Spielerei-Rezension
Spielerei Juni 2006:
Richard Sivél scheint gerne Eingebungen zu folgen. "Sachsens Glanz und Preußens Gloria", eine DDR-Serie im Bayerischen Fernsehen gesehen und das alles noch vor der Wendezeit, war der Auslöser für sein Spiel Friederich. An dem Fernsehabend, schreibt er in seinen Nachbetrachtungen zur Spielregel "stand mir das Spiel bestechend klar vor Augen, so klar, dass Friederich seit dem ersten Prototypen in seiner Grundidee keine und in seinem Detailkonzept nur marginale Änderungen erfahren hat." Der Autor will einerseits historisch korrekt verfahren, das heißt, dass das Prinzip "Alle-gegen-Friedrich" und die Auswirkungen des Todes der Zarin Elisabeth spielprägend sind. Der Wunsch nach einem "schlanken Regelwerk" (immerhin sechs eng bedruckte Seiten sind es schließlich geworden) führte den Autor zu einer Mischung von Brett- und Kartenspiel.
Drei oder vier Spieler beschäftigt Sivél zwei bis drei Stunden mit dem Nachspielen des Siebenjährigen Krieges. Friedrich der Große führt Preußen und Hannover, seine Gegenspielerinnen sind die Zarin Elisabeth (Russland und Schweden), die österreichische Kaiserin Maria Theresia (Österreich und Reichsarmee) und die Pompadour, die Frankreich vertritt. Bis auf Preußen müssen die Kombattanten konkrete Kriegsziele in Hinblick auf die Eroberung von Städten in ihren Grenzgebieten für den Spielsieg erreichen. Preußen ist der große Verhinderer, im Rundumschlag gewinnt der Spieler Preußens, wenn keiner der Gegenspieler sein Ziel erreicht.
Der Rundenablauf legt die Aktionen der beteiligten sieben Nationen exakt fest. Preußen und Hannover müssen starten. Vorher haben alle Spieler mit Hilfe eines Armeeplanes eine selbst festgelegte Truppenzahl ihren Generälen zugeordnet. Preußen kann zum Beispiel 32 Armeen auf acht Truppenführer verteilen, wobei einer maximal acht Einheiten bekommen darf. Versorgungseinheiten werden auch noch platziert und dann erhält jeder noch eine vorgegebene Anzahl von Spielkarten. Der Rundenzähler kommt auf das Feld 1756 und 18 Schicksalskarten werden gemischt.
Preußen startet mit sieben Karten, sein Partner Hannover bekommt zwei. Der Friedrich-Spieler muss diese Karten getrennt verwalten, nutzen kann er sie für Kämpfe und Rekrutierungen. Die Karten besitzen französische Spielkartensymbole und Werte von 2 bis 13. Den historischen Spielplan prägt einerseits ein Straßennetz mit Haupt- und Nebenstrecken, rechteckigen Sektoren sind die Kartensymbole zugeordnet. Diese schränken die Kartenbenutzung ein, denn für eine Auseinandersetzung dürfen Karten nur dann gespielt werden, wenn die beteiligten Truppen im Bereich der Kartenfarbe stehen. Die Spieler dürfen in der Bewegungsphase alle Einheiten verschieben. Ein General darf auf Hauptsraßen vier Städte weit ziehen, über Nebenstrecken immerhin drei. Ein Verpflegungstross kommt nur zwei oder drei Städte weit voran.
Durch die Bewegung von Truppen kommt es zur Eroberung von Städten, völlig unblutig geschieht dies immer dann, wenn eine Zielstadt nicht gedeckt ist, das heißt, wenn die verteidigende Armee mehr als drei Städte weit entfernt steht. In der Regel müssen Kämpfe ausgetragen werden. Zuerst wird dabei festgestellt, wie viele Armeen sich gegenüberstehen, und da bis zu drei Generäle zusammen vorgehen dürfen, kann die maximale Zahl 24 Armen betragen. Zur Feststellung des "Startstandes" wird die Differenz gebildet, der unterlegene Spieler hat nun die Möglichkeit, durch Karteneinsatz auszugleichen oder den anderen zu übertrumpfen. Gespielt werden dürfen nur Karten mit Symbol des Sektors, in dem sich der führende General befindet. Karten werden gespielt, bis ein Sieger feststeht, die Enddifferenz gibt den Verlust an Armeen und die Weite des Rückzuges vor. Wer mit einer Differenz von vier Punkten verloren hat, muss also vier Armeen hergeben und sich um vier Städte zurückziehen, die Rückzugsroute bestimmt der Gewinner.
