Rezension/Kritik - Online seit 07.02.2023. Dieser Artikel wurde 1688 mal aufgerufen.

80 Days

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Autor: Emanuele Briano
Verlag: Piatnik
Rezension: Franky Bayer
Spieler: 2 - 4
Dauer: 45 - 75 Minuten
Alter: ab 10 Jahren
Jahr: 2022
Bewertung: 3,5 3,5 H@LL9000
5,0 5,0 Leser
Ranking: Platz 4878
80 Days

Spielziel

Ein Satellit umkreist die Erde in knapp 90 Minuten. Der Rekord mit einem Flugzeug liegt bei ca. 46 Stunden. Und selbst mit einem Fahrrad gelang es im Jahre 2019 einem Schotten, es in 79 Tagen einmal um den ganzen Erdball zu schaffen. Vor ziemlich genau 150 Jahren war eine Weltumrundung aber noch eine ganz andere Herausforderung. Und so verwundert es nicht, dass Jules Vernes "In 80 Tagen um die Welt" damals als Science Fiction-Roman galt.

Ablauf

Der Spielplan zeigt - ungewohnterweise - ganz im Westen der Karte den Startpunkt der Reise, natürlich London. Das liegt daran, dass wir - genauso wie Phileas Fogg und sein Diener Passepartout - gen Osten reisen, die Erde somit in Richtung Sonnenuntergang umrunden. Wir bewegen uns folglich durch Europa, Asien, über den Pazifik, quer durch den amerikanischen Doppelkontinent und schließlich über den Atlantik zurück in die britische Hauptstadt, welche sich somit ein zweites Mal, diesmal am östlichen Rand des Plans befindet. Dieser Kunstgriff ist notwendig, da die Erdkugel nicht viel anders auf einer zweidimensionalen Karte dargestellt werden kann.

Der Plan ist übersät von Städten, welche als Etappenziele dienen. Jeder Stadt ist eines von 3 Symbolen zugeordnet: blaues Dreieck, rotes Quadrat oder rot-blauer Kreis. Damit wird unter anderem angezeigt, welche Ausrüstungsgegenstände dort zu erwerben sind. Zwischen den Städten verlaufen Verbindungen in einer von drei Arten: Schifffahrtslinien, Eisenbahngleise oder Spezialfahrt. Wir ahnen es schon: Mit den entsprechenden Fortbewegungsmitteln können wir von Stadt zu Stadt reisen, um es innerhalb der vorgegebenen Dauer von 80 Tagen (unterteilt in 5 Perioden zu je 16 Tagen) zurück nach London zu schaffen.

Was wir unbedingt für unsere Weltreise brauchen, ist Geld! Zu Beginn jeder Periode bestimmt eine zufällige Zeitungskarte, wie viele Münzen wir neu erhalten, und welcher Effekt oder welche Sonderregeln für diese Periode gilt. Danach folgt die Hauptphase des Spiels, in der wir nacheinander je 1 Aktion durchführen, bis alle gepasst haben.

Als Aktion können wir A. Reisen, indem wir den notwendigen Obolus aus unserem Börserl auf das Feld des gewählten Fortbewegungsmittels (auf dem Plan links unten) legen, wodurch sich die Kosten für jede weitere Nutzung erhöhen. Die erste Reise auf jedem Feld kostet somit bloß 1 Münze, die zweite schon 2, etc.

Mit der Aktion B. Kaufen können wir wiederum Ausrüstungsgegenstände beschaffen Befinden wir uns in einer blauen Stadt, können wir blaue Gegenstände kaufen (Hut, Mantel oder Schuhe), während wir in roten Städten entsprechend an rote Gegenstände (Revolver, Schirm oder ebenfalls Schuhe) gelangen können. Auch die Preise hierfür werden auf dieselbe einfache Weise geregelt, indem wir Münzstapel auf die passenden Felder am unteren Rand des Spielplans legen. Eine Besonderheit ist der Schwarzmarkt, bei dem der Standort unserer Figur nicht relevant ist, dafür jedoch der Zufall - in Form eines Würfels - bestimmt, welchen Gegenstand wir erhalten. Wir können übrigens nicht mehr Gegenstände mit uns schleppen, als in unseren Koffer passen.

Ausrüstung? Wozu brauchen wir diese denn? Nun ja, einerseits beim Reisen zur Begleichung der zusätzlichen Linienkosten, welche auf einige Strecken anfallen. Andererseits zum Bestehen von Abenteuern. Es genügt nämlich nicht, einfach nur rechtzeitig zurück nach London zu gelangen. Um in London überhaupt einreisen zu dürfen, müssen wir mindestens 4 Abenteuer bestanden haben. Wir fangen bereits mit einer Abenteuerkarte an. Um diese erfolgreich (und punkteträchtig) ablegen zu dürfen, müssen wir ihre Bedingung erfüllen, indem wir an einem Ort mit passendem Symbol die abgebildeten Gegenstände abliefern und eine eventuelle Belohnung erhalten. Danach ziehen wir zwei neue Abenteuerkarten nach, von denen wir eine behalten dürfen.

