Rezension/Kritik - Online seit 11.01.2005. Dieser Artikel wurde 8018 mal aufgerufen.
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„Uuuuaaarrrghhhh!! Ich bin ein Zombie!!
Sind Sie angemessen erschrocken? Nein? Vielleicht weil ich nur ca. 6 cm groß bin? Weil aus meiner Seite ein Griff ragt, an dem man mich aufziehen kann, so dass ich einige Zentimeter laufe?
Vielleicht erschrecken Sie ja, wenn ich Ihnen verrate, dass ich nicht alleine bin, sondern noch 3 Freunde in der Hinterhand habe? Nein? Immer noch nicht???
Sie scheinen ja ein ganz harter Hund zu sein, aber gut - eigentlich haben Sie ja recht: im Grunde sind wir harmlos. Am meisten Spass haben wir nämlich, wenn wir gegeneinander um die Wette zum Friedhofstor laufen. Wer zuerst durch ist, der hat gewonnen! Dazu benötige ich aber SIE! Ja, Sie! Wollen Sie mein Herr und Meister sein? Ja? Na dann...
…suchen Sie sich ganz schnell 1 bis 3 Mitspieler. SIE steuern mich, jeder Mitspieler einen meiner 3 Freunde. Legen Sie eine beliebige Anzahl der vier beiliegenden Spielpläne so aus, dass diese eine möglichst interessante Rennstrecke bilden. Legen Sie einen beliebigen Startpunkt fest und sorgen Sie dann dafür, dass ICH als Erster durch’s Friedhofstor laufe!
Hier haben Sie schon mal 10 Bewegungskarten, genau wie Ihre Mitspieler. Darauf finden Sie verschiedene Symbole. Diese Karten erlauben es Ihnen später, mich unterschiedlich stark aufzuziehen, mir eine neue Laufrichtung zu verpassen oder die Richtung zu ändern, in die einer meiner lieben Freunde zu laufen hat – natürlich nicht zu dessen Vorteil...!
Geben Sie nun (und zwar alle Spieler gleichzeitig) eine Bewegungskarte mehr als Spieler mitmachen aus Ihrer Hand an den Spieler zur Linken weiter. Danach das Ganze nochmal, allerdings nun eine Bewegungskarte weniger. Und so weiter, bis jeder nur noch eine Karte im Uhrzeigersinn weiter schiebt.
Haben Sie das soweit? Ich hoffe ja, dass Sie Ihre Kartenhand jetzt soweit optimiert haben, dass ich gleich einen astreinen Blitzstart hinlegen kann! Was soll das heissen – Sie sind sich nicht sicher? Also gut, versuchen können wir’s ja mal.
Sind Sie der Spieler links vom Kartengeber? Dann suchen Sie sich gleich mal eine Kartensorte aus und spielen von dieser alle Karten, die Sie davon besitzen. Alle Ihre Mitspieler müssen nun ebenfalls alle Karten dieses Typs ablegen. Wow, SIE haben die allermeisten Karten „4“ gespielt??? Ich bin stolz auf Sie! Ziehen Sie mich gleich 4 Umdrehungen auf, setzen mich in optimaler Ausrichtung auf den Spielplan und lassen mich wacker Richtung Friedhofstor laufen – SSSsssssssss....
Jetzt schnell weiter, machen Sie schon! Der Spieler zu Ihrer Linken bestimmt die nächste Kartenart, und wieder müssen alle Spieler sämtliche Karten dieser Art ablegen. Er bestimmt „2“, was bedeutet, dass der Zombie des Spielers zweimal aufgezogen werden darf, der hiervon die meisten Karten bieten kann.
Das sind auch wieder Sie? Sie sind ja ein wahrer Teufelskerl – aber halt! Einmal auf dem Spielfeld eingesetzt muss ich in der Richtung weiterlaufen, in der ich meinen letzten Zug beendet habe. Das ist jetzt aber gar nicht gut – nicht nur, dass das Friedhofstor eher zu meiner Rechten liegt, nein: Geradeaus liegt ein Mausoleum, und wenn ich da drüber laufe, muss ich an die Kante zurück, an der ich das aktuelle Spielbrett betreten habe, und Ihr brillianter Vierer-Coup von soeben wäre völlig für die Katz gewesen!
Jetzt schauen Sie doch nicht so ratlos aus der Wäsche – ich habe nämlich vorher eine kleine Regel zu erwähnen vergessen, welche uns beiden jetzt optimal zupass kommt: Nach dem Ablegen der Bewegungskarten dürfen die Spieler reihum ihre Gebote mit Jokerkarten erhöhen. Das geht solange, bis alle Spieler passen, und nur der Spieler, der einschliesslich aller Jokerkarten das höchste Gebot abgegeben hat, darf die Kartenaktion durchführen.
Sehen Sie jetzt die Gier im Blick Ihres linken Nachbarn? Da legt er schon 2 Jokerkarten aus, um Sie zu überbieten! Es ist ihm egal, dass ich hierdurch stehen bleiben darf – er will selbst auch los laufen. Uns soll’s recht sein, nicht wahr?