Geschickt löst das Spiel die Versorgung der Truppen. Die Verteidiger werden dadurch gestärkt, dass eigene Truppen im Heimatgebiet stets versorgt sind. Die Angreifer brauchen den Armeetross, der bis zu einer Entfernung von sechs Städten Truppeneinheiten versorgt. Die Verbindung kann durch gegnerische Einheiten unterbrochen werden. Falls ein General mit seinen Truppen während einer Zugphase nicht versorgt wird, ist das noch nicht tragisch. Gilt das aber auch noch in der dann folgenden Runde, verliert er alle seine Armeen. Kampf- und Versorgungsverluste können in der Bewegungsphase durch Rekrutierung von Soldaten ausgeglichen werden. Bezahlt wird mit Spielkartenpunkten, für sechs Punkte gibt es eine Armee oder einen Tross. Die maximale Zahl von Armeen, bei Preußen 32, darf aber nicht überschritten werden. Für den Einsatz neuer Armeen gibt es Depotstädte auf dem Spielplan. Die am Anfang bereit gelegten 18 Schicksalskarten kommen erst mit der sechsten Runde ins Spiel. Sivél greift auf wichtige historische Ereignisse zurück, die sich zum Teil deutlich auf den Spielverlauf auswirken. Die Zarin kann sterben, was zum Ausscheiden Russlands führt. Der Russland-Spieler verfügt nur noch über die schwedischen Truppen. Wenn Frankreich Kanada verliert, steigt die Pompadour aus, der Frankreich-Spieler führt ab sofort die Reichsarmee. Schließlich kann noch der Friedensschluss Schwedens kommen. Sobald drei Gegner Preußens nicht mehr im Spiel sind, endet Friedrich. Wenn bis dahin keine Partei ihre vorgegebenen Ziele, die mit dem Ausscheiden von Staaten etwas erleichtert werden, erreicht hat, ist Preußen Sieger.
Sivél ist das Kunststück gelungen, die glücksabhängige Kartenaufnahme mit spannenden strategischen Elementen zu kombinieren, so dass man nie den Eindruck hat, gespielt zu werden, sondern der Marschallstab wirklich im Gepäck mitgeführt wird. Das Faszinierendste ist aber, dass der Autor die unausgewogenen Ausgangslagen in ein in Ansätzen gleichberechtigtes Spiel überführen konnte. Preußen zu spielen, ist zwar nicht gerade einfach, da man sich an vielen Fronten bewähren muss, aber auch das hat seinen Reiz. Russland hat nach unseren Erfahrungen den schwersten Stand, aber auch für die Zarin gibt es, sofern sie nicht vorzeitig ausscheidet, Gewinnstrategien. Am besten sieht es eigentlich für Frankreich und Österreich aus, die auch am häufigsten in unseren Runden gewonnen haben. Alle, die skeptisch ob der Spielkonzeption mit Spielkarten waren, urteilen nach einer Partie Friedrich ganz anders. Die Zustimmung überwiegt, teilweise auch Begeisterung. Kritisiert wird allerdings häufig das abrupte Ausscheiden von Mächten durch die Schicksalskarten. Da hat man geplant und geplant und alles wird manchmal sogar sehr schnell durch eine zufällige Karte kaputt gemacht. Man muss auch Zeit finden, denn 150 bis 180 Minuten für den Siebenjährigen Krieg sollten die Spieler schon einplanen. Versprechen kann ich aber einen durchaus spannenden, abwechslungsreichen dreistündigen Einstieg in die Historie des 18. Jahrhunderts.
Rezension Wieland Herold
In Kooperation mit der Spielezeitschrift