Spielziel
Du kennst doch sicher den Djinn aus dem Disney-Zeichentrickfilm "Aladin". In der orientalischen Erzählwelt verkörpert der Flaschengeist einen Geist, der sich gegen ranghöhere Geister auflehnt und zur Strafe in einer verschlossenen Flasche eingesperrt wird, aus der er sich nicht befreien kann. Er ist jedem Menschen zum Dienst verpflichtet, der diese Flasche öffnet und ihn befreit. Sterbliche können sie befreien, indem sie die Flasche öffnen oder sie reiben. Ob ein Djinn von Haus aus böse oder gut ist, darauf wird in den Erzählungen allerdings meist nicht eingegangen.
Im Brettspiel aus dem Hause "Pegasus" sind alle Djinns jedenfalls bitterböse. Deine Stadt ist von freilaufenden Flaschengeistern förmlich überlaufen. Laut Jobbeschreibung ist es deshalb deine Aufgabe, nein deine Pflicht, die Djinns einzufangen und die Stadt von diesen zu befreien, damit ihre Bewohner wieder beruhigt ihrem Leben nachgehen können.
Ablauf
Du kannst dir wahrscheinlich vorstellen, dass dies alles nicht so einfach ist. Was brauchst du alles dafür, um deinen Job zu erledigen? Zuerst einmal ausreichend Magie, sonst lachen dir die Flaschengeister was. Dann natürlich passende Flaschen, um sie darin zu verstauen, sowie Korken, um die Flaschen zu verschließen, damit die Geister nicht mehr entkommen können.
Von all dem hast du allerdings anfangs zu wenig bzw. noch gar nichts. Glücklicherweise findest du über die gesamte Stadt verteilt spezielle Läden, Plätze und Märkte, um an die benötigten Sachen heranzukommen. Jeder Ort ist zwei Mal auf dem Stadtplan vorhanden, 1 x mit eckigem Aktionsfeld (Standardaktion), 1 x mit rundem Aktionsfeld (Spezialaktion).
In deinem Spielzug bewegst du dich von deinem aktuellen Ort zu einem Ort, der entlang eines Weges mit diesem verbunden ist. Dort führst du anschließend die entsprechende Aktion durch.
In der Akademie erhältst du mit der Standardaktion eine Schriftrolle, sowie 3 Magiepunkte. Die Spezialaktion erlaubt dir zusätzlich, deine Magiekapazität um 1 zu erhöhen. Wichtig, damit du mehr als die anfänglich maximal 4 Magiepunkte sammeln kannst.
In der Taverne darfst du einen der beiden dort zur Verfügung stehenden Magier anheuern, indem du die gewähte Karte offen an dein Tableau legst. Die Spezialaktion gestattet dir die Wahl zwischen allen vier Magiern, außerdem bekommst du zusätzlich 1 Schlüssel.
In den Katakomben darfst du 1 Schatztruhe (Spezialaktion: 2 Truhen) aufdecken und alles nehmen, was darauf abgebildet ist (Münzen, Schriftrollen, Magie, Korken, Flasche, etc.). Manchmal verhilft dir ein Schlüssel zu weiteren Items.
Im Archiv stehen dir 5 Optionen zur Verfügung, von denen du eine (Spezialaktion: 2 unterschiedliche) wählen darfst. Neben Schriftrollen, Münzen, etc. findest du hier auch Geheimgänge, die du - mit gewissen Einschränkungen - an eckigen Aktionsfeldern der Stadt platzieren kannst, um später dort auch deren Standardaktion nutzen zu dürfen.
In der Manufaktur kommst du an Korken ran (Standard: 1 Korken für 2 Münzen, Spezial: 2 Korken für 3 Münzen. Zudem kannst du dir hier eine Gratis-Ausrüstung (Stab, Hut oder Mantel) nehmen, die dir entweder einen sofortigen Bonus oder einen dauerhaften Effekt für einen bestimmten Ort bringt.
Am Markt schließlich kannst du - je nach gewähltem Marktzelt - unterschiedlichste Dinge kaufen oder tauschen. Am wichtigsten ist hierfür jenes Marktzelt, in dem man Flaschen erhalten kann: 1 Flasche für 1 Münze, 2 verschiedenfarbige Flaschen für 2 Münzen oder 3 verschiedenfarbige Flaschen für 4 Münzen. Du musst deine Figur auf dem Marktfeld aber auf jeden Fall zu einem anderen Zelt ziehen. Als Spezialaktion darfst du 2 x ziehen und dann auch die Möglichkeiten beider Zelte nutzen.
