Rezension/Kritik - Online seit 26.12.2023. Dieser Artikel wurde 1398 mal aufgerufen.

New Frontiers

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Autor: Thomas Lehmann
Illustration: Claus Stephan
Martin Hoffmann
Verlag: Rio Grande Games
Rezension: Franky Bayer
Spieler: 2 - 5
Dauer: 45 - 75 Minuten
Alter: ab 14 Jahren
Jahr: 2018, 2020
Bewertung: 5,0 5,0 H@LL9000
Ranking: Platz 2310
New Frontiers

Spielziel

So wie es im englischen Königshaus Hofberichterstatter gibt, die über alles schreiben, was die "Royal Family" betrifft, bin ich wohl der Exklusiv-Reporter für die schon recht umfangreiche "Race for the Galaxy"-Familie. Ich habe über den Urahnen Puerto Rico geschrieben, dessen Sprössling San Juan rezensiert, mich genauer dem Vater Race for the Galaxy gewidmet, eine Spielekritik über dessen Cousin Roll for the Galaxy verfasst, sowie über das mit der Mutter The City gezeugte uneheliche Kind Jump Drive berichtet.

Als vor ein paar Jahren das jüngste Baby auf die Welt kam, war mir sofort klar, dass nur ich befähigt wäre, darüber zu schreiben. New Frontiers sieht nämlich seinem Uropa Puerto Rico, wenn man mal vom Weltraum-Thema absieht, sehr ähnlich.

Ablauf

Eigentlich sollten all diese Querverweise auf den Stammbaum schon genügen, um den Charakter des Spiels zu erklären. Aber da soll es doch tatsächlich Leute geben, welche die genannten Spiele nicht gut genug kennen oder - noch schlimmer! - meine diesbezüglichen Rezensionen nicht gelesen haben. Ein Skandal! Deshalb werde ich wohl nicht umhin kommen, eine genauere Spielbeschreibung zu verfassen. Wieder einmal.

Schauplatz sind - dem Science Fiction-Thema geschuldet - die unendlichen Weiten des Weltraums. Wir starten mit einer Heimatwelt. Diese Welt ist der Ausgangspunkt der Bestrebungen unserer Zivilisation, welche uns bereits eine erste Eigenschaft (Produktionsstätte einer Ware, militärische Stärke oder ähnliches) verleiht. Mit nur wenig Bargeld - hier "Credits" genannt - ausgestattet, forcieren wir den Fortschritt unseres Volkes, hauptsächlich durch Entwicklung neuer Technologien und/oder Erkundung mit anschließender Besiedlung neuer Welten.

Alle dafür erforderlichen Aktionen finden sich auf sieben Aktionsplättchen, welche zu Beginn in einer Reihe ausliegen. Wenn wir an der Reihe sind, wählen wir ein Aktionsplättchen und führen die entsprechende Aktion aus, welche uns sogar noch einen kleinen Bonus gewährt. Anschließend dürfen unsere Mitspieler in Spielerreihenfolge ebenfalls die Aktion durchführen, allerdings ohne Bonus. Das Aktionsplättchen wird daraufhin etwas nach unten geschoben und steht uns somit erst ab der nächsten Runde wieder zur Verfügung.

Im Anschluss möchte ich die einzelnen Aktionen beschreiben. Mit "Entwicklung" dürfen wir eines der ausliegenden Entwicklungsplättchen erwerben, indem wir die angegebene Anzahl an Credits abgeben. Haben wir selbst diese Aktion gewählt, sind als Bonus die Kosten um 1 Credit niedriger. Das Plättchen platzieren wir auf unsere Spielerauslage und profitieren fortan von dem darauf abgebildeten Vorteil.

Mit der Aktion "Erkunden" dürfen wir eine der 7 aus dem Beutel gezogenen Welten nehmen und mit der grauen Seite nach oben rechts an unser Tableau anlegen. Als Bonus darf sich der aktive Spieler, nachdem alle dran waren, eine zweite Welt nehmen.

Die Aktion "Siedeln" erlaubt uns, eine erkundete Welt zu besiedeln, indem wir erstens die angegebenen Kosten bezahlen bzw. für militärische Welten die erforderliche militärische Stärke aufweisen müssen, und zweitens die abgegebene Anzahl an Kolonisten (1 oder 2) daraufstellen. Haben wir nicht genug Kolonisten zum Besiedeln, erhalten wir stattdessen 2 Kolonisten aus dem Vorrat. Der Bonus für den aktiven Spieler besteht aus dem Erhalt eines Gratis-Kolonisten vor der eigentlichen Aktion.

Besiedelte Kolonien werden umgedreht und links an unser Tableau verschoben, wo sie uns an sofort einen bestimmten Vorteil bringen. Die meisten Welten produzieren eines von vier unterschiedlich wertvollen Gütern: Luxusgüter (Wert 1), Seltene Erden (2), Gene (3) oder Alien-Technologie (4). Andere Welten hingegen sorgen für Vorteile oder Vergünstigungen bei bestimmte Aktionen.

