Spielerei-Rezension
Spielerei-Kritik Frühjahr 2011: Bandenaufbau mit Paaren
Zwei Banden beherrschen die Straßen bei Famiglia. Um die Macht der eigenen Bande zu vergrößern, rekrutieren die Spieler neue Mitglieder auf der Straße. Diese schließen sich der eigenen Bande allerdings nur an, wenn sie von etwas schwächeren Mitgliedern der eigenen Familie rekrutiert werden, die in Paaren auftreten. Wer zum Spielende die meisten Siegpunkte in seiner Bande vereinigt, ist der neue Herrscher der Straße.
Beide Spieler starten mit vier Nullen. Sie kommen aus vier unterschiedlichen Familien, deren mächtigere Familienmitglieder jeweils unterschiedliche Spezialfähigkeiten besitzen. Alle Karten außer den vier Startkarten pro Spieler werden gemischt. Die obersten sechs Karten des Kartenstapels werden aufgedeckt und bilden die Straße. Liegt kein Gangster mit dem Wert null in der Auslage, darf der aktive Spieler eine Karte aus der Straße ablegen und so viele Karten vom Nachzugstapel ziehen, wie der Wert der abgelegten Karte beträgt. Dies darf er solange machen, bis ein oder mehrere Nullen in der Straße liegen. Die Nullen sind zwar die schwächsten Karten, aber zum Aufbau der eigenen Bande unerlässlich. Eine Null darf der Spieler in seinem Zug kostenlos auf die Hand nehmen. Um eine höhere Karte aus der Straße aufzunehmen, muss er zwei Karten der gleichen Familie vorweisen, die genau einen Rang niedriger sind. Zeigt der Spieler z. B. zwei Nullen vor, darf man sich einen Einser dieser Familie aus der Auslage nehmen. Eine der Nullen verbleibt dann auf der eigenen Hand, die andere wandert in die Auslage vor dem Spieler. Um schneller einflussreiche Bandenmitglieder anzuwerben, ist die Nutzung der Sondereigenschaften der einzelnen Familien hilfreich. Jede Sondereigenschaft einer Familie darf nur einmal pro Zug genutzt werden. Nachdem die Straße ggf. mit Nullen aufgefüllt wurde, kann der Spieler einen seiner Buchmacher einsetzen. Dazu legt er ihn in seine Auslage. Dann darf er so viele Karten aus der eigenen Auslage mit eigenen Handkarten tauschen, wie der ausgelegte Buchmacher gestattet. Im weiteren Verlauf seines Zuges darf der Spieler einen seiner Brutalen nutzen. Der Brutale wandert in die eigene Auslage. Zuvor reduziert er den Wert einer ausgewählten ausliegenden Karte, sodass diese nun leichter zu übernehmen ist. Die Söldner helfen direkt bei der Übernahme, in dem sie als Joker fehlende Karten ersetzen.
Sobald der Kartenstapel einmal durchgespielt ist, sind keine Nullen mehr auf der Straße zu finden. Damit darf nur noch einmal eine Karte aus der Straße abgelegt werden, um neue nachzuziehen. Sobald die letzte Karte des Nachzugstapels ausliegt, nähert sich das Spiel dem Ende. Sind keine Karten mehr in der Auslage oder haben beide Spieler gepasst, zählen beide Spieler die Siegpunkte in ihrer Auslage und den Handkarten. Hier kommt die Stunde der vierten Familie, die keine Sondereigenschaften im Spiel hat, deren Mitglieder am Ende allerdings mehr Siegpunkte zählen. Der Spieler mit den meisten Punkten ist der neue Pate in der Stadt.
Die Ausgangslage beider Spieler ist bei Famiglia identisch. Aber bereits in den ersten Runden entwickeln sich die Kartensets der Spieler auseinander. Da die Spieler in dieser Phase nur Nullen sammeln können, um dann die ersten Einser zu rekrutieren, geben die in der Straße ausliegenden Karten den Weg vor, aus welcher Familie die ersten Bandenmitglieder rekrutiert werden können. Kartenhände und Auslagen der Spieler wachsen immer weiter. Mit jeder Rekrutierung aus der Straße steigt die Anzahl der Karten. Der Schlüssel zum Erfolg ist der erfolgreiche Einsatz der Sonderkarten. Der Buchmacher kann wertvolle Sonderkarten aus der eigenen Auslage wieder reaktivieren. Der Brutale macht unerschwinglich erscheinende Karten erwerbbar. Wird die Sondereigenschaft einer Karte genutzt, wird sie in die Ablage gelegt. Dies reduziert die eigene Kartenhand. Exzessive Nutzung von Sonderkarten dünnt die Kartenhand damit dramatisch aus. Genaue Planung ist notwendig, sonst spielt man sich schnell in eine Sackgasse und kann nicht mehr die notwendigen zwei Karten zusammenbringen, um die nächsthöhere Karte zu erhalten. Auch sollte man die Kartenhand des Mitspielers im Blick behalten. Kann man aus der Straße Karten ablegen, weil die Nullen fehlen, sollte man die Karten ablegen, mit denen der Mitspieler mehr anfangen kann.
Famiglia verzeiht nur wenige Fehler und man benötigt einige Partien, bis man sich an den ungewöhnlichen Rhythmus dieses Kartenaufbauspiels gewöhnt hat. Der Tempowechsel zwischen dem langsamen Kartensammeln mit passenden Pärchen und dem Einsatz von Sonderkarten will erst erlernt werden. Gönnt man Famiglia und sich diese Zeit, erlebt man viel Spielfreude mit diesem kleinen und feinen taktischen Kartenspiel.
Die verständliche Spielregel steckt mit den Karten in einer Schachtel, die wie eine kleine Zigarrenkiste wirkt. Die Karten sind in Mauras einzigartigem Stil passend in Szene gesetzt. Auch ist es wohl kein Zufall, dass einer der Buchhalter Lehmann heißt. Möchte man solche Typen eigentlich in der eigenen Bande haben?
Rezension Marcus Janka
In Kooperation mit der Spielezeitschrift