Auf dem Stadtplan wechseln sich eckige und runde Felder gleichmäßig ab. Wie du gesehen hast, sind die runden Felder um einiges vorteilhafter als die eckigen. Allerdings befinden sich auf den runden Aktionsfeldern auch die Djinns. Du musst versuchen, mindestens 1 Djinn einzufangen, ansonsten verlierst du 1 Magiepunkt. Jeder Flaschengeist hat eine Magiestärke von 4. Erreichst du mit deiner gesammelten Magie, sowie deinen eingesetzten Magiekarten (diese musst du bezahlen und anschließend auf die inaktive Seite wenden) die geforderte Stärke, hast du ihn eingefangen und stellst die Djinn-Figur auf einen freien Bannkreis deines Spielertableaus.
Meisterdjinns haben ebenfalls eine Basisstärke von 4, allerdings erhöht sich dieser Wert um je 2 pro anderem Djinn am selben Ort. Dafür zählt dieser für dich als Joker und kann in eine Flasche beliebiger Farbe untergebracht werden. Außerdem fängst du mit einem Meisterdjinn gleichzeitig kostenlos einen weiteren Djinn dieses Ortes ein, ein nicht zu verachtender Vorteil, für den du aber darauf achten musst, ausreichend Bannkreise freigeschaltet zu haben.
Gefangene Djinns, die du in Flaschen verstauen und zustöpseln konntest, bringen dir am Spielende je 10 Siegpunkte. Für je drei gleichfarbige Djinns erhältst du zudem eine Trophäe, die dir eine sofortige Belohnung oder zusätzliche Siegpunkte liefert. Das Spiel endet, sobald alle Meisterdjinns gefangen (oder vertrieben) wurden. Nach einer Schlussrunde und einer abschließenden Aktion ermittelst du deine Gesamtpunktezahl, die sich hauptsächlich aus deinen gefangenen Djinns errechnet, plus eventuell ein paar Punkte, wenn du die Bedingungen einer oder mehrerer der drei für diese Partie ausliegenden Wertungskarten erfüllst. Erzielst du die höchste Punktzahl, wirst du zur Belohnung in die Ränge des inneren Kreises der Magiegilde emporgehoben. Glückwunsch!
Fazit
Einer der aktuell beliebtesten Spielmechanismen ist ja der Arbeitereinsatz. Mit Djinn erlebst du eine kleine Variation dieses Genres, nämlich ein "worker movement game". Du besitzt zwar nur eine einzige Magierfigur, welche du aber von einem Ort zum anderen bewegst, um die Aktion dieses Ortes zu nutzen. Wichtig: Du stellst deinen Magier nicht auf, sondern auf den Pfad vor den Ort. Dies gewährleistet, dass du nicht wieder zu jenem Ort zurückziehst, von dem du gekommen bist und verhindert Hin- und Herziehen zwischen zwei Orten, was für die Spielbalance nicht sehr förderlich wäre.
Die Interaktion ist hier etwas geringer als beim "worker placement", schließlich kann jeder Ort gleichzeitig von mehreren Magiern genutzt werden. Es gibt nur eine einzige Einschränkung - ziehst du deinen Magier auf einen bereits besetzten Pfad vor einem Ort, musst du zwischen zwei Möglichkeiten wählen: entweder du zahlst dem dort bereits befindlichen Magier eine Münze oder eine Schriftrolle, um die Aktion dieses Orts zu nutzen, oder du ziehst zum nächsten Ort weiter. Letzteres kann manchmal eine durchaus gewünschte Option sein und kann auch in der Schlussphase zu teils kniffligen Entscheidungen führen. Einen entscheidenden Faktor stellt dies aber selbst in Vollbesetzung meiner Meinung nach nicht dar.
Die zufällige Anordnung der Orte auf dem Stadtplan - die eckigen und runden Plättchen werden zu Beginn gemischt und verdeckt verteilt - erfordert viel Planung und gutes Timing. Schließlich wechseln sich ja Orte mit Standard- und Spezialaktion gleichmäßig ab. Die Spezialaktionen sind natürlich um einiges attraktiver als die Standardaktionen und bringen in der Regel mehr der erforderlichen Ressourcen (Magie, Flaschen, Korken, etc.), dafür musst du es an runden Aktionsfeldern immer auch mit Djinns aufnehmen, willst du keinen Magiepunkt verlieren.
Apropos Magie - diese stellt einen höchst interessanten Aspekt dar. Hauptsächlich beziehst du die für das Einfangen eines Djinns erforderliche Zauberkraft aus zwei unterschiedlichen Quellen. Einerseits kannst du die gesammelte Magie deiner Magiestärkeleiste benutzen. Allerdings ist diese anfangs auf höchstens 4 beschränkt. Im Laufe des Spiels kannst du durch verschiedene Aktionen die maximale Magiekapazität erhöhen, indem du den Kapazitätsmarker nach rechts verschiebst. Und auch den Basismarker kannst du gelegentlich nach rechts verschieben, sodass du - selbst wenn du alles verbrauchen solltest - stets eine Mindeststärke besitzt.
