Rezension/Kritik - Online seit 09.06.2012. Dieser Artikel wurde 6774 mal aufgerufen.

MIL (1049)

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Autor: Firmino Martínez
Illustration: Pedro Soto
Verlag: HomoLudicus
Rezension: Michael Timpe
Spieler: 2 - 5
Dauer: 90 Minuten
Alter: ab 12 Jahren
Jahr: 2011
Bewertung: 5,0 5,0 H@LL9000
4,0 4,0 Leser
Ranking: Platz 3330
Download: Kurzspielregel [PDF]
MIL (1049)

Spielziel

Wir schreiben das Jahr 1049, und wenn Sie im Lateinunterricht aufgepasst haben, dann wissen Sie, dass Sie das besser nicht MIL sondern MXLIX schreiben. Das bedeutet, die Autoren haben beim Namen ein wenig geschummelt, und wir befinden uns thematisch im finsteren Mittelalter. Wie finster das Spiel selber ist, gibt es hier zu lesen, aber auch von den Lichtblicken dieses spielerischen Schwergewichts soll die Rede sein. Außer für den Titel kann das Lateinlexikon aber im Regal bleiben; Englischkenntnisse sind mehr gefragt, weil das Spiel bisher noch nicht auf Deutsch erschienen ist.

Ablauf

MIL mit allen Regeln auch nur halbwegs verständlich und dabei noch in akzeptabler Länge zu beschreiben, übersteigt meine schriftstellerischen Fähigkeiten. Daher lassen Sie mich den Spielverlauf hier auf das Nötigste runterbrechen: Eine Runde MIL läuft über 2(,5) Phasen.

In Phase 1.0 versorgen wir uns mit Rohstoffen, kaufen neue Soldaten und zeugen Töchter und Söhne. Letztere werden zu Rittern und als solche schnell verheiratet. Kurz, wir bauen unser kleines Reich aus und verbrauchen dabei die pro Runde begrenzte Ressource Zeit.

Phase 1.5 schließt sich für jeden Spieler variabel an Phase 1 an. Dabei werden die Ritter auf den verschiedenen Orten auf dem Spielbrett platziert, wo sie später Aktionen für uns ausführen werden. Spieler, die ihre Ritter bereits platziert haben, während die lieben Mitspieler vielleicht noch in Phase 1 rumtrödeln, können anschließend den Zeitverbrauch noch forcieren, um so etwas Zeitdruck aufzubauen.

Nach einer kurzen Zwischenphase werden dann in Phase 2 die Aktionen auf dem Spielbrett der Reihe nach abgehandelt. Neben der recht selbsterklärenden Aktion Tauschhandel kann man dabei versuchen, seine Töchter zu verheiraten, einen seiner Mitspieler angreifen, um ihm ein Land zu stehlen, oder - und das ist ein Kernelement des Spiels - versuchen, einen fremden Ritter zu seinem Vasallen zu machen.
Der Angreifer benötigt dafür eine bestimmte militärische Übermacht, und der verteidigende Spieler kann dem Angreifer ein Rohstoffangebot machen, um seinen Ritter zu schützen. Schlägt der Angreifer dieses Angebot aus und überbietet es mit einem Gegenangebot, wird der Verteidiger zu seinem Vasallen. Vasallen bringen ihrem Lehnsherren ein (sehr bescheidenes) Zusatzeinkommen, meist einige Siegpunkte (mitunter sehr unbescheiden) und sehr interessante Verpflichtungen und Verknüpfungen zwischen den Spielern. Ein Vasall greift nie seinen Lehnsherren an, aber der Lehnsherr natürlich auch nie seinen Vasallen. Wobei hier die Unterscheidung zwischen Vasall (eine einzelne Ritterfigur eines Spielers) und Lehnsherr (ein Spieler mit all seinen Rittern) sehr bedeutsam ist. Darüber hinaus kann der Lehnsherr seinem Vasallen bei einem Angriff oder bei der Verteidigung hilfreich zur Seite stehen, was für beide Seiten durchaus wertvoll sein kann, weil die Siegpunkte z. B. für Länderreihen des Vasallen gleichermaßen für beide Spieler zählen.

Zum Abschluss einer Runde folgt dann der Winterwurf, der minderbegüterten Rittern zum Verhängnis werden kann, neue Zeitmarker werden ausgelegt, und schon startet die nächste Runde.

Kaum zu glauben, aber nach nur fünf Runden ist das Spiel bereits vorbei, und nach einer kurzen Schlusswertung steht der Sieger fest. Na also, war doch gar nicht so schwierig, oder? Und zu lang hoffentlich auch nicht.

