thematisch kann man hier mal gar nicht meckern. Das Thema ist nicht nur "mal was anderes", sondern auch gut eingefangen und umgesetzt – Hunger, Durst, Viecher, Krankheiten, Wetter – alles da. Und löblicherweise hat man auch darauf verzichtet, das Ganze trendy im Mittelalter zu platzieren.

Auch Material und Spielregel sind auf sehr gutem Niveau – wollte man spitzfindig sein, so könnte man höchstens kritisieren, dass die auf dem Plan aufgedruckten Kurzregelelemente a) sehr klein und b) nur aus einer Richtung zu lesen sind. Aber na ja – das Spiel ist nicht so kompliziert, dass man nicht die meisten Punkte nach wenigen Runden beherrschen könnte.

Dies ist ein weiterer positiver Aspekt: Das Spiel fängt so viel vom Thema ein, dass es fast ein klein wenig in Richtung Simulation geht, ohne aber kompliziert oder verkopft zu sein. Nach meiner ersten Partie in Essen (in einer Zweierpartie gegen einen der Autoren) hätte ich es sogar fast als „Fun-Spiel“ eingeordnet und freute mich sehr auf die nächsten Partien.

Zu meinem Leidwesen aber blieb der Spaß bei den Folgepartien in verschiedenen Runden dann aber mehr oder weniger auf der Strecke. Zwar gibt es Interaktionsmöglichkeiten durch die Aktionskarten, aber die passen auch nicht immer bzw. irgendwann hat man vielleicht auch schon alle gespielt. Und dann kuckt man den anderen beim Zug zu, der einen selbst quasi überhaupt nicht tangiert, und langweilt sich. Als vorbildlicher Spieler beginnt man mit dem Langeweilen zwar natürlich erst, nachdem man seinen eigenen Folgezug vorgeplant hat, nur leider gibt es nicht nur vorbildliche Spieler. Und dann kann es durchaus dauern, bis man wieder an der Reihe ist, was nur mäßig spannend ist (das Spiel kann mit bis zu acht Spielern gespielt werden, meine größte Besetzung waren aber 5 Spieler und mit mehr würde ich es nicht spielen wollen – ich habe aber auch ein Problem mit zu viel „Downtime“ in Spielen.). Noch unspannender könnte es für einen Mitspieler werden, der aufgrund von Hunger, Durst, Tierangriffen oder gehässigen Mitspieleraktionen so erschöpft ist, dass er vorzeitig ausscheidet. Dies kam in meinen Runden nicht vor, ist aber theoretisch durchaus denkbar.

So hinterlässt Wilderness bei mir am Ende ein unbefriedigendes Gefühl: Tolles Thema, im Grunde auch toll umgesetzt, mit wenigen Spielern (die das Spiel kennen) auch flott gespielt. Dennoch fiel die Begeisterung mit jeder Partie etwas weiter – und ich kann nicht einmal genau sagen, woran das liegt. Sicherlich aber auch ein Stück weit an den ebenso mäßigen Rückmeldungen aller Mitspieler, die eine Folgepartie jeweils ablehnten.

Bleibt die Frage nach der Zielgruppe: Für den anspruchsvollen Vielspieler ist es meines Erachtens zu seicht, für das Spiel in der Familie (zumindest in meiner) aber ebenfalls ungeeignet, weil viele Kinder vermutlich von den englischen Aktionskartentexten überfordert sind. Für Jugendliche, die auf Spiele mit leichtem Adventure-Einschlag stehen, könnte es geeignet sein. Ebenso für Runden, die mit einem gewissen Ärgerfaktor leben können, aber auch kein Problem damit haben, ein Stück weit „nebeneinander her“ zu spielen – und dafür mit einem thematisch dichten Spiel belohnt werden.

Rezension Michael Andersch

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.

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H@LL9000-Bewertungen

H@LL9000 Wertung Wilderness: 3,0 3,0, 1 Bewertung(en)

Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 29.10.12 von Michael Andersch - Vom Spielspaß her sind's eigentlich nur zwei Punkte. Aber ich würde es gerne mögen, finde das Thema toll und die Umsetzung grundsätzlich auch gut gelungen - daher gibt's einen Bonuspunkt.

Leserbewertungen

Leserwertung Wilderness: 4,0 4.0, 1 Bewertung(en)

Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 02.04.15 von Ernst-Jürgen Ridder - Bislang habe ich das Spiel viermal solo gespielt, davon dreimal nach der Regel "Flucht aus dem Gefangenenlager" (immer verloren) und einmal nach der normalen Regel (gewonnen), dabei jeweils das Spielfeld aus nur 4 Planteilen aufgebaut. Durchaus packend und sehr thematisch. Mir hat es gefallen. Ob es für meine Spielgruppe taugt, ist eine andere Frage, weil es sehr interaktiv mit hohem Ärgerpotential gespielt werden kann, denn die Karten haben eine Doppelfunktion, von der man nur eine nutzen kann. Man kann die Karten nämlich entweder zu eigenen Nutzen spielen, oder um anderen Mitspielern Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Deshalb ermöglicht das Spiel es auch, mit einem anderen Grundaufbau des Spielfelds die "Hungerspiele" nachzuspielen; da gibt's kein Entkommen, zum Gewinnen muss man als letzter übrig bleiben. Das ist schon hart; ob es auch als Spiel Spaß macht, wäre zu erproben. Da ich das Mehrpersonenspiel noch nicht gespielt habe, bin ich mit dem Spielreiz mal vorsichtig, ob wohl es mich ja schon in den Fingern juckt, 5 Punkte zu geben.

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