Rezension/Kritik - Online seit 28.10.2025. Dieser Artikel wurde 546 mal aufgerufen.

Die heiligen Quellen

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Autor: Tobias Thulke
Verlag: keine Angabe
Rezension: Michael Andersch
Spieler: 2
Dauer: 10 - 20 Minuten
Jahr: 2025
Bewertung: 2,0 2,0 H@LL9000
Ranking: Platz 6332
Die heiligen Quellen

Kompakt - Kritik

Ein Spiel für zwei, ein dickes Buch mit vielen Texten und Tabellen – da erwartet man doch etwas in der Art der früheren Abenteuer-Spielbücher …in etwa so: “möchtest du die Truhe öffnen? Dann lies weiter bei 163. Möchtest du stattdessen lieber dem Ork die Zehennägel schneiden? Dann lies weiter bei 422“ – oder so etwas in der Art.

Aber halt – diese Spiele waren ja nur für einen Spieler gedacht, Die Heiligen Quellen aber sind ja dediziert für zwei. Also schauen wir doch mal, was uns erwartet!

Nach einer kurzen Einleitung zur Entstehung des Buches ist klar: Da haben zwei Personen sehr viel Herzblut in ein Projekt gesteckt. Ein Projekt, das zugleich sowohl ein Spiel sein als auch Geschichten erzählen soll.

Leider ist nicht ganz so viel Herzblut in die Anleitung geflossen. Es sind zwar nur 7 luftig bedruckte Seiten, aber nach dem ersten und auch zweiten Durchlesen hatte ich kaum einen Schimmer, was das Spiel von mir will und war dafür umso mehr von der massiven Genderschreibweise genervt („Der Nachteil besteht darin, dass die:der Startspieler:in errechnen kann […]“, „Die möglichen Erhöhungen des:der Startspielers:in“).

Dennoch – frisch ans Werk, und siehe da: Das Spiel ist eigentlich super simpel. Wir haben eine Tabelle mit 4 Spalten („Völker“), und jedem Spieler wird geheim eines dieser Völker zugelost. In den Spalten werden Zahlen eingetragen bzw. aufsummiert, und das Ziel ist es, dass das eigene Volk nach dem Befüllen der letzten Zeile weder den höchsten noch den niedrigsten Punktwert aller vier Völker hat. Gleichzeitig versucht man natürlich, den Mitspieler nach oben oder unten zu „schießen“, wozu es allerdings gut wäre zu erraten, welches der drei anderen Völker er denn führt. Dies lässt sich natürlich eventuell aus seinem Verhalten schließen – je nachdem, wie gut er beim Befüllen blufft oder auch nicht.

Das Befüllen selbst geht nun so:
Beide Spieler befüllen abwechselnd eine Zeile, jeder ist also nur 6 x am Zug. Der Startspieler hat zunächst und bis auf weiteres für jede Zeile 5 Punkte zur Verfügung, die er beliebig auf 2 Völker aufteilt, zum Beispiel indem man dem Höhlenvolk 1 Punkt gibt und den Stadtmenschen 4. Dabei kommt es aber nur auf den Betrag der Zahl an, statt 1 und 4 könnte er auch 1 und -4 vergeben. Oder -2 und 3 oder 0 und 5. Viele Möglichkeiten also.
Der zweite Spieler vergibt auf die gleiche Weise Punkte an 2 Völker bzw. addiert oder subtrahiert diese von deren aktuellem Punktestand, wobei eines davon ein Volk sein muss, was auch der Vorgänger in der vorherigen Zeile mit Punkten bedacht hat, und das andere eines, das der Vorgänger in der vorhergehenden Zeile nicht bepunktet hat. Allerdings vergibt der zweite Spieler 16 Punkte.
Das wirkt zunächst mal sehr ungerecht, weil Spieler 2 dadurch ja 6 x 16 = 96 Punkte vergeben dürfte, Spieler 1 aber nur 6 x 5 = 30 Punkte.
Daher kommt noch ein kleiner Kniff ins Spiel: Spieler 1 darf in einer beliebigen Runde einmalig seine zu vergebenden Punkte für diese und alle folgenden Runden auf einen neuen Wert erhöhen. Und je später er das tut, desto größer ist diese Erhöhung.
Demgegenüber muss Spieler 2 in einer beliebigen Runde seine zu vergebenden Punkte für künftige Runden reduzieren – und auch hier gilt: Je später er dies tut, umso größer fällt die Reduzierung aus.
Während Spieler 2 also eher am Anfang die Macht hat, „die Weichen zu stellen“, kann Spieler 1 tendenziell eher am Schluss ein deutlicheres Wörtchen mitreden, wobei er aber nicht den letzten Zug hat.

Das ist insgesamt eine nette kleine mathematische Spielerei, die ich aber nicht so weit getrieben habe zu durchleuchten, ob dieser doch recht asymmetrische Mechanismus einen der beiden Spieler bevorzugt oder ob es besser ist, früh oder spät seine Punktzahl zu verändern. Das Spielprinzip lässt auch gut Raum für Bluff und Deduktion und ist meist durchaus spannend, wobei man allerdings manchmal auch schon 2 oder 3 Runden vor dem Ende absehen kann, dass man selbst nicht gewinnen wird – aber egal, bei einer Spieldauer von 5 bis 10 Minuten ist das durchaus verkraftbar.

