Spielerei-Rezension
Spielerei Juni 2008:
Auf der Suche nach einer guten Partie
Eine Buchkassette in Altrosa - das ist zunächst mal ein Hingucker. Die stimmige, etwas verspielte Aufmachung spricht in erster Linie die weibliche Klientel an, und das soll sie auch. Da Liebe & Intrige schon vor der Präsentation auf der Messe Spiel '07 der Ruf vorauseilte, ein "Frauenspiel" zu sein, lehnen viele Männer von vornherein ab, auch nur eine Probepartie zu spielen. Ein Spiel, das so stark polarisiert, ist einen genaueren Blick wert.
Öffnen wir also die innovative Verpackung. Im Innendeckel der Buchkassette steht als erster Satz: "Wir schreiben das Jahr 1852." Moment mal! Angeblich ließ sich das Autorinnenduo von der britischen Schriftstellerin Jane Austen inspirieren, die bereits 1817 starb. Und Casanova, der bei Liebe & Intrige ebenfalls eine Rolle spielt, war zu diesem Zeitpunkt schon 54 Jahre tot. Hm. Da wäre ein klein wenig Recherche hilfreich gewesen.
Doch weiter. Das Material ist recht ansprechend gestaltet, wenn der Hochglanz-Spielplan auch zunächst ein wenig gewöhnungsbedürftig ist. Die "Herrenkarten" und "Tochtertafeln" sind textlich und graphisch mit einigen netten, ansprechenden Details versehen, die für die thematisch passende Stimmung sorgen. Außerdem ist die Spielregel übersichtlich und gut strukturiert.
Aber worum geht es eigentlich? Jeder der bis zu vier Spieler möchte nacheinander seine drei Töchter unter die Haube bringen. Entscheidend dafür sind deren Eigenschaften Ansehen, Schönheit und Bildung, die bei den Damen unterschiedlich ausgeprägt sind - wie im richtigen Leben eben. Sie sollten möglichst gefördert und an die Wünsche der heiratswilligen Herren angepasst werden sollten. Diese trifft das Fräulein Tochter beispielsweise im Park, im Theater oder in der Spelunke in Form von verdeckten Stapeln mit einer variierenden Anzahl von Herrenkarten. An dem Ort, an dem sich die eigene Tochter-Spielfigur gerade befindet, nimmt der Spieler diese Karten auf, sieht sie durch und wählt eine davon, die er unter der Tafel seiner Tochter ablegt. Nur drei verschiedene Herren darf das Mädchen treffen - klar, mehr schickt sich nicht. Von Ort zu Ort ziehend versucht man, der Tochter dreimal ein Date mit demselben Mann zu ermöglichen: Denn wenn drei Karten desselben Herrn gesammelt wurden, ist eine Heirat in greifbare Nähe gerückt.
Eine Hochzeit ist allerdings nur dann möglich, wenn die Eigenschaften der Tochter den Vorstellungen des Bräutigams entsprechen. Und je anspruchsvoller der Mann ist, desto mehr Siegpunkte bringt er am Ende ein. So ist der greise Giselbert zwar mit einer gänzlich ungebildeten Gattin zufrieden, bringt aber auch nur magere 5 Punkte ein, während der attraktive Wilhelm hohe Ansprüche hat und 11 Punkte wert ist. Alle drei Werte der Tochter müssen mindestens den Forderungen des auserwählten Herren entsprechen - das will wohl bedacht sein. Muss die Schönheit aufpoliert werden, hilft zum Beispiel ein Gang zum Schneider. Im Theater erhält man Bildung; und wer dem Armenhaus einen Besuch abstattet, gewinnt Ansehen hinzu.
Verheißungsvoll ist immer auch ein Gang zur Spelunke, denn hier sind potentiell die meisten Männer versammelt. Das steigert die Chancen, den Auserwählten zu treffen und seine Karte der eigenen Herrensammlung hinzuzufügen. Doch gleich zwei Gefahren lauern hier: Casanova und der Alkohol. Mit einem Würfelwurf wird geklärt, ob der Frauenheld das Mädchen verführt. Je hässlicher es ist, desto geringer ist das Risiko. Lässt sich die Tochter allerdings mit Casanova ein, verliert sie an Ansehen - logisch! Der Wurf des Trinkwürfels klärt außerdem, ob eventuell eine Alkoholvergiftung zum Verlust eines Bildungspunktes führt.