Am Ende einer Periode werden alle Münzen aus den Reisebereichen und den drei Märkten entfernt, sowie die offene Zeitungskarte abgeworfen. Nach der 5. Periode endet das Spiel. Wir zählen die Punkte unserer bestandenen Abenteuer zusammen. Dazu kommen die Siegpunkte unserer Ankunftskarte, je früher wir London erreichen, umso höher fallen diese aus. Sollten wir es allerdings nicht bis nach London geschafft haben, müssen wir für jede noch verbliebene Strecke 5 Punkte abziehen. Konnten wir in Summe die meisten Siegpunkte erzielen, haben wir das Wettrennen "In 80 Tagen um die Welt" gewonnen.

Fazit

Nachdem nur 80 Tage, besser gesagt 5 Perioden Zeit für die Weltreise bleiben, ist Bummeln nicht angesagt. Stetes Vorwärtskommen ist wichtig, um die Aufgabe erfolgreich zu meistern. Außerdem gilt es, mit seinen Ressourcen, vor allem dem knappen Geld, klug hauszuhalten.

Bei der Wahl der richtigen Route ist es klüger, antizyklisch vorzugehen, also andere Strecken zu wählen als seine Mitbewerber. Da ein Verkehrsmittel mit jeder Benutzung teurer wird, isr es nicht ratsam, dieselben Strecken wie vorangegangene Spieler zu verwenden, weil man sonst immer mehr Münzen als diese aufwenden muss.

Aber auch die Erfordernisse der aktuellen Abenteuerkarte sollten bei der Entscheidung der Route in Betracht gezogen werden. Dass also nach Möglichkeit solche Orte als Etappenziel bestimmt werden, an denen man benötigte Gegenstände erhalten und/oder Aufträge erfüllen kann. Es steckt also schon hierin mehr Planung und Überlegung als es auf den ersten Blick den Anschein hat.

Dazu kommt noch das knifflige Management mit erworbenen Gegenständen. Diese kann man nicht einfach unbegrenzt sammeln, sondern muss sie vielmehr in seinem 5 x 3 großen Koffer unterbringen. Die Gegenstände nehmen unterschiedlich viel Platz ein, von 2 Feldern (Schuhe) bis 6 Felder (Mantel), so dass es notwendig ist, sie wie bei "Tetris" gut zu schlichten. Diese originelle Handhabung verhindert Horten und verlangt vorausdenkendes Einkaufen und rechtzeitiges Ausgeben der Gegenstände.

Interessant ist, dass es nicht unbedingt von Vorteil ist, zu früh London zu erreichen. Zwar sind die Punkte der Ankunftskarten höher, je früher man ins Ziel kommt, aber die wichtigste Quelle für Siegpunkte stellen bestandene Abenteuer dar. Wer bereits in London ist, erhält spezielle Abenteuerkarten, welche in der Metropole selbst erledigt werden können, diese bringen aber doch um einiges weniger ein. Ich habe es schon selbst schmerzhaft erleben müssen, eine bereits gewonnen geglaubte Partie doch noch zu verlieren, weil ein Mitstreiter vor seiner Rückkehr - mit etwas Kartenglück - noch mehr höherwertige Abenteuer geschafft hat.

Das oben beschrieben Grundspiel ist an und für sich ganz solide und sorgt - besonders für unerfahrene Spieler - für eine ausreichend große Herausforderung. 80 Days bietet aber durch einige zusätzliche Elemente noch mehr Varianz. So findet sich auf der Rückseite des Spielplans eine alternative Landkarte, zwar mit denselben Verbindungen und sogar denselben Verkehrsmitteln. Allerdings sind die Linienkosten nicht aufgedruckt, stattdessen werden dafür zufällige Linienplättchen ausgelegt. Somit gibt es für jede Partie eine etwas andere Ausgangssituation.

Auch das Passen ist auf diesem Plan anders geregelt. Wer passt, darf sich eines der offen ausliegenden Passplättchen nehmen, welche kleinere Sofortvorteile bringen, wie beispielsweise ein bisschen Geld (in Form von 2 Münzen), eine kostenlose Spezialfahrt oder den Startspielermarker für die nächste Periode.

Und schließlich sind da noch die Assistentenkarten, welche jedem Spieler eine individuelle Fähigkeit verleihen. Dies kann ein zusätzlicher Koffer sein ("Jean, der starke Helfer"), ein Gegenstandstausch 1 x pro Periode ("Jill, die kühne Zauberkünstlerin") oder die Möglichkeit, stets als Aktion für 2 Münzen einen Hut kaufen zu können (Paul, der sensible Hutmacher"). 10 verschiedene Assistenten sorgen für genug Abwechslung, die daraus resultierende Asymmetrie für einen höheren Wiederspielreiz.

