Spielerei-Rezension
Immer an der Wand lang … nein, immer am Fluss lang geht es in diesem Spiel mit dem etwas nichtssagenden Namen The River (Der Fluss).
Das sagt nicht, dass das Spiel nichtssagend ist, ganz und gar nicht! Ein schmales Spielbrett dient als Ablage, zur Verwaltung und Aktionsauswahl, während die eigentliche „Action“ auf den großzügigen, jeweils leicht unterschiedlichen Spielertafeln stattfindet. Entlang eines Flusses sind im Zick–Zack–Kurs 12 Felder mit diversen Rohstoffsymbolen und Lagerhäusern aufgedruckt, die der Spieler im Laufe des Spiels mit Plättchen überbaut, von der Mündung bis zur Quelle, ebenfalls mit diversen Rohstoffsymbolen und Lagerhäusern. Es gelten immer die sichtbaren Symbole (auch für Lagerhäuser).
Die kurze, übersichtliche Regel und auch der generell einfache Spielablauf machen den Einstieg leicht. Vier Pioniere – hier Kundschafter genannt – hat jeder Spieler zu Beginn, ein fünfter wartet auf der Spielertafel auf seinen Einsatz. Diese werden, reihum jeweils einer, auf bestimmte Aktionsfelder gesetzt: Auf eins der vier Rohstofffelder, auf das Gebäudefeld, auf das Feld Gebäude bauen, auf den Bereich Siedlungsplättchen erhalten, Startspieler werden oder Siedlungsplättchen vertauschen. Sie warten auf einem Pappschiffchen auf ihren Einsatz, nett anzusehen, überflüssig und thematisch passend.
Aber so einfach ist das nicht – denn nicht in jedem Aktionsbereich gibt es Platz für alle Spieler, daher ist es nicht unwichtig, Startspieler zu sein – hier gibt es nur einen Platz, klar. Jeder kann kostenlos zwei Siedlungsplättchen erhalten, diese Möglichkeit ist für ihn reserviert. Rohstoffe, Gebäude, Plättchentausch – da finden nur zwei Spieler Platz. Nur Gebäude bauen können beliebig viele Spieler in jeder Runde. Die Qual der Wahl, und was braucht man gerade, um voranzukommen und möglichst anderen etwas wegzunehmen, das sie gerade brauchen?
Rohstoffe sind begrenzt – der Erste auf dem Feld erhält einen mehr als Symbole dieser Art auf seiner Spielertafel, der Zweite genau so viele, falls noch vorhanden. Jedes Stück muss aber auch gelagert werden können, überzählige sind verloren. Nahrung ist extrem knapp und ein Joker für Stein, Holz oder Ziegel, die bekannten Zutaten. Ein paar einfache und eingängige Sonderregeln für Nahrung seien der Spielregel vorbehalten.
Was wollen wir denn überhaupt an dem Fluss? Siegpunkte, klar, und dafür müssen wir Siedlungsplättchen legen („bauen“) und Gebäude bauen. Die Siedlungsplättchen werden den aufgedruckten Feldern folgend von der Mündung bis zur Quelle gelegt, bringen neue Symbole und überbauen die vorhandenen. Vor allem sind sie von einer bestimmten Landschaftsart von vieren, manche von zwei, und das ist besonders wichtig. Durch den Zick–Zack–Kurs ergeben sich drei Reihen mit je vier Plättchen, folglich vier Spalten, falls man es bis zur Quelle schafft. Zwei gleiche Landschaften in den beiden oberen Plätzen jeder Reihe geben Siegpunkte, drei gleiche in einer Spalte noch viel mehr. Aha – nun macht auch die Aktion „Plättchen tauschen“ Sinn.
Die hauptsächlichen Punktelieferanten sind aber die Gebäude – das sind Karten, die man, wenn gebaut, unter seine Spielertafel schiebt und dafür jeweils zusätzlich einen Bonusmarker nimmt, von sechs bis auf null Punkte absteigend. Um Gebäude zu bauen, braucht man die Rohstoffe, und maximal zwei Gebäude kann man reservieren (lagern), um sie dann später mit etwas geringeren Kosten zu bauen. Natürlich hat jedes Gebäude seine bestimmten Anforderungen und Siegpunkte.
Der zweite Bonusmarker schaltet den fünften Pionier frei, aber das fünfte und achte Siedlungsplättchen lässt auch je einen dauerhaft ansiedeln, sprich er steht nicht mehr zur Verfügung …
Die Wiesenplättchen mit ihren besonderen Vorteilen, Siegpunkten usw. erschweren die Qual der Wahl und sind oft das Zünglein an der Waage bei der Endwertung. Diese findet nach der Runde statt, in der ein Spieler sein zwölftes Plättchen gebaut oder seinen fünften Bonusmarker erhalten hat (ach so – deswegen die „Null“) – schöne Möglichkeiten, um das Spielende zu steuern.
Die Flussfahrt auf The River macht Spaß und ist trotz einfacher Regeln schon ziemlich verzwickt. Ein Familienspiel, das auch Vielspieler absolut nicht langweilt, flott und schnell zu spielen ist, mit guter Regel, Grafik und schönem Material. Die Autoren haben ihre Hausaufgaben gemacht und aus bekannten Elementen ein sehr unterhaltsames Spiel gestrickt, ohne dabei die ganz große Begeisterung auszulösen, aber das ist natürlich auch immer Ansichtssache. Weder zu seicht noch zu tief, garantiert The River immer wieder ein sehr angenehmes, lockeres, aber doch forderndes und kurzweiliges Spielvergnügen. Die nächste Flussfahrt ist gebucht!
Rezension Ferdinand Köther
In Kooperation mit der Spielezeitschrift