Mit der Aktion "Produzieren" gelangen wir endlich an die Güter. Jede Produktionskolonie stellt ein farblich passendes Gut her, allerdings kann auf jeder Welt nur 1 Gut gelagert werden. "Windfall"-Welten sind hiervon ausgenommen, denn diese Welten - erkennbar am weißen Kreis umgeben von einem farbigen Ring - erhalten normalerweise nur beim Besiedeln ein entsprechendes Gut. Der Bonus für den aktiven Spieler besteht darin, auch eine "Windfall"-Welt produzieren lassen zu können.

Die Aktion "Handeln & verbrauchen" verwandelt unsere Güter in Credits und/oder Siegpunkte. Wir dürfen 1 Gut zu seinem fixen Wert verkaufen (beispielsweise 1 x Seltene Erde für 2 Credits), anschließend dürfen wir "Verbrauchen"-Fähigkeiten auf unseren Welten und Entwicklungen nutzen, um Güter gegen Siegpunkte zu tauschen (dies nennt man hier "verbrauchen"). Der aktive Spieler erhält als Bonus einen zusätzlichen Siegpunkt-Chip.

Es gibt noch zwei weitere Aktionen, welche aber nicht so bedeutend sind wie die fünf oben angeführten, weshalb sie nur gewählt werden, wenn mit den verbliebenen Aktionen nichts Sinnvolles mehr angestellt werden kann. So erhalten wir, wenn wie die Aktion "Rückzug in die Isolation" wählen, zwei Credits, während alle anderen leer ausgehen. Mit der Aktion "Botschafter entsenden" ist ebenfalls keine für alle gültige Aktion verbunden, dafür rücken wir in der Spielerreihenfolge an die erste Position und sind in der nächsten Runde Startspieler.

Die Partie geht über einige Runden (im Schnitt so zwischen 12 und 15 Runden), bis eine der vier Bedingungen für das Spielende eintritt: Wir haben 11 oder mehr Felder auf unserer Auslage mit Entwicklungen belegt, wir besitzen 8 oder mehr Kolonien (einschließlich unserer Heimatkolonie), es liegen 4 oder weniger Kolonisten nach der Aktion "Siedeln" auf der Vorratstafel, oder aber die Siegpunkt-Chips aus dem allgemeinen Vorrat sind aufgebraucht. Die laufende Runde wird aber auf jeden Fall zu Ende gespielt.

In einer abschließenden Wertung erhalten wir dann Punkte für unsere gesammelten Siegpunkt-Chips, unsere Kolonien und unsere Entwicklungen (einschließlich der variablen Werte der großen Entwicklungsplättchen). Weisen wir schlussendlich die meisten Siegpunkte auf, konnten wir nachweislich das erfolgreichste Imperium aufbauen.

Fazit

Kenner werden es sofort bemerkt haben: New Frontiers bewegt sich von den verwendeten Spielmechanismen recht nahe am Urspiel Puerto Rico. Und auch vom Spielgefühl her ist es ziemlich gleich. So kommt es bei beiden Spielen stark darauf an, die Intentionen der Mitspieler zu erahnen und darauf zu achten, was sie machen könnten.

Der größte Unterschied liegt sicher in der Wahl des Themas. Das Verlegen des Geschehens in die unendlichen Weiten des Weltraums bringt zwei Vorteile. Zum einen weicht man somit historischen Verfänglichkeiten aus. Puerto Rico musste wegen der braunen Kolonisten-Steine einiges an Kritik einstecken. Von Verharmlosung der Sklaverei war die Rede.

Ja, dies stellt heutzutage ein großes Problem dar, denn es wird überall "cultural diversity" und "political correctness" verlangt, dabei wird allzu oft auf die historische Korrektheit vergessen. Diese hochkochende "cancel culture"-Debatte ist auch der Grund dafür, dass in letzter Zeit Sci Fi-Themen wieder "in" sind, mit denen man dieses Dilemma geschickt umgehen kann. Kein Mensch würde schließlich Rechte für Aliens einfordern, oder?

Der zweite Vorteil besteht darin, dass im Weltall relativ einfach und durch fiktive Völker und Welten (also ohne notwendige geschichtliche Recherchen) verschiedene Voraussetzungen geschaffen werden können. Die daraus resultierende Asymmetrie bringt mehr Abwechslung ins Spiel, forciert unterschiedliche Vorgehensweisen, sodass jedes Imperium bei den Aktionen andere Prioritäten setzt. So konzentriert sich die eine Zivilisation mehr auf Produktion, während die andere auf militärische Eroberungen aufbaut.

Sicher, schon die violetten Gebäude in Puerto Rico sorgten damals für reichlich Abwechslung, hier bei New Frontiers kommt dies alles jedoch noch mehr zum Tragen. Vor allem die "großen Entwicklungen", deren Kosten immerhin stolze 9 Credits betragen, erfordern eine Konzentration auf bestimmte Elemente. Da es insgesamt 16 verschiedene Heimatwelten gibt, die meisten Welten Sondereffekte mit sich bringen und mehr als die Hälfte der Entwicklungen unterschiedliche Rückseiten aufweisen, ist weitgehend garantiert, dass keine Partie der anderen gleicht. Den Wiederspielreiz erachte ich deshalb als ziemlich hoch.