Das Spielmaterial ist solide und von guter Qualität, mit viel Holz (Münzen, Figuren), stabilen Plättchen und großformatigen Karten. Die graphische Gestaltung ist eher comic-artig. Ein paar kritische Anmerkungen muss ich dennoch loswerden. So sind die Symbole - vor allem auf den Abenteuer- und Assistentenkarten - nicht sofort intuitiv zu erfassen. Man muss beispielsweise schon ganz genau schauen und die Regel penibel studieren, um zu erkennen, ob als Effekt nur die Reisekosten oder auch die Linienkosten wegfallen.

Und dann hat der Verlag auch noch 2 Päckchen an Abenteuerkarten beigefügt, von denen die Karten in Französisch gar nicht benötigt werden. Bei den übersetzten Textpassagen geht es nicht um spielrelevante Informationen, sondern bloß um Flavourtext, der hauptsächlich der Atmosphäre dient, mit ironischen Querverweisen auf andere literarische Werke jener Epoche.

Dies beeinflusst aber das spielerische Vergnügen keineswegs. 80 Days ist ein schönes, abenteuerliches Wettrennen mit angenehmer Spieldauer und ohne komplizierte Regeln, welches dennoch ein wenig an Überlegung erfordert. Die Altersangabe liegt deshalb richtigerweise bei "ab 10 Jahren". Als gehobenes Familienspiel kann ich es durchaus empfehlen.

Rezension Franky Bayer

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.

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H@LL9000-Bewertungen

H@LL9000 Wertung 80 Days: 3,5 3,5, 4 Bewertung(en)

Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 13.01.23 von Franky Bayer - Als Familienspiel und für Gelegenheitsspieler macht es Spaß, für diese ist 80 Days auch gedacht.
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 19.11.22 von Michael Andersch - Puh ist das öde. Sachen kaufen, abgeben. Schritte kaufen, um schnell ins Ziel zu kommen. Zusammen mit der altbackenen Aufmachung ein Spiel, das sicher nicht nochmals auf den Tisch kommt.
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 21.11.22 von Jürgen Henrich
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 27.11.22 von Andreas Faul - Recht nett gestaltete Erdumrundung, angesiedelt im Bereich der Familienspiele.

Leserbewertungen

Leserwertung 80 Days: 5,0 5.0, 1 Bewertung(en)

Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz Kommentar
Aufmachung Spielbarkeit Interaktion Einfluss Spielreiz 05.10.23 von Michael Fecke - Das „Puh ist das öde“ Zitat… tja… möglicherweise aus Sicht eines Vielspielers legitim, aber doch auch hart. Ich denke für die Zielgruppe family ist das Spiel durchaus reizvoll. Vor allem die „Fortgeschrittenen“-Variante, die ich auch schon als Familien-freundlich ansehe, macht durchaus Spaß. Ich denke es geht hier auch eher um einen schönen gemeinsamen/unterhaltsamen Familien-Spielabend als um ein verbissenes Gewinnen eines Optimieren-Spiels. Wenn man sich als männlicher Spieler das dritte Paar Damenschuhe auf dem Schwarzmarkt erwürfelt, kann man sich vor blöden Sprüchen kaum schützen. Das ist lustig! Oft macht es bei diesem Spiel unerwarteterweise keinen Sinn so schnell wie möglich die Erde zu umrunden. Denn das Spiel bietet genug „Geld“ um das auch gemächlicher angehen zu lassen. Klar, man soll schon nicht bummeln, aber meist kommen alle Spieler dann doch rechtzeitig wieder in London an. Optimal ist, wenn man dabei ausreichend Abenteuer (Punkte) erlebt hat und mit dem letzten Groschen (sorry, Cent) dann passend in London eintrifft. Denn es gewinnt der Spieler mit den meisten Punkten (meist durch bestandene Abenteuer) und nicht der, der als ERSTER ankommt. Ich mag dieses Spiel. Es ist durchaus auch thematisch (Die Reise um die Erde in 80 Tagen). Man muss bei diesem Spiel durchaus seine zukünftigen Züge etwas planen, denn man kann nicht überall die passenden Utensilien kaufen. Blöd, wenn man gerade TEUER den Pazifik überquert hat um dann festzustellen, dass man am Zielort in Südamerika gar keinen „Hut“ kaufen kann. Was nun? Etwa wieder diese teure Pazifiküberquerung ZURÜCK!? Nur um dort einen „Hut“ zu kaufen!? Oder dann doch auf dem Schwarzmarkt sich einen „Hut“ erwürfeln, mit je einer Wahrscheinlichkeit von 33,3%. Ach wie blöd. Noch was bringt die Fortgeschrittenen-Variante mit sich: Eine asymmetrische Ausgangslage durch GEHILFEN, die alle unterschiedliche Zusatzeigenschaften haben. Ob diese Eigenschaften auch ausgewogen sind… tja… wer weiß… aber es erhöht dann doch die Varianz im Spiel und den Wiederspielwert!

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