Rezension/Kritik - Online seit 24.06.2004. Dieser Artikel wurde 6168 mal aufgerufen.
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Beide Mitspieler steuern 3 Piratenschiffe, mit denen sie versuchen, möglichst lukrative Handelsschiffe zu kapern und den Mitspieler gleichzeitig an selbigem zu hindern.
Es gibt 7 Arten von Karten, wobei effektiv nur mit 5 Kartenarten gespielt wird:
Die 6 Piratenschiffe werden gemischt und je 3 davon links und rechts oberhalb der Reihe der Indikatorkarten ausgelegt.
Dadurch entsteht ein T-förmiges Gebilde, welches durch die Indikatorkarten in zwei Spielhälften geteilt wird. Jedem Spieler „gehört“ eine Spielhälfte mitsamt der drei zuoberst liegenden Piratenschiffkarten.
Die übrigen Kartenarten werden jeweils für sich gemischt und jeder Spieler erhält je 3 Handelsschiff-, Schatz-, Meeres- und Strategiekarten sowie eine Ereigniskarte.
Nun sind beide Spieler abwechselnd am Zug und spielen die Karten in der oben genannten Reihenfolge: zunächst werden die 6 Handelsschiffe gelegt, dann die 6 Schatzkarten und so weiter. Die Indikatorkarten dienen dabei als Gedankenstütze bezüglich der einzuhaltenden Reihenfolge, haben aber ansonsten keine weitere Funktion.
Gelegt werden die gespielten Karten jeweils unter ein Piratenschiff (ein eigenes oder ein fremdes, d.h. es ist auch erlaubt in der Hälfte des Gegners zu spielen um diesen an lukrativen Eroberungen zu hindern).
Wurden alle Karten (bis auf die Ereigniskarte) gespielt, ist folglich eine aus 6 Spalten bestehende Auslage entstanden, welche zuoberst immer ein Piratenschiff, darunter ein Handelsschiff, eine Schatzkarte, eine Meereskarte und eine Strategiekarte aufweist.
Nun werden die Ereigniskarten gespielt, welche beispielsweise das Vertauschen zweier Schatz-, Strategie- oder Handelsschiffkarten erlauben.
Anschliessend erfolgt die Wertung: In jeder Spalte ist die Strategiekarte das ausschlaggebende Kriterium. Gibt sie z.B. „Bewaffnung“ vor, so wird zunächst der Bewaffnungswert des in der gleichen Spalte liegenden Handelsschiffes mit dem entsprechenden Modifikator der Meereskarte addiert. Ist der Bewaffnungswert des angreifenden Piratenschiffes nun höher als dieses Resultat, so erhält der Spieler, auf dessen Spielhälfte sich das Piratenschiff befindet, die Anzahl der Schätze auf der Schatzkarte als Siegpunkte, sowie die eventuell auf dem Handelsschiff selbst abgebildeten Schätze.
Die Siegpunkte werden notiert und es folgt eine weitere Runde, wobei die T-förmige Auslage neu gebildet und mit den in der ersten Runde noch nicht verteilten Handelsschiff-, Schatz-, Meeres-, Strategie- und Ereigniskarten gespielt wird.
Wer nach beiden Runden die meisten Schatzpunkte erobern konnte, ist der Gewinner des Spiels.
Fangen wir mit den Äußerlichkeiten an, dem Schachtelaufdruck. Das Spiel ist für Spieler ab 12 Jahren und mit einer Spieldauer von 30-45 Minuten angegeben. Beides halte ich für deutlich zu hoch gegriffen. Mit Ausnahme der ersten Partie dauerte keine Spiel länger als 15 bis 20 Minuten, und so schwierig, dass es erst ab 12 begriffen werden könnte ist „Tortuga“ bei weitem nicht. 9 Jahre würde ich hier als Größenordnung für passender halten.
Sehr positiv fiel mir das Design auf: Die Karten sind wunderschön gezeichnet, durch zwar dezente, aber dennoch klar unterscheidbare Vorder- und Rückseiten auch eindeutig ihrer jeweiligen Kategorie zuzuordnen und qualitativ einwandfrei.
Die Regeln sind klar verständlich, wobei man allerdings an einigen Formulierungen schon merkt, dass bei der Übersetzung jemand am Werk war, der Deutsch nicht als Muttersprache spricht.
In zwei Punkten liegt allerdings ein Übersetzungsfehler vor: Bezüglich des Anlegens der Karten steht dort, dass so lange Karten in einer Reihe abgelegt werden müssen „bis freie Plätze entstanden sind“. Korrekt muss es allerdings heissen „so lange freie Plätze vorhanden sind“.
Außerdem gibt es eine Diskrepanz zwischen der zum Vergleich herangezogenen englischen Regelversion und der deutschen Fassung: Die deutsche Regel besagt, dass man seine Ereigniskarte bis zu ihrem Einsatz verdeckt hält. Laut der englischen Version wird sie allerdings offen gelegt, so dass beide Spieler wissen, welche „Überraschung“ der Mitspieler noch bereit hält.
