Rezension/Kritik - Online seit 27.07.2011. Dieser Artikel wurde 4890 mal aufgerufen.
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Zwar ist es schon ein Weilchen her, dass der gute alte Sherlock aktiv war, aber immer noch ist er bekannt bei Groß und Klein. Das Interesse an ihm ist ungebrochen und sein einstiger detektivischer Spürsinn nach wie vor eine Legende. Denn er war der Meinung - wie er auch seinem Freund Watson immer wieder erklärte -, dass sich jedes Verbrechen durch logisches Schlussfolgern klären ließe. Und genau diesem Grundsatz widmet sich das vorliegende Spiel, in dem es darum geht, die Erzählungen der Mitspieler richtig einzuordnen, um am Ende den oder die Täter finden zu können.
Zu Beginn erhält jeder Spieler eine Verdächtigenkarte. Nun entscheidet man sich für einen Verbrechensfall, von denen es im Spiel lediglich vier gibt, welche aber für sämtliche Partien als Story-Grundlage dienen. Danach wird der gewählte Fall, der im Stil eines Zeitungsartikels gehalten ist, vorgelesen, um dem Spiel einen passenden Rahmen zu verleihen. Anschließend werden alle Indizienkarten, die farblich nicht zum aktuellen Fall passen, aus dem Spiel genommen. Von den verbliebenen Karten erhält jeder Spieler eine bestimmte Anzahl. Auf seinem Protokollblatt trägt nun jeder Spieler seinen Verdächtigennamen sowie die Nummern seiner Indizienkarten ein, damit er später weiß, welche Karten er zu Spielbeginn besaß.
Nun beginnt das eigentliche Spiel. Aus den Texten all seiner Indizienkarten muss man den Mitspielern eine Geschichte erzählen und so Informationen zur eigenen Person geben. Dies können sowohl Eigenschafts- als auch Tätigkeitsbeschreibungen sein. Von den jeweils vier Texten auf den Karten muss man sich jenen aussuchen, der denselben Buchstaben trägt wie die eigene Verdächtigenkarte.
Wenn alle Spieler ihre Personen vorgestellt haben, werden die Indizienkarten gemischt, sieben davon ausgewählt und nebeneinander ausgelegt. Ein Spieler liest danach mithilfe einer Rotfolie nach und nach die Texte auf den Rückseiten der sieben ausgewählten Karten vor. Diese Texte sind mit freiem Auge kaum zu entziffern, so dass sie während des Spiels eigentlich keiner gelesen haben sollte.
Jeder Spieler trägt nach dem Vorlesen der ersten Karte in der Zeile 1 seines Protokollblatts den Namen jenes Verdächtigen ein, zu dem seiner Meinung nach das Indiz am besten passt. In diesem Sinne geht es weiter, bis alle Indizienkarten abgehandelt worden sind. Danach ergibt sich bei jedem Spieler mindestens ein Hauptverdächtiger, nämlich jene Person, deren Namen am häufigsten aufgeschrieben wurde. Dieser Name wird auf dem Protokollblatt als möglicher Täter eingetragen, wobei man auch mehrere Hauptverdächtige nennen kann.
Abschließend wird gewertet. Alle ausliegenden Indizienkarten werden noch einmal mit Nummer vorgelesen, so dass die Spieler anhand ihrer Protokollblätter überprüfen können, wer diese Karte ursprünglich hatte und somit der Verdächtige ist. Jeder, der eine Person einem richtigen Indiz zugeordnet hat, erhält 2 Punkte - der Inhaber der jeweiligen Verdächtigenkarte bekommt die Punkte aber nur dann, wenn mindestens ein Mitspieler ebenfalls auf seine Person getippt hat. Für falsche Zuordnungen gibt es weder Plus- noch Minuspunkte. Einen Minuspunkt gibt es hingegen, wenn man eine Person fälschlicherweise als Hauptverdächtigen eingestuft hat; für richtige Verdächtigungen in dieser Kategorie gibt es hingegen auch 2 Pluspunkte. Eine Partie geht über zwei Runden - wer danach die meisten Gesamtpunkte hat, ist Gewinner dieses Spiels. Und wer weiß, vielleicht hätte er sich damit in früheren Zeiten würdig erwiesen, als Gehilfe von Sherlock Holmes zu arbeiten.
Ein Detektivspiel, das mit wenig Material auskommt. Vielleicht fast zu wenig, was die Anzahl der beiliegenden Protokollblätter betrifft, aber diese kann man sich auch leicht kopieren.
Nicht ganz einfach gestaltet sich der Einstieg, denn auch wenn man der Spielregel keineswegs vorwerfen kann, unstrukturiert oder fehlerhaft zu sein, so verstanden die meisten Spieler doch nicht gleich, wie denn nun der Ablauf als Ganzes zu verstehen ist. Hat man jedoch die erste Partie (meistens als Schritt-für-Schritt-Abarbeitung der einzelnen Spielregelpunkte) hinter sich, wundern sich die meisten doch sehr, wieso sie dieses doch recht einfach gestrickte Spiel nicht auf Anhieb verstanden haben.
