Rezension/Kritik - Online seit 15.11.2020. Dieser Artikel wurde 4739 mal aufgerufen.
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Ein amerikanisches Sprichwort lautet: "Make hay while the sun shines" oder wie wir in den Alpenländern zu sagen pflegen: "Man muss die Kuh melken, solange sie Milch gibt." Diesem Grundsatz, den eigentlich alle Wirtschaftstreibenden beherzigen sollten, folgt augenscheinlich auch Kosmos Spiele, denn regelmäßig werden zu den bekanntesten Erscheinungen und Bestsellern neue Varianten nachgeliefert.
So auch zum äußerst erfolgreichen Die Legenden von Andor, welches nunmehr seit 2012 im Verlagsprogramm steht und bis jetzt 10 verschiedene Erweiterungen, Zusätze, u. ä. erhielt. Jüngster Spross der "Andor"-Familie ist eine Variante für Kinder, bei dem die Kids ebenfalls in die Rollen von MagierIn, KriegerIn, BogenschützIn und ZwergIn schlüpfen, um dem Bösen in Form eines listigen Drachens Einhalt zu gebieten.
Der Drache ist aber nur ein ständig lästiger Störenfried. Die Hauptaufgabe für die jungen Abenteurer besteht darin, die drei Wolfsjungen in der Zwergenmine zu finden, welche dort verloren gegangen sind. Diese Schwierigkeit haben die Helden übrigens in jeder Partie zu meistern. Aber bevor sie der Brückenwächter die Brücke zur Zwergenmine passieren lässt, müssen sie für ihn gemeinsam ein paar Aufgaben erledigen, welche von Partie zu Partie variieren können.
Bevor es losgeht, sind ein paar Vorbereitungen zu treffen. Zuerst müssen die runden Nebelplättchen verdeckt auf den Spielplan verteilt werden. Die sechseckigen Minenplättchen kommen ebenfalls verdeckt auf die Felder jenseits der Brücke. Die 3 Brunnenplättchen werden auf die entsprechenden Felder des Spielplans gelegt. Je nach gewählter Herausforderung kommen noch ein paar spezielle Plättchen hinzu.
Das Böse ist auch schon präsent. So werden je nach Spielerzahl bereits ein paar Gors - gar schreckliche kleine Monster - auf bestimmte Berg- und Waldfelder platziert. Der Drache selbst wird auf die Drachenleiste gestellt, welche anzeigt, wie weit das feuerspeiende Ungetüm von der Rietburg entfernt ist.
Jeder Spieler wählt sich dann einen der 4 Helden, wobei er sich bei jedem für die männliche oder weibliche Version entscheiden kann. Er erhält seine Spielfigur, die passende Heldentafel, die farblich dazugehörigen Würfel sowie die dem Charakter entsprechende Zahl an Sonnenscheiben.
Die Sonnenscheiben stellen die Zeit dar, die für eine Aktion verbraucht wird. So kostet es 1 Sonnenscheibe, um sich von einem Feld zu einem benachbarten Feld zu bewegen. Auf dem Zielfeld darf dann eine (kostenlose) Aktion ausgeführt werden. Aber auch wenn man sich in einem Zug nicht bewegt, um etwa einen begonnenen Kampf fortzusetzen, muss man 1 Sonnenscheibe abgeben.
Die häufigsten Aktionen sind das Aufdecken eines Nebelplättchens auf dem Zielfeld, sowie Kämpfe gegen Gors. Die Nebelplättchen können unliebsame Überraschungen bringen, wie beispielsweise das Auftauchen eines neuen Gors in Andor oder das Vorrücken des Drachens. Aber auch positive Dinge finden sich darunter, wie Holz zum Entzünden des Leuchtfeuers, das den Drachen etwas vertreibt, Münzen, die zum Kauf von Fackeln benötigt werden, oder Schwerter, die sich im Kampf gegen Gors als recht nützlich erweisen. Diese praktischen Gegenstände können im Beutesack mittransportiert werden.