Befinden sich zwei Figuren an demselben Ort, kann es überdies zu einer Intrige kommen. Wer möchte, verzichtet dann auf seine sonstigen Aktionen und klärt mit einem Würfelwurf, ob er einer Rivalin die Karte eines Verehrers abluchsen darf. Mit einer Chance von 1:2 schlägt sein Versuch jedoch fehlt, so dass dann die attackierte Dame eine Herrenkarte der Angreiferin an sich nehmen kann.
Nach Ortswechsel, Herrenwahl, etwaigen Aktionen oder einer Intrige endet der Zug eines Spielers mit dem Nachziehen einer Ereigniskarte. Diese bieten verschiedene Vorteile oder schädigen Gegenspielerinnen. So kann man beispielsweise der Tochter eines anderen Spielers die Pocken auf den Hals hetzen, mit Hilfe einer Zofe spionieren, welche Herren sich gerade an einem bestimmten Ort aufhalten, oder auf einem Ball einen von drei Herren treffen. Am Ende gibt es Punkte für die geehelichten Männer, die klügsten, angesehensten und gebildetsten Töchter sowie einige Sonderkarten.
Man sieht: Die ganze Geschichte ist thematisch sehr stimmig umgesetzt. Ein wenig schwierig ist es, die vielen Herren voneinander zu unterscheiden. Denn die Wahl sollte nicht nur von den eigenen Bedürfnissen abhängen, sondern auch davon, ob der jeweilige Kandidat schon an anderen Orten gesichtet wurde oder bereits bei Rivalinnen ausliegt. Das könnte dann eventuell Begehrlichkeiten wecken oder Intrigen auslösen.
Bei Liebe & Intrige kann man ein bisschen taktieren, ist aber ansonsten dem Karten- und Würfelglück sowie den Ereigniskarten ausgeliefert. Ein paar kleine Gemeinheiten sind möglich, werden aber durch die Geschädigten meist umgehend gerächt. So plätschert die Partie ein wenig dahin und ist - zumindest bei voller Besetzung - nach 60 bis 80 Minuten beendet. Es ist etwas mühsam, dass die immer selben Abläufe bei jeder Tochter von vorne beginnen, ohne dass es gegen Ende spannender werden würde. Allerdings geht das Verheiraten der zweiten und dritten Tochter meist etwas schneller, da schon einige Herren in festen Händen sind und aus den Kartenstapeln aussortiert werden - was wiederum etwas lästig ist.
Im Großen und Ganzen läuft das Spiel aber rund, ist leicht zu verstehen und hat durch seine stimmige Atmosphäre durchaus seinen Reiz - zumindest für Gelegenheitsspieler und Menschen, die bereit sind, sich auf die Thematik einzulassen. In dieser Zielgruppe können durchaus auch Männer ihren Spaß haben … insbesondere, wenn sie selbst für die entsprechende Stimmung am Spieltisch sorgen. ("Was? Du willst deine Schabracke mit diesem edlen Herrn blauen Bluts verheiraten? Lächerlich!" - "Du musst ganz still sein! Deine Ludwige ist ja wohl von äußerst zweifelhafter Moral, wie man hört.") Für echte Spielefreaks bietet Liebe & Intrige eher wenig, aber für sie ist das Spiel auch nicht gedacht. Natürlich ist es vom Anspruch her mit komplexen Titeln wie Caylus und Imperial oder mit gehobenen Familienspielen wie Darjeeling überhaupt nicht zu vergleichen; doch in dieser Liga will das liebevoll-altertümlich gestaltete Gemeinschaftswerk zweier Mathematikstudentinnen auch gar nicht mitmischen. Immerhin erhält Liebe & Intrige von Vielspielern durchschnittliche Bewertungen, keine schlechten. Richtig ernst darf man es nicht nehmen, und dann kann der viktorianisch anmutende Kitsch Gelegenheitsspielern durchaus viel Vergnügen bereiten - wie man in entsprechenden Foren bestätigt findet. Bei Liebhabern von Jane Austens Romanen dürfte Liebe & Intrige also gut ankommen und ist deshalb mit seinem moderaten Preis knapp vielleicht sogar eine Geschenkidee. Wer beim Spielen gerne mehr Einfluss auf das Geschehen nehmen will, sollte allerdings lieber die Finger davon lassen. Und zum Schluss kann man sich auch noch fragen, ob es unbedingt Spiele "speziell für Frauen" geben muss …
Rezension Birgit Irgang
In Kooperation mit der Spielezeitschrift