„Ssssssssssss“ – schon läuft sein Zombie los. Zwar nicht so weit wie ich, dafür über ein am Boden liegendes Gehirn, welches ihm Zusatzoptionen für künftige Züge verleiht: Den eigenen Zombie eine Umdrehung mehr oder weniger aufziehen, einem Mitspieler eine Karte klauen und dergleichen kleine Annehmlichkeiten. Warum haben Sie mich da vorhin nicht drüber laufen lassen?
Ok ok, Sie haben recht. Mit meiner Bewegungsweite von 4 Umdrehungen wäre ich danach vermutlich nicht rechtzeitig zum Stehen gekommen und wahrscheinlich in ein hinter dem Gehirn liegendes offenes Grab gefallen, und dort hätte meine Bewegung geendet. Allerdings hätten Sie mich dann zu Beginn meines nächsten Zuges auch beliebig in eine der 4 Himmelsrichtungen ausrichten können. Aber ich will mal nicht meckern, noch liege ich ja vorne…
Das Ausspielen von Bewegungskarten machen wir jetzt so lange, bis alle Handkarten aller Spieler gespielt wurden. Die Vierer, Dreier, Zweier und Einser, sowie die Karten, die eine Rechts- bzw. Linksdrehung des eigenen oder eine beliebige Drehung eines fremden Zombies erlauben.
Alles gespielt, alle Kartenhände bis auf nicht genutzte Jokerkarten leer?
Dann schnell an jeden Spieler 10 neue Karten ausgeteilt. Das ist jetzt Ihr Job, denn vorher waren Sie derjenige, der die erste Kartenart bestimmen durfte. Letzteres wiederum obliegt nun dem Spieler zu Ihrer Linken, aber erst nachdem wieder in bekannter Weise Karten an den linken Nachbarn weiter gegeben wurden.
Haben Sie’s begriffen? War ja auch nicht so schwer, oder? Dann müssen Sie jetzt also nur noch dafür sorgen, dass ICH als erster am Friedhofstor bin. Geben Sie alles!
Puhhh, ich hab’s geschafft. Zurück vom Friedhof sitze ich am heimischen PC und schreibe meine Eindrücke von „All wound up!“ nieder:
Fangen wir beim Material an. Als erstes fallen natürlich die 4 Aufziehfiguren in der Gestalt kleiner Zombies auf – der eigentliche Gag des Spiels. Sie sind von guter Qualität, entgegen meine Befürchtungen funktionieren auch nach mehreren Partien alle Figuren noch einwandfrei. Sie haben allerdings zumindest in der mir vorliegenden Ausgabe einen kleinen Haken, und das ist ein ausgeprägter Linksdrall. Dieser kommt bei geringem Aufziehen der Figuren kaum zum Tragen, zieht man allerdings die maximal möglichen 5 Windungen (4 durch Bewegungskarte + 1 durch Gehirn-Sonderaktion) auf, so beschreibt der Weg der Figuren einen astreinen Viertelkreis nach links. Kein großes Problem, wenn dies vor Spielbeginn allen bekannt ist, aber dennoch sicher nicht im Sinne des Erfinders. Eine weitere, leicht zu vermeidende Materialschwäche stellen die Karten dar, welche nur mittig mit dem enstprechenden Bewegungssymbol bedruckt sind und somit die Übersicht über die eigene Kartenhand unnötig erschweren. Dass die Karten relativ dünn sind, fällt daneben eher weniger ins Gewicht.
Die Spielregel ist übersichtlich aufgebaut und lässt keine Fragen offen. Leider ist sie nur in englisch verfügbar, wobei allerdings Schulenglisch und gegebenenfalls ein Wörterbuch zum Verständnis ausreichen sollten. Die zu beschreibenden Mechanismen sind unkompliziert genug, um schnell in die erste Partie starten zu können.
Kommen wir nun zum Spielablauf selbst, bezüglich dessen Bewertung ich ein wenig hin und her gerissen bin. Da ist zum einen die Spielidee an sich, welche ich äußerst ungewöhnlich und witzig finde, und die auch dazu führte, dass es nie ein Problem war, Mitspieler zu finden. Zumindest für eine erste Partie – eine zweite in unmittelbarem Anschluss wurde nie gewünscht (für später aber auch nicht kategorisch ausgeschlossen).
Dies lag zum einen daran, dass die Phase, in der die Karten weitergegeben wurden doch oft mehr Zeit in Anspruch nahm, als dies nach Regellektüre bzw. Erklärung den Anschein machte. Verwendet man alle vier Spielplanteile, so kommt hinzu, dass eine Partie durchaus 90 Minuten oder länger dauern kann, obwohl die zu überwindende Strecke dann nur etwa einen Meter lang ist. Und auch für eine Strecke über die (von mir als optimal empfundene) Entfernung von 2 Spielplanteilen kann man durchaus mal 45 Minuten einplanen. Woran liegt das?
