Spielerei-Rezension
Spiel der Zukunft oder Spiel ohne Zukunft ?
Auf der "Spiel '01" wurde der Besucher gleich am Eingang vor den Messehallen von einem riesigen Plakat begrüßt, auf dem marktschreierisch "Globopoly – Tomorrow's world is today's game!" angekündigt wurde. Auf der Messe selbst war das Spiel aber gar nicht zu erwerben, am Stand gab es nur Handmuster und Infozettel, die allerdings mehr Werbung als Informationen boten. Und natürlich war der Erfinder des Spiels ( und gleichzeitig auch Herausgeber, Vertriebschef und Mädchen für alles!) Michael Lasher anwesend, um interessierten Besuchern sein Spiel näher zu bringen. Auf der 2002er Veranstaltung war dann das Spiel auch erhältlich, sogar mit deutscher Spielregel und deutschem Titel – GLOBOPOLIS. Riesige Werbung am Stand in Form von Plakaten, einem Videofilm zum Hintergrund des Spiels und einer kurzen Erklärung des Spielprinzips – dieser Film war sicher nicht als Comedy gedacht, wirkte in seiner Machart aber fast wie eine Satire!- und Sonderangeboten des Spiels ( in den ersten Tagen beim Kauf eines Spiels zum Vollpreis das zweite Spiel für € 30,--, später zwei Spiele zum Preis von einem) sollte dem Spiel zu einem guten Start in Deutschland verhelfen. Ob diese Aktionen tatsächlich erfolgreich waren, kann ich nicht beurteilen, über die sonstigen Marketingvorstellungen von Michael Lasher kann sich der interessierte Leser auch direkt auch der Website www.globopolis.net erkundigen und selbst sein Urteil bilden.
Der erste Eindruck nach dem Öffnen der Spielschachtel ist nicht nur in Anbetracht der Veröffentlichung im Eigenverlag überwältigend: ein opulenter farbiger Spielplan, mehrere verschiedene Kartensätze, jede Menge unterschiedlicher Würfel und reichlich Bausteine, die auch von Lego stammen könnten, füllen die Schachtel sehr gut aus. Alle Spielkomponenten sind von ausgezeichneter Qualität, die ein etablierter Verlag nicht besser hätte herausbringen können. Die Spielregeln sind sowohl in einem farbigen 24-seitigen Regelbuch in Englisch beschrieben- zusammen mit einer Beschreibung der Hintergrund-Story zu Globopolis, einer globalen Weltraumstadt, die nach einem verheerenden Meteoriteneinschlag im Jahr 2097 gebaut wurde- als auch in einem 12-seitigen Schwarz-Weiß-Heft auf Deutsch beigelegt.
Das Spiel ist konzipiert für 2 bis 5 Spieler, die um die Herrschaft in Globopolis kämpfen. Hierzu versuchen sie als Gouverneure einzelner Länder die Macht über alle Teile von Globopolis zu übernehmen und hierdurch zum einen Geld als auch vor allem Siegpunkte zu erlangen. Abhängig von der Spielerzahl endet das Spiel auf jeden Fall, wenn ein Spieler die festgelegte Punktzahl erreicht hat (eine begonnene Runde wird noch zu Ende gespielt). Leider sind die Innovationen bei diesem Spiel längst nicht so deutlich, wie es der Spielentwickler wohl gerne hätte.
Die Länder sind kreisförmig auf dem Spielplan in vier Quadranten angeordnet. Jeder Spieler kontrolliert einen "Gouverneur" seiner Farbe und bewegt ihn mittels eines Würfelwurfs über diesen Plan. Zur Beeinflussung des Glückselements – wahrscheinlich st das der Grund!- hat ein Spieler die Wahl mit wie vielen W6ern (eins bis drei) er seinen Bewegungswurf durchführt und ob er vorwärts oder rückwärts geht – rückwärts zu gehen ist allerdings nur gegen Zahlung von 3 Siegpunkten erlaubt! Zu Spielbeginn erhält noch jeder Spieler eine gewisse Anzahl von Länderkarten, damit ist er Besitzer dieser Länder und bekommt auch sofort die hierfür fälligen Siegpunkte gutgeschrieben. Verliert er ein Land wieder, sind damit auch die Punkte futsch, man kann also nicht unbedingt damit kalkulieren.
Jedes Land benötigt 5 verschiedene Ressourcen, um sich weiter entwickeln zu können. Neben Wasser, Nahrung, Energie und der Ultraleichten Komponenten Produktion (UCP) gibt es als wichtigste Ressourcen die Militärischen Sicherheitseinheiten, die die Verteidigungs- und Angriffsstärke eines Landes entscheidend beeinflusst. Sobald ein Land einen kompletten Satz von 5 Ressourcen besitzt, kann der besitzende Spieler dieses Land entwickeln und damit seine Kampfstärke weiter verbessern. Gleichzeitig steigt auch der Wert des Landes, was durch zusätzlichen Punkterwerb dargestellt wird. Entwickelte Länder können zu "superentwickelten" Ländern gemacht werden, wenn das Land einen zweiten kompletten Ressourcensatz besitzt. Jedes Land gehört einer Farbgruppe an und der Besitz aller Länder einer Farbgruppe bringt zusätzliche Siegpunkte.