So weit, so gut. Das war das Grundspiel. Und wo ist nun die Geschichte?

Die kommt jetzt. Denn in einem zweiten Teil des Buches findet nun die Verknüpfung statt. Man spielt zunächst das Spiel wie eben beschrieben, aber abhängig von einer bestimmten Konstellation von Werten in durch Farbbalken vorgegebenen Zeilen liest man danach im Buch einen bestimmten Abschnitt und wertet noch diverse Dinge aus. Es gibt dann Machtverhältnisse zwischen Ländern, die heiligen Quellen werden gewürdigt und eine Zensur kommt ins Spiel.

Das erste Problem bei der Sache ist, dass es nicht „die eine“ Geschichte gibt, sondern mehrere Erzählstränge, die man weder alle noch in einer bestimmten Reihenfolge liest – eben abhängig jeweils von den Konstellationen der Werte in bestimmten Zeilen. Das Geschichtserlebnis ist also ziemlich fragmentiert und ließ uns recht ratlos zurück, denn wirklich steuern, was ich zu lesen bekomme, kann ich leider nicht.
Ist aber auch nicht so schlimm, denn die Geschichten empfand ich – ich muss es leider so sagen – als zwar erkennbar liebevoll geschrieben, aber todlangweilig und nichtssagend.

Problem zwei ist, dass man zwar für irgendwas Punkte bekommt, dies aber ebenso wenig wirklich steuern kann wie das, was man zu lesen bekommt. Das ist anstrengend und absolut unspaßig verkopft.

Und Problem drei ist das Gravierendste von allen, denn es tritt im Grunde vor Problem eins auf: Die Regeln für diesen zweiten Buchteil, die Verknüpfung von Spiel und Geschichtsschnippseln, sie sind noch wirrer als die für das Grundspiel. Und sie beschränken sich auch nicht auf das reine Regelwerk, sondern verwirren zusätzlich mit diversen verschwurbelten fantasy-geschichtlichen Einlassungen, die mit der Regel als solcher gar nichts zu tun haben. Im Grunde tut die Regel wirklich alles, um zu verhindern, dass man versteht, was man denn nun machen soll. Daher hat es uns einiges an Zeit gekostet, herauszufinden, wie und warum man auf welchen Seiten lesen soll und was dann dort ausgewertet wird. Zu viel Zeit – der Spielspaß war im Keller, und wir haben im Zuge des Regelverstehens zwar zwei Konstellationen mal theoretisch durchgespielt, aber danach entnervt und gelangweilt beschlossen, dass wir das Buch zur Seite legen.

Das ist ziemlich schade, denn wie gesagt: Man merkt, dass das Spiel/Buch mit Liebe gemacht wurde. Nur leider wurde der Spiel-Teil nicht sehr professionell umgesetzt – es ist die mit großem Abstand schlechteste Anleitung, die ich seit langem gelesen habe. Und das wirkt angesichts des im Grunde einfachen Spielprinzips leider noch abstruser. Warum haben die Autoren da nicht mal jemanden drüber lesen lassen, der sowas kann? Oder jemanden probespielen lassen, nur an Hand der Anleitung?

Für wen könnte das Spiel denn nun geeignet sein? Schwierig … am besten wohl für Leute, die Spaß daran haben, einfach in eine, ich nenne es mal, etwas gesellschaftskritische, philosophisch angehauchte Geschichte einzutauchen. Personen, die gleichzeitig bezüglich der Anleitung hart im Nehmen sind. Es sei denn, man beschränkte sich nur auf das Grundspiel. Dieses ist wie gesagt tatsächlich recht pfiffig, und ihm würde ich als kurzes Pen & Paper-Spiel durchaus 4 Punkte geben. Das Gesamtwerk erhält leider nur gerade mal so 2 Punkte, und da ist schon ein deutlicher Bonus für das hineingeflossene Herzblut enthalten.

Rezension Michael Andersch

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.

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H@LL9000-Bewertungen

H@LL9000 Wertung Die heiligen Quellen: 2,0 2,0, 2 Bewertung(en)

Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 28.07.25 von Michael Andersch - Liebevolles Konzept, leider aber wurde für meinen Geschmack so ziemlich alles falsch gemacht, was man nur falsch machen kann: Massiv gegenderte, wirre und mit völlig regelunrelevanten Passagen versehene Anleitung(en), verkopftes Spielprinzip mit moralisch-philosophischem Einschlag und zumindest von mir persönlich als ziemlich belanglos empfundene Geschichten. Aufgrund des ganz interessanten Basisspielchens und des erkennbaren Herzblutes gerade mal so großmütige 2 Punkte.
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 23.07.25 von Frank Gartner - Ein Spiel im Buch für 2 Personen, welches im Grunde einen gewissen Pfiff hat. Es ist ein Zahlenwettkampf mit Bluff-Faktor. Allerdings sind die Spielregeln sehr unverständlich geschrieben. Hinzu kommt dann ein Fantasy-Geschichten-Element, welches dem Spiel keinen Gefallen tut und regeltechnisch noch unverständlicher geschrieben ist als das Grundspiel. Das Grundspiel selbst hätte durchaus eine 3 verdient (2 Stifte, ein Block, kurze aber verständliche Regel), das Gesamtpaket eher eine Gnaden - 2. Für mich hinzu kommt noch der Grafik-Stil, der mich so gar nicht anspricht, aber das ist natürlich reine Geschmacksache.

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