Rezension/Kritik - Online seit 08.01.2010. Dieser Artikel wurde 8052 mal aufgerufen.
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Zurückversetzt in das Europa des 13. bis 18. Jahrhunderts, gilt es, in Anlehnung an die italienische Fürstenfamilie Gonzaga, als einflussreiche Adelsfamilie auf friedliche Art und Weise die größte Macht anzustreben. Mit diesem Ziel vor Augen werden in den damaligen sechs europäischen Regionen permanent Lehen vergrößert, Seebündnisse geschlossen, die Kontrolle über wirtschaftliche und kulturelle Zentren übernommen und manchmal auch gewinnbringend geheiratet.
Nachdem die Wahl auf ein Szenario gefallen ist, das Europa in aktive und passive Regionen unterteilt, erhält zu Beginn einer Runde jeder Spieler eines seiner zwölf unterschiedlich geformten Lehen. Dies kann er sich nicht aussuchen, sondern deckt dafür die oberste seiner Lehenkarten auf. Anschließend wählen alle Spieler gleichzeitig je eine Regions- und Aktionskarte aus, die sie zunächst verdeckt auf die linke Hälfte ihres Spielertableaus legen. Haben sich alle Mitspieler entschieden, werden die Karten aufgedeckt, so dass nun ersichtlich wird, wo und wie die Spieler ihre Lehen einsetzen möchten.
Während die Regionskarte das Gebiet bestimmt, in dem mindestens ein Feld von dem Lehen abgedeckt werden muss, gibt die Aktionskarte an, in welcher Reihenfolge die Spieler ihre Lehen platzieren und welche Art von Feldern dabei überdeckt werden. Dies bedeutet, dass mit der Aktionskarte "Hafen" mindestens ein oder zwei Häfen und mit der Aktionskarte "Städte" entsprechend Städte oder nur freie Felder belegt werden müssen. Die Aktionskarte "Bündnis" erfordert eine Kombination aus Häfen und Städten, bietet aber auch alternativ die Möglichkeit, ein Heiratsbündnis zu schließen, indem man anstelle des Lehens einen oder zwei Ringe auf benachbarten Feldern einsetzt. Die Ringe können sowohl auf freien Feldern als auch auf einem fremden Lehen platziert werden. Für jedes Stadt- oder Hafenfeld, das man mit einem Lehen oder Ring bedeckt hat, gibt es sofort Siegpunkte. Gelingt es einem Spieler mindestens drei Häfen mit gleichem Symbol zu überdecken, erhält er für dieses Seebündnis einen Bonus.
Die Runde endet, indem die gespielten Aktions- und Regionskarten von der linken auf die rechte Tableauseite geschoben werden. Diese Karten stehen nun für die folgende Runde nicht zur Verfügung und dürfen erst am Ende der nächsten Runde wieder auf die Hand genommen werden. Gespielt werden sieben bis zwölf Runden. Dies richtet sich nach der Anzahl der nicht überbauten Städte und Häfen in den aktiven Regionen, die ab der sechsten Runde überprüft wird. Es folgt letztlich noch eine Schlusswertung, bei der ein Bonus für die meisten verbundenen Lehen vergeben wird und der zu Spielbeginn an jeden Spieler verteilte Geheimauftrag ausgewertet wird, bei dem man für das Bedecken von bestimmten Städten zusätzlich gestaffelt Siegpunkte erhält.
Gonzaga verfügt über eine der wohl ungewöhnlichsten Spielmaterial-Kompositionen der letzten Zeit. Der große Spielplan mit seinen dezenten Farben sowie die dicken Pappplättchen für die Szenarienwahl und die Abdeckung der Regionen sind, auch wenn dem Auge auf den ersten Blick durch die vielen Symbole und Linien etwas viel zugemutet wird, mehr als gelungen. Gespart wurde lediglich an den Spielertableaus, die im Vergleich dazu ein wenig dünn ausgefallen sind. Den krassen Gegensatz jedoch bilden die vielen bunten Plastikteile, die Spielästheten einen leichten Schauer über den Rücken laufen lassen. Dennoch erweist sich das Material als äußerst praktisch. Die fein modellierten Burgen sind hervorragend als Griff geeignet und die Ringform ermöglicht, dass die Symbole der Felder sichtbar bleiben. Das Ganze ist durchdacht und nach spätestens einigen Spielen hat man sich an das Design gewöhnt und weiß die Funktionalität zu schätzen.
Die Spielanleitung ist rundum gelungen. Auf wenigen Seiten wird mit zahlreichen bebilderten Beispielen alles bestens erklärt, so dass keine Fragen offen bleiben. Positiv anzumerken ist auch, dass auf Sprachneutralität Wert gelegt wurde. So ist die Symbolik auf den Spielerkarten nahezu selbsterklärend. Einem schnellen Spieleinstieg steht somit nichts im Wege.
Auch der Spielablauf gestaltet sich aufgrund der gemeinsamen Planungs- und relativ schnell abgehandelten Einsetzphase sehr zügig. Natürlich können auch hier Grübler, Optimierer und Spieler ohne räumliches Vorstellungsvermögen die Wartezeit gelegentlich in einen kritischen Bereich treiben, wobei sich aber auch das im Vergleich zu manch anderen Spielen sehr in Grenzen hält. So wird selbst bei Spielrunden, die gerne etwas Bedenkzeit beanspruchen, die Spieldauer von 30 bis 60 Minuten selten überschritten. Zu zweit werden gewöhnlich zwölf Runden gespielt und somit alle Lehen verbaut, bei vier Spielern reduziert sich die Rundenzahl oft auf acht bis neun, was das eher seltene Spielgefühl hervorruft, das Spiel wäre viel zu schnell vorbei.