Allerdings bedeutet dieses Plus an Möglichkeiten auch mehr Regeln, mehr Begriffe, mehr Symbole, mehr Komplexität. Im direkten Vergleich mit Puerto Rico wird zwar nun wesentlich mehr Varianz geboten, allerdings auf Kosten der Eleganz. Beim Originalspiel war es vor allem das schlankere Design, welches die Faszination ausmachte. Bei New Frontiers muss man sich hingegen intensiver in die Materie einarbeiten. Nur wer schon mal Race for the Galaxy gespielt hat, wird schnell die Symbolik für die einzelnen Aktionen wiedererkennen, alle anderen müssen sich damit erst vertraut machen.

Dafür kommt das Spiel fast ohne Glücksfaktor aus. Lediglich beim Erkunden, bei dem Welten aus einem Beutel gegrapscht werden, spielt der Zufall eine untergeordnete Rolle. Die Interaktion ist indes recht hoch, denn jede gewählte Aktion betrifft ja stets auch die Mitspieler. Das richtige Timing ist ganz besonders von Bedeutung. Es gilt die Aktionen durchzuführen, welche einem selbst am meisten nützen, und auf keinen Fall solche, von denen die Mitspieler mehr profitieren. Dadurch sind in jedem Spielzug, bei jeder Aktion immer alle Spieler involviert, ein Umstand, der auch in einer recht niedrigen Downtime resultiert.

Somit bleibt die Spieldauer bei New Frontiers auch in Vollbesetzung im überschaubaren Bereich. In maximal 90 Minuten wird eine der vier Bedingungen für das Spielende erreicht. Zu zweit besitzt jeder Spieler zwei Scheiben auf der Spielerreihenfolgetafel, sodass beide je zwei Mal pro Durchgang an der Reihe sind. Die Altersangabe ist allerdings mit "ab 14 Jahren" für mein Empfinden zu hoch gegriffen, denn so kompliziert ist das Spiel nun auch wieder nicht.

New Frontiers bietet auch eine Variante mit Zielplättchen an, wahrscheinlich inspiriert von den Erweiterungen zu Race for the Galaxy. In dieser Variante wird das Aktionsplättchen "Rückzug in die Isolation" umgedreht, sodass nun stattdessen die Aktion "Galaktische Ziele festlegen" zur Verfügung steht. Diese Aktion gewährt dem Spieler, der sie gewählt hat, gleich drei Boni: den Erhalt von 1 Credit, das Vorrücken in der Spielerreihenfolge um eine Position, sowie das Ziehen von 3 Zielplättchen, von denen er sich eines aussuchen darf.

Bei Spielende werden dann alle Ziele gewertet, die im Spiel sind, und zwar für alle Spieler geltend. Die Zielplättchen belohnen beispielsweise den Besitz von ungenutzten Kolonisten ("Wehrpflicht"), das Sammeln von Kolonien unterschiedlicher Güterproduktion ("Streuung") oder das Lagern von hergestellten Rohstoffen. Obwohl dies noch mehr Varianz ins Spiel bringt, ist diese Spielart nicht wirklich notwendig. das Grundspiel reicht meiner Meinung nach völlig aus.

Das Spielmaterial ist schön und reichlich. Alles wirkt auf mich zum Teil sogar überproduziert, denn die Spielsteine "Güter" sind nicht nur recht große Kunststoff-Würfel, sondern es gibt sie unnötigerweise auch in zwei verschiedenen Größen. Die grafische Gestaltung (inklusive der verwendeten Symbolik) orientiert sich an jener von Race for the Galaxy. Die Spielanleitung ist allerdings nicht perfekt, und dies obwohl sich die Redaktion dabei nach mehreren Vorbildern hätte richten können. Vielleicht erschweren ja die vielen Sonderregeln der Welten und Entwicklungen eine bessere Gliederung.

New Frontiers ist insgesamt eine gelungene Verbindung aus Puerto Rico und Race for the Galaxy. Inwieweit dieses Spiel eine Bereicherung für die gesamte eingangs angeführte Spielefamilie darstellt, muss wohl jeder Spieler selbst für sich entscheiden. Ich für meinen Teil spiele jedes einzelne davon recht gerne.

Rezension Franky Bayer

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.

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H@LL9000-Bewertungen

H@LL9000 Wertung New Frontiers: 5,0 5,0, 1 Bewertung(en)

Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 07.03.23 von Franky Bayer - Gelungene Brettspiel-Variante von Race for the Galaxy, welche sich stark nach dem Original Puerto Rico richtet. Im Gegensatz zu diesem aber etwas komplexer und variantenreicher, aber weniger elegant.

Leserbewertungen

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