Fazit

Was für ein Schwergewicht von einem Spiel. Wenn die Komplexität der Regeln Gewicht hätte, müsste ich das Spiel wohl im Keller lagern, ganz sicher nicht im IKEA-Regal. So aber steht es in eben dem und ruft mir von dort aus herausfordernd zu: Spiel mich! Und ich antworte: Ja gerne, aber deine Regeln! Gar nicht mal, dass ich sie nicht kenne, aber es braucht ja auch immer ein paar Mitspieler und deren Geduld, sich all diese Regeln anzuhören. Unter 30 Minuten Regelerklärung ist da nichts zu machen. Und im Spiel kommen dann trotzdem noch die Momente, in denen man folgende Aussagen hört: Ach so, ach das geht auch; ach, und daran hab ich natürlich schon nicht mehr gedacht. Richtig Spaß macht das Spiel erst in der zweiten oder dritten Runde, wenn man mit allen Details vertraut ist.

Eine Frage, die man sich aber unweigerlich auch als regelvertrauter Spieler stellt: Braucht es das alles wirklich? Zum Beispiel 2 Siegpunkte für einen Angreifer, wenn dieser vor dem Angriff weniger Siegpunkte hat als der Verteidiger (nach dem Angriff kann das ja schon wieder ganz anders aussehen)? Sonderregeln mit Situationsbezug für 2 Siegpunkte, bei 60 - 80 Siegpunkten am Spielende, muss das wirklich sein?

Dabei muss man eigentlich sagen, dass die Regel gemessen an der Komplexität angenehm kurz sowie gut und übersichtlich ist. Alles, was erklärt wird, ist kurz, prägnant und meist auch eindeutig geregelt. Nur durch die Vielzahl kleiner Zusatz- und Detailregeln entstehen einige unschöne Unklarheiten und Regellücken. Nichts Gravierendes, aber man hat das Gefühl, hier wurde zu viel gewollt.

Davon abgesehen muss ich aber sagen, konnte MIL mich spielerisch durchaus überzeugen. Obwohl es einige Elemente sattsam bekannter Workerplacement-Spiele beinhaltet, hat es mit Lehnsherr und Vasallen einen sehr interessanten Interaktionsmechanismus, der vor allem in den letzten Runden stark zum Tragen kommt und für Spannung sorgt. Schließlich kann man einen Spieler auch indirekt angreifen, in dem man seine Vasallen bekämpft. Alle Punkte, die dieser verliert, verliert sein Lehnsherr gleich mit. Und auch die Bedeutung der Töchter im Spiel, punktetechnisch am Ende negativ, im Spiel aber durch ihren Einfluss wichtig und nicht zu unterschätzen wertvoll, ermöglichen taktische Spielzüge und auch mal böse Überraschungen.
Das Spiel kommt fast komplett ohne Glücksfaktor aus, einzig beim Erwerb der freien Länderreien, wo wir ihn dann auch als etwas zu hoch empfunden haben und uns jetzt mit einer kleinen Hausregel behelfen. Alles andere ist, bis auf die Mitspieler, gezielt planbar.

Was die Spielerzahl angeht, würde ich das Spiel zu dritt oder viert empfehlen, dann bleibt die Spieldauer im normalen Rahmen von anderthalb bis zwei Stunden.

Lobende Worte auch noch zum ordentlichen Material, das vom Verlag als auf jeden Fall ausreichend gepriesen wurde. Das ist es spätestens in voller Besetzung eigentlich nie, aber immerhin nehme ich daher die Bestätigung meiner Annahme, dass das Spielmaterial als unlimitiert angesehen werden darf.

Für mich ist MIL eins der erwähnenswerten Vielspielerspiele der Spielemesse 2011, da es bekannte und neue Mechanismen spielerisch und auch thematisch sehr stimmig verzahnt. Einzig die suboptimale Regelfülle verhindert eine bessere Wertung, wobei das Spiel trotzdem einwandfrei spielbar ist und in der richtigen Runde für finstere Blicke und spannende Spielzeit sorgt.

Rezension Michael Timpe

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.

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H@LL9000-Bewertungen

H@LL9000 Wertung MIL (1049): 5,0 5,0, 1 Bewertung(en)

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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 10.03.12 von Michael Timpe

Leserbewertungen

Leserwertung MIL (1049): 4,0 4.0, 3 Bewertung(en)

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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 09.06.12 von Braz - Hat mir sehr gut gefallen. Bestimmt nicht jedermanns Sache, aber ich fand`s sehr gut
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 09.06.12 von Beat Fumasoli - Schönes, thematisch stimmiges Spiel, das ich aber auf keinen Fall nochmals zu fünft spielen würde (ewige Spieldauer!). Ausser durch die Vasallen/Lehnsherr-Beziehungen hebt sich MIL von anderen Ritter-Placement-Spielen auch dadurch hervor, dass die einzelnen Ritter untereinander nicht einfach austauschbar sind. Jeder Ritter hat eigene Ländereien, Burg und Krieger und muss sich auch individuell um den Dynastieerhalt kümmern (gerade in Bezug auf den Dynastieerhalt spielt das [Würfel-]Glück übrigens sehr wohl eine Rolle!). Entsprechend beschränkt sich die Strategie nicht darauf, die "richtigen" Aktionen auszuwählen. Man muss stets auch darauf achten, welcher Ritter für welche der geplanten Aktionen eingesetzt werden soll.
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Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 15.06.12 von Nick - Zu zweit leider Langeweile pur, trotz der tollen Aufmachung.

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