Im Grunde genommen ist GLOBOPOLIS nicht viel mehr als eine aufgebohrte Monopolyvariante mit Risikoelementen, dazu einem komplizierten ( aber doch interessanten) Kampfsystem. Einige Beispiele: immer wenn ein Spieler auf dem Spielplan über das Feld "Teleport" kommt, erhält er Geld, kommt einem bekannt vor, oder? Und wenn ein Spieler auf einem Land seinen Zug beendet, das bereits einem anderen Spieler gehört, muss er Konferenzgebühren bezahlen, die in der Höhe abhängig sind vom Entwicklungsstand des Landes – Häüser und Hotels bei Monopoly lassen grüßen! Allerdings kann auch versucht werden, das Land zu annektieren. Hierzu kämpft der Neuankömmling gegen den bisherigen Besitzer auf eine zwar recht komplizierte Art, die aber doch das Highlight diese Spiels ist.
Das Kampfsystem ist zumindest für mich in dieser Form völlig neu und macht das Spiel in dieser Phase auch für die Nicht-Kämpfenden interessant. Der angreifende Spieler entscheidet sich, welches seiner Länder im sogenannten "Quadranten" d.h. dem Bereich, in dem auch das angegriffene Land liegt, die Übernahme versuchen soll. Hat er kein Land im betroffenen Quadranten, ist ein Angriff nur mit Hilfe von Sonderkarten möglich, die als "Fortgeschrittenenvariante" dem Spiel beiliegen. Jetzt wird abhängig von der Stärke der beiden betroffenen Länder die Anzahl Würfel, die jede Seite für die Kampfwürfe zur Verfügung hat ermittelt. Hierbei zählen einerseits der Entwicklungsstand der beiden Länder (das Land mit dem höheren Stand erhält einen W6er zusätzlich) und andererseits die Anzahl der "Militärischen Sicherheitseinheiten" des Landes, also der Verteidigungsfähigkeiten (jede bringt wiederum einen zusätzlichen W6er). Weiterhin entscheidet die Mehrheit der (als optional in der Spielregel gekennzeichneten) "Network Infiltration Agenten" über weitere ein oder zwei zusätzliche Würfel. Das alles führt dazu, dass der Angreifer mit mindestens einem W6er und einem W8er und der Verteidiger mit mindestens 2 W6ern und einem W10er kämpfen.
Bei einem Kampf würfeln beide Kontrahenten gleichzeitig mit ihren Würfeln. Zur Auswertung wird der durch den W8er bzw. W10er geworfene Wert multipliziert mit der Anzahl von W6ern, die den gleichen Wert zeigen (also: Pasch = Faktor 2, zwei Pasch = Faktor 4, Drilling = Faktor 3, usw.). Der Spieler mit dem niedrigeren Gesamtergebnis muss einen W6er abgeben. Sobald ein Spieler nur noch mit seinem W8er bzw. W10er würfelt und verliert ist der Kampf beendet. Der Gewinner eines Kampfes bekommt sofort das betroffene Land inkl. seines Punktwertes und seiner Ressourcen, das Land verliert dabei aber seinen Entwicklungsstand und alle Militärischen Sicherheitseinheiten und ist damit erst einmal ohne Verteidigung.
Abgesehen vom Kampfsystem, das in unseren Runden zumeist gut wegkam, bietet das Spiel kaum Elemente, die man nicht schon in einer Vielzahl anderer Spiele kennengelernt hat. Ich bin in dieser Rezension nicht eingegangen auf die Sonderkarten, die Agenten und weitere Einzelheiten des Spielsystems, da diese das Spiel zwar abwechslungsreicher, aber nicht unbedingt besser machen. Die Spielregel – vielleicht ist das typisch amerikanisch- schwelgt in Superlativen über das Spiel und seine Erweiterungsmöglichkeiten, ich sehe das ganze Spiel längst nicht so positiv, sondern eher unter der Überschrift " Spiele auf die die Welt nicht gewartet hat". Damit will ich nicht sagen, dass es nicht Spieler gibt, die mit einem solchen Produkt sehr zufrieden sein werden und auch ihren Spaß dabei haben. Mir selbst aber bringt das Spiel viel zu wenig an neuen Reizen, einige Dinge stören mich ziemlich ( der völlig überzogene Abkürzungswahn in der Spielregel – UCP, EU,R,ED,PS,OP,MSA,NIA und so weiter -, die nicht begründbaren neuen Bezeichnungen für alte Bekannte – Konferenzgebühr statt Miete, die wirklich total simple Hintergrundstory), aber ein Punkt macht mich betroffen: wieso hat niemand dem sicher engagierten und enthusiastischen Autoren, der dieses Spiel – laut Aufdruck auf der Schachtel! – im Selbstverlag in einer Startauflage von 25.000 Spielen aufgelegt hat einmal gesagt, dass ein solches Unterfangen die sicherste Methode ist, sein Geld zu verlieren? Ich würde mich freuen, wenn ich mich hier irre, befürchte aber, dass wir in diesem Fall wieder einmal sehen werden, wie sich ein Verlag ganz schnell aus der Szene verabschiedet. Und leider ist das Spiel wohl nicht der Hit und Verkaufsschlager, um diese Zukunft abzuwenden. Es funktioniert, aber es begeistert nicht – heutzutage erwartet der Käufer mehr von einem Produkt, das mit einem Verkaufspreis von € 50,-- auch jenseits der Schmerzgrenze der meisten Käufer angesiedelt ist. Um noch einmal meine Überschrift zu modifizieren: GLOBOPOLY – ein Spiel über die Zukunft unserer Welt ohne Zukunft in unserer Zeit!
Rezension Michael Schramm
In Kooperation mit der Spielezeitschrift