Anders als bei vielen Detektivspielen muss man hier nicht "herumlaufen", um Hinweise an bestimmten Tatorten zu Personen oder Tatwaffen zu finden, sondern von Anfang an haben alle Spieler die gleichen Informationen. Eigentlich handelt es sich bei Mystery & Crime Bakerstreet Files eher um ein etwas ungewöhnliches Hör-Memospiel für Erwachsene. Denn alle benötigten Hinweise bekommt man mündlich in Form einer Geschichte von seinen Mitspielern geliefert. Dass diese beim Erzählen nicht einfach viel Blabla um nichts machen und die wichtigen Dinge beinahe unter den Tisch kehren, dafür sorgt die kleine, aber feine Zusatzregel, dass der Inhaber einer Indizienkarte am Ende nur dann Punkte für das richtige Erkennen seiner eigenen Person erhält, wenn mindestens ein Mitspieler das auch getippt hat.
Mir hat das Spiel am besten in der Besetzung zu viert gefallen - da erschien mir die Anzahl an Indizienkarten und Verdächtigen am ausgewogensten. Bei sechs Spielern ist es schon sehr schwer, sich alle 30 Indizien zu merken, zumal das, was dann am Ende als Täterhinweis vorgelesen wird, ja nicht 100%ig dem entspricht, was ein Mitspieler erzählt hat. So sollte man zum Beispiel erkennen, dass die Aussage "raste schnell mit der Droschke davon" mit "der Täter musste eiligst noch Indizien beseitigen" gleichzusetzen ist. Das funktioniert natürlich nicht immer, so dass man öfter auch mal spekulieren muss, was die richtige Zuordnung eines Indiz anbelangt. Bei insgesamt sechs Verdächtigen sind die Chancen, richtig zu raten, dann deutlich schlechter als bei weniger Mitspielern.
Das Geschichtenerzählen selbst ist natürlich auch ein wichtiger Teil dieses Spiels. Auf der einen Seite stellt dies zwar die Besonderheit dar, welche es aus der Masse vieler anderer Detektivspiele heraushebt, auf der anderen Seite ist das spontane Erfinden von Geschichten ein Element, das vielen Spielern nicht gefällt, sei es, weil sie das einfach nicht mögen, oder weil sie es nicht gut können. So gab es am Ende einer Partie sehr oft geteilte Lager; während die einen das Spiel gut fanden, betitelten es die anderen mit weniger schmeichelhaften Adjektiven.
Ich persönlich gehöre zur ersten Gruppe. Die meisten Runden empfand ich als sehr kurzweilig und unterhaltsam, wobei es auch einige zähe Partien gab, wenn die Mitspieler einfach nicht in der Lage waren, einigermaßen einprägsame Geschichten mehr oder weniger aus dem Stehgreif zu erzählen. Zwar bieten die Indizienkarten auch eine kleine Hilfestellung für das Erzählen der Geschichte, weil sie unterteilt sind in "vor der Tat", "zur Tatzeit", "nach der Tat" und "Täterprofil", aber untalentierte Schwätzer wurden dadurch leider auch nicht zu Quasselstrippen.
Richtig schwierig wird das Spiel, wenn man mehrere Partien hintereinander spielt. Dann fällt es oft schwer zu unterscheiden, ob ein bestimmter Hinweis aus der aktuellen oder bereits aus der vorherigen Runde stammt. Dies hat dazu geführt, dass auch jene, die das Spiel mochten, an einem Abend nicht mehr als eine Partie spielen wollten. Somit eignet sich das Spiel eher als Einstieg oder Abschluss für einen Spieleabend. In Runden, die es gern kommunikativ mögen, sorgt dieses kleine Spiel mit gutem Preis-/Leistungsverhältnis dann aber für kurzweiligen Spaß. "Geschichtenmuffel" sollten jedoch eher die Finger davon lassen.
Rezension Sandra Lemberger
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
H@LL9000 Wertung Crime & Mystery: Bakerstreet Files: 3,5, 2 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
16.06.11 von Sandra Lemberger - In der richtigen Runde würde ich das Spiel durchaus auch mit einer 5 bewerten. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
21.03.12 von Michael Timpe - Aber wirklich auch nur in der richtigen Plauderrunde, und auf Dauer wird es dann doch etwas dünn mit dem Spiel. |
Leserwertung Crime & Mystery: Bakerstreet Files: 4.5, 2 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
28.07.11 von Hans Huehnchen - Wenn die Indizien nicht richtig zusammenpassen wollen, entsteht eine sehr, sehr holprige Geschichte. Durch etwas Übung wird es mit Konstruieren und Erzählen der Fälle aber flüssiger. In der richtigen Runde super. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
15.10.11 von Joker - Die richtige Runde ist essentiell. Trotzdem ein schlauer Spielmechanismus, der Sherlock-Feeling aufkommen lässt. |