Das Spiel selbst ist handwerklich in Ordnung, wenngleich der Glücksanteil schon immens ist: Da die Strategiekarten (welche ja bestimmen, welches Kriterium in welcher Reihe für die Auswertung entscheidend ist) als letzte Karten gespielt werden, stochert man lange Zeit im Nebel herum und legt die Karten der ersten 3 Reihen weitgehend mechanisch:Handelsschiffe, die in möglichst vielen Kategorien schwächer sind als die eigenen Schiffe, legt man zu sich, die anderen zum Gegner. Schätze? Hohe auf die eigene Seite, niedrige zu dem Mitspieler.
Am interessantetsten ist das Legen der Meereskarten. Lege ich sie zunächst so, dass ich die auf meiner Seite liegenden Handelsschiffwerte so modifiziere, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, die Schiffe zu entern? Oder mache ich dem Mitspieler lieber Schiffe „zu“, indem ich z.B. einem lukrativen Handelsschiff, welches vielleicht nur in einer Kategorie dem entsprechenden Piratenschiff unterlegen ist, solche Werte verpasse, dass es uneinnehmbar ist, egal welche Strategiekarte anschliessend folgen wird?
Schliesslich die Strategiekarten: Habe ich viele erfolgversprechende Kombis und der Gegner wenige, dann ruiniere ich ihm möglichst auch diese noch. Soll er es mir ruhig heimzahlen – ich habe ja den längeren Atem. Ist es umgekehrt, bringe ich schnell meine Schätze in Sicherheit und sorge anschliessend beim Mitspieler für möglichst wenige Punkte.
Zuletzt noch die Ereigniskarten, welche nochmals alles durcheinander würfeln können: Zwei Strategiekarten vertauschen? Heftig, Heftig! Nicht selten ist es dadurch möglich, dem Gegner eine komplette Nullrunde zu bescheren. Zwei Schätze um +/-2 modifizieren? Eher weniger prickelnd...
Etwas verwundert hat mich, dass manche Handelsschiffe in einigen Kategorien einen Wert von „8“ vorgeben. Da die Werte auf den Handelsschiffen mittels der Meereskarten maximal um 1 reduziert werden können, wäre das niedrigstmögliche Resultat eine 7 – immer noch 1 höher als der höchste Wert der Piratenschiffkarten. Da ein Piratenschiff zum Erfolg in der vorgegebenen Kategorie immer einen höheren Wert als das Handelsschiff haben muss, hätte auf den Handelschiffen auch eine 7 als höchster vergebener Wert gereicht, um manche Schiffe in einigen Kategorien unbesiegbar zu machen. Wegen dieses Punktes habe ich etwas an mir selbst gezweifelt, aber trotz mehrmaliger Regellektüre (auch der englischen Fassung) keine mir einleuchtende Erklärung finden können.
Dennoch kann ich nicht umhin zuzugeben, dass mir Tortuga Spaß gemacht hat. Nicht so, dass ich es als Reisser und absoluten Pflichtkauf bezeichnen würde, dagegen spricht der teilweise mechanische Ablauf, die unausgewogenen Ereigniskarten und die doch nicht so arg gegebene Steuerbarkeit gepaart mit einem kräftigen Anteil destruktiver Spielelemente.
Auf der anderen Seite bietet es nämlich eine Grafik, die zumindest zu weiteren Partien animieren kann, eine kurze – dem Spiel völlig angemessene – Spieldauer, schnell eingängige Regeln und einen nicht geringen Ärgerfaktor.
Hinweis: Auf der Homepage des Verlages stehen Varianten zum Download bereit: http://www.redomegastudio.com/eng/home.html
Zum einen hat man wohl die Unausgewogenheit der Ereigniskarten erkannt und schlägt vor, diese entweder ganz wegzulassen oder nach Stärke zu gruppieren und beiden Spielern Karten gleicher Wertigkeit zu geben. Beide Varianten erhöhen etwas die Planbarkeit und verringern den Ärgerfaktor.
Zum anderen wird vorgeschlagen, die Schatzkarten verdeckt auszulegen. Dies mag zwar realistischer sein (welches Handelsschiff hatte schon ein Plakat an der Bordwand: „Hallo Piraten – wird sind heute besonders lukrativ beladen!“), erhöht aber den Glücksanteil nochmals deutlich, weswegen ich diese Variante nach einmaligem Ausprobieren garantiert nicht nochmal spielen werde.
Darüberhinaus stehen Varianten für 3 und 4 Spieler bereit, welche als Voraussetzung aber den Kauf eines zweiten Spieles bedingen und von mir daher nicht getestet wurden.
Rezension Michael Andersch
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
H@LL9000 Wertung Tortuga: 2,5, 6 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
22.06.04 von Michael Andersch |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
01.04.04 von Kathrin Nos |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
01.04.04 von Peter Nos |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
14.05.04 von Steffen Stroh - Schade um die traumhaft schönen Karten... |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
21.05.04 von Jörn Griesbach |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
24.06.04 von Frank Gartner - Schöne Karten, interessanter Grundgedanke, aber letztendlich vermisse ich den entscheidenden Kick. Gerade durch die extreme Wendung durch die Sonderaktionen am Ende einer Runde, ist das Spiel nur begrenzt planbar. |
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