Andererseits kannst du ja Magiekarten einsetzen, also deine in der Taverne angeheuerten Magier, Hexen und Zauberer. Hierfür musst du ihnen Lohn bezahlen, dann kannst du ihre Magie nutzen. Neben einer allgemeinen Magiestärke liefern dir die meisten Magiekarten einen zusätzlichen Stärkebonus gegen Djinns bestimmter Farben. Nach dem Einsatz wird eine Magiekarte jedoch auf die inaktive Seite (sie zeigt eine geschlossene Tür) gedreht, und muss für eine weitere Verwendung zuerst wieder gewendet werden, etwa durch entsprechende Aktionen auf dem Markt oder im Archiv.
Die meisten Siegpunkte erhältst du ja für das erfolgreiche Einfangen von Flaschengeistern. Jeder sicher in Flaschen verstaute Djinn bringt dir am Ende 10 Siegpunkte. Die Trophäen für je 3 gleichfarbige Djinns erleichtern das Festhalten der Punkte, da somit je bloß 30 Punkte zu berechnen sind. Im Bannkreis befindliche Djinns sind noch 3 Punkte wert, während verbliebene Flaschen und restliche Korken nur noch 1 Siegpunkt zählen. Zusätzliche Siegpunkte liefern dir lediglich noch die Wertungskarten, von denen 3 zufällige (von insgesamt 10) für eine Partie ausgelegt werden. So manche Wertungskarte verlangt von dir, bestimmte Dinge zu vernachlässigen oder dich stark einzuschränken. So wirst du beispielsweise mit 8 Punkte belohnt, wenn dein Kapazitätsmarker höchstens auf Feld 6 steht, oder wenn du keinen dritten oder vierten Bannkreis freigeschaltet hast. Dies stellt für sich ein schönes Dilemma dar.
Alles in allem musst du - wie alle anderen Spieler - mehrere Dinge sammeln, sogar möglichst gleichmäßig, um ein Optimum an Punkten zu erzielen. Es bringt ja nichts, wenn du am Ende jede Menge Flaschen übrig hast, dir aber Korken fehlen, um sie zuzustöpseln. Die Ortsverteilung auf dem Stadtplan sorgt aber ohnehin dafür, dass du alle Aktionen des Öfteren machen musst. Das klingt dann fast so, als machten alle Spieler irgendwie dasselbe. Spieleautor Benjamin Schwer hat dennoch mit einer cleveren Lösung dafür gesorgt, dass jeder Spieler eine etwas andere Ausgangssituation, ein bestimmtes Handicap und/oder eine spezielle Fähigkeit erhält.
Zu Beginn des Spiels werden nämlich Charakter-Plättchen - grüne mit positiven Eigenschaften und rote mit negativen Eigenschaften - ausgelegt, und zwar jeweils um ein Plättchen mehr als Spieler teilnehmen. Diese werden in "Catan"-Manier vergeben, also zuerst ein beliebiges Plättchen im Uhrzeigersinn, das zweite - unbedingt von der anderen Art - rückwärts gegen den Uhrzeigersinn. Auf diese Weise erhältst du wie deine Mitspieler einen ganz individuellen Charakter, was zu einer gewissen Asymmetrie führt. Dieses Element gefällt mir besonders gut.
Generell ist Djinn ein schönes "worker movement game", gespickt mit etwas Ressourcenmanagement und Optimierung. Die Interaktion hält sich trotz der Bewegung auf einem gemeinsamen Stadtplan in Grenzen. Nur gegen Ende hin lichten sich die Orte, es befinden sich immer weniger Djinns an den runden Aktionsfeldern, sodass du gut planen musst, welche Djinns du noch einfangen kannst, und welche dir von den Mitspielern noch weggeschnappt werden können.
Du findest auch noch Solo-Regeln vor, bei denen du versuchst, die 6 Meisterdjinns zu fangen, bevor dein virtueller automatischer Gegenspieler seinen Kartenstapel durchgespielt hat. Im Gegensatz zum Mehrpersonenspiel, bei dem die Djinns kontinuierlich weniger werden, kommen hier durch die Automa-Karten immer wieder neue Djinns hinzu, sodass es immer schwieriger wird, die Meisterdjinns mit Magie zu bekämpfen. Ich persönlich empfinde dies als zu stressig und bevorzuge daher eindeutig Partien mit menschlichen Widersachern.
Das Artwork von Dennis Lohhausen ist wirklich gelungen, das Spielmaterial lässt keine Wünsche offen, und da auch die Spielmechanismen gut ineinandergreifen, kann ich Djinn als gehobenes Familienspiel oder im Kennerbereich ruhigen Gewissens empfehlen.
Rezension Franky Bayer
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.