Die kurze Spieldauer und die einfachen Spielmechanismen verleiten schnell zu der Annahme, es handele sich um ein einfaches Legespiel ohne größeren Anspruch. Dies ist jedoch ein Trugschluss, denn Gonzaga besitzt mehr spielerische Tiefe als es auf den ersten Blick erscheint. Ohne planerisches Geschick reduzieren sich die Gewinnchancen auf ein Minimum. Ein leichter Glücksfaktor, der beim Ziehen der zu platzierenden Lehen auftritt, kann natürlich das ein oder andere Mal die beste Planung durcheinanderbringen. Diesen als Entschuldigung für eine verloren gegangene Partie heranzuziehen, wäre aber in jedem Fall übertrieben.
Gonzaga bietet verschiedene Möglichkeiten, Siegpunkte zu sammeln: Den Geheimauftrag zu vernachlässigen ist sträflich, die Sonderpunkte für die längste zusammenhängende Lehenkette sind nicht zu verachten und die Bonuspunkte für Seebündnisse können manchmal spielentscheidend sein. Am liebsten möchte man natürlich alle verfolgen und dazu überall uneingeschränkt aktiv werden. Nur ist dies nicht ganz so einfach, da man einerseits durch den Spielmechanismus ausgebremst wird, der die erneute Ausführung einer Aktion und das wiederholte Einsetzen von Lehen in derselben Region verhindert und es andererseits ja auch noch die liebe Konkurrenz gibt, die einem ständig einen Strich durch die Rechnung macht, indem sie ihre Lehen unerklärlicherweise immer dort einsetzt, wo man es gerade selbst vorgesehen hat. Gerade deshalb ist auch ein gelegentlicher Blick auf die geplanten Aktionen der Mitspieler sehr zu empfehlen, denn ein vereiteltes Seebündnis oder durchkreuzte Heiratspläne bringen einem selbst vielleicht nur wenige Punkte, zwingen die Gegner aber zum Umdenken, was bei einer kurzen Spielzeit teilweise nicht einfach ist.
Zu zweit gelingt es einem recht gut, die eigenen Pläne zu verfolgen und gleichzeitig die Absichten des Gegners abzuschätzen. Mit steigender Spielerzahl wird es jedoch zunehmend schwieriger gezielt vorzugehen, da es immer an allen Ecken gleichzeitig brennt und der Platz auf dem Spielplan schnell eng wird. Es passiert dann öfters, dass ein Lehen nicht eingesetzt werden kann und für ein paar Trostpunkte der Kirche gespendet werden muss. Auch ist man im Viererspiel mitunter sehr dankbar, dass es eine Aktionskarte "König" gibt, mit der man sich in der Spielerreihenfolge vordrängeln kann und sein Lehen zuerst platzieren darf. Dies kostet allerdings auch einen wertvollen Ring, den man vielleicht noch für ein Heiratsbündnis benötigen könnte. Die Spielweise verändert sich ein wenig mit der Spielerzahl, aber grundsätzlich gilt: Ob mit zwei oder mehr Spielern, Gonzaga ist in jeder Besetzung gut spielbar.
Sauber konstruiert und gut ausbalanciert ist die Basis für ein gutes Spiel, aber noch wichtiger sind Spielspaß und Wiederspielreiz. Auch in diesen Bereichen kann Gonzaga punkten. Aufgrund der verschiedenen Möglichkeiten Siegpunkte zu sammeln, bleibt es spannend bis zur Schlusswertung und weckt auch die Lust auf eine Wiederholung. Allerdings wäre dieser Reiz ein wenig höher, wenn es nicht so viele andere gute und innovativere Spiele gäbe. So bleibt Gonzaga ein Spiel, das man nicht ständig in Reichweite haben muss, eine gelegentliche Partie aber immer wieder Spaß macht.
Rezension Monika Harke
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
H@LL9000 Wertung Gonzaga: 4,0, 6 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
02.01.10 von Monika Harke |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
20.12.09 von Rainer Harke |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
03.01.10 von Michael Andersch - Sehr frustig. Irgendwie passt's nie. Nicht mein Fall. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
04.01.10 von Nicole Biedinger |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
04.01.10 von Frank Gartner - Der Einfluss sinkt natürlich mit steigender Anzahl Mitspieler. Meine Wertung bezieht sich auf das Spiel zu zweit. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
10.01.10 von André Beautemps - s. Kommentar Frank Gartner |
Leserwertung Gonzaga: 5.0, 3 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
08.01.10 von Björn Kalies - Kurz und gut - ich finde Gonzaga Super! |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
09.01.10 von Jörn Frenzel |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
17.01.11 von JonTheDon - Sehr nettes Legespiel, gerade zu zweit kurz gespielt, dabei immer spannend und mit höchst interessanten Kniffen bei Spielerreihenfolge und Wertung. Bisher nur zu zweit gespielt wie überall empfohlen. |