Zum einen daran, dass man aufgrund der erhaltenen Karten nicht oft die volle Bewegungsweite wird ziehen können, zum anderen auch daran, dass man zwischen den einzelnen Geradeausbewegungen hauptsächlich damit beschäftigt ist, die (durch den Linksdrall oder Gegneraktionen verursachte) Ausrichtung des eigenen Zombies entsprechend zu korrigieren. Dies trägt zwar auch zu einem großen Teil des Spielreizes bei, wurde aber in Summe teilweise als etwas zu langwierig empfunden. Gleiches gilt für die Fälle, in denen sich 2 oder mehr Zombies berührten. In gleichem Maße, in dem es witzig war zuzusehen, wie ein Zombie den anderen in ein Grab oder vom Spielfeld schob oder 2 Zombies untergehakt völlig willenlos miteinander im Kreis tanzten, nervte es auch, diese „Verklumpungen“ wieder aufzulösen. Das selbe Chaos, das also positiv einen großen Teil des Spielwitzes erzeugt, ist stellenweise also auch für Längen im Spiel verantwortlich.
Das Spiel zu zweit hingegen verläuft deutlich schneller, allerdings entfällt im Gegenzug auch ein Großteil des Spielspaßes, da man sich nicht so häufig in die Quere kommt.
Empfehlen kann man „All wound Up!“ daher allen Spielern, welche zunächst einmal kein Problem mit etwas makaberen Spielethemen haben und ein Spiel mit absolut außergewöhnlichem Spielmaterial bzw. –mechanismus im Schrank haben wollen. Ein Spiel, welches darüberhinaus schnell erklärt und begriffen ist, und welches auch durchaus sehr viel Spass machen kann, sofern man in den beschriebenen Chaos-Elementen eher den Witz als eine Spielbehinderung sieht.
Bei letzterem bin ich mir selbst nicht so ganz sicher – die von mir vergebene Spielreizbewertung „4“ ist daher als Ausdruck meines Schwankens zu sehen: Zwischen einer subjektiv aufgrund der Längen empfundenen „3“ und einer „6“, die ich aufgrund der Originalität gerne vergeben würde.
Rezension Michael Andersch
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
Eine Idee zur Verkürzung der Spielzeit und Erhöhung der Dynamik wäre die folgende (von Frank Gartner):
Jeder Spieler erhält 5 Handkarten. Pro Runde wird eine Karte verdeckt auslegt anschließend gleichzeitig aufgedeckt. Die aufgedruckten Aktionen werden ebenfalls gleichzeitig ausgeführt. Wer eine Wildcard ausgespielt hat, darf eine Aktion auswählen. Sollten mehrere Spieler eine Wildcard ausgespielt haben, beginnt der führende Spieler zuerst mit der Auswahl seiner Aktion.
Wer möchte, kann auch eine Art Robo Rally-Programmierung einführen, d.h. es werden z.B. 3 Karten pro Spieler ausgelegt. Diese werden von links nach rechts ausgeführt.
Die im Spiel befindlichen Plättchen lassen sich als zusätzliche Spielvariante auf dem Spielplan verteilen (je Spieler kommt ein Plättchen jeder Sorte auf den Spielplan) und müssen von den Spielern eingesammelt werden. Jeder Spieler muss mit seinem Roboter von jeder Plättchensorte je eines einsammeln, bevor er ins Ziel einläuft. Das Einsammeln mehrerer Plättchen einer Sorte ist einem Spieler nicht möglich.
H@LL9000 Wertung All Wound Up!: 3,4, 8 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
27.12.04 von Michael Andersch |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
28.10.04 von Christian Frank - Die Aufmachung ist grandios! An "Aufzieh-Zombies" konnte ich in Essen 2004 nicht vorbeilaufen ohne das Spiel kaufen zu müssen! |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
04.11.04 von Kathrin Nos - Sehr lustige Idee und tolles Material! Die Kartentauscherei zu Beginn zieht sich aber etwas. Die Regel zum Einsetzen der Brain-Plättchen ist unklar (werden die Plättchen nach Einsatz zurückgelegt oder behält man sie?). |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
04.11.04 von Peter Nos |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
05.11.04 von Uta Weinkauf |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
09.01.05 von Jens Hillen |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
11.01.05 von Frank Gartner - Tolles Material, skuriles Thema. Leider hat das Spiel Längen, die man erst wegentwickeln sollte, damit der Spielspaß auf Dauer nicht darunter leidet. Eine alternative Spielidee könnt Ihr der Spielvariante entnehmen. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
18.12.05 von Jörn Griesbach |
Leserwertung All Wound Up!: 4.0, 2 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
12.01.05 von Braz - Mir hat das Spiel sehr gut gefallen. Die Aufmachung ist super und wer Robo Rally mag, dem gefällt bestimmt auch dieses schräge Spiel ;) Einziger Mangel: Ein Zombie läuft nach dem Aufziehen immer linksherum im Kreis .... hoffe, daß dies lediglich ein Ausnahmefall war/ist und die Figuren an sich ordentlich geradeaus laufen ;) Deshalb: Daumen nach oben für diese schräge Spielidee ;) |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
23.06.06 von Frank Schaubrenner - Die Zombies sind Klasse, das Aufziehen leider etwas fummelig, sofern der Kartentausch im 5-sek.Takt abläuft tendiert meine Note nach oben, wird überlegt ist die Drei schon hart an der Grenze :-/ |