Bei Kämpfen gegen Gors muss gewürfelt werden. Jedes erwürfelte Schwert bedeutet einen Treffer. In Waldgebieten genügen bereits 2 Treffer, um einen Gor zu besiegen, im Gebirge braucht es deren 3. Konnte ein Gor nicht sofort bekämpft werden, bleiben gewürfelte Schwerter auf dem Feld liegen, sodass bei der Fortsetzung dummerweise weniger Würfel zur Verfügung stehen. Schwertplättchen aus dem Beutesack können dafür eingesetzt werden, die Trefferanzahl zu erhöhen. Besiegte Gors suchen übrigens laut heulend das Weite und kommen in den Vorrat zurück, was sogar den Drachen ein Feld auf der Drachenleiste zurückdrängt.
Wer keine Sonnenscheibe mehr hat, muss aussetzen. Haben alle Helden ihre Sonnenscheiben verbraucht, endet ein Tag. In der Nacht werden dann die Gegner aktiv. Zuerst würfelt der Drache, wie viele Felder (1 bis 3) er auf der Drachenleiste vorwärts zieht. Dann rücken alle Gors auf dem Spielplan auf einem vorgezeichneten Pfad um ein Wald- bzw. Bergfeld voran. Erreicht dabei ein Gor die Rietburg, würfelt der Drache erneut. Schließlich tauchen - je nach Fortschritt des Drachens - neue Gors auf. Erst danach frischen alle Helden ihre Sonnenscheiben auf und erhalten blockierte Würfel zurück, sodass ein neuer Tag beginnen kann.
Konnte eine Aufgabe erfüllt werden, wird die entsprechende Aufgabenkarte umgedreht. Erst wenn alle vom Brückenwächter gestellten Aufgaben erledigt wurden, gibt er den Weg über die Brücke frei, und die Helden können die Minen erkunden. Um ein Minenplättchen umdrehen zu können, muss entweder eine Fackel gewürfelt oder ein Fackelplättchen (erhältlich beim Händler oder bei der Kräuterhexe Reka, wenn diese unter den Nebelplättchen gefunden wurde, für 1 Münze) abgegeben werden. Unter der Hälfte der Minenplättchen kommt der Drache zum Vorschein, der daraufhin wieder für die Drachenleiste würfeln darf.
Konnten alle drei unter den Minenplättchen versteckten Wolfsjungen gefunden werden, haben die Helden sofort gemeinsam gewonnen. Erreicht hingegen der Drache irgendwann mit seiner Figur die Rietburg, muss die Suche augenblicklich abgebrochen werden, und alle haben als Team verloren.
Eine Junior-Version eines bekannten Spiels muss natürlich etwas abgespeckt werden, damit die Kinder nicht überfordert werden. Schauen wir uns einmal an, welche Adaptionen der Verlag so alles vorgenommen hat.
Zuerst einmal musste das Spiel thematisch ein wenig angepasst werden. Furchterregende Monster, von denen die Kinder nachts Albträume bekommen, das geht gar nicht. Die Gors schauen hier sogar etwas niedlich aus, fast wie Kuschelmonster. Der Troll könnte gar ein Doppelgänger vom beliebten "Hell Boy" sein. Die Monster Andors sind daher - alles in allem - nicht viel schrecklicher anzusehen als die Bewohner Andors ;-).
Auch die Aufgaben sind wesentlich kindgerechter und weniger ernst: Wolfsjungen suchen, Brücken reparieren, Kräuter sammeln, etc. Neben der Hauptaufgabe finden wir noch 10 weitere vor. Die ersten vier Partien sollte man mit den vorgegebenen Kombinationen spielen, danach kann man sie nach Belieben oder per Zufall zusammenstellen, sodass es genug Abwechslung gibt. Mit der Anzahl der Aufgaben lässt sich sogar der Schwierigkeitsgrad einstellen, von leicht (2 Aufgaben) bis schwer (4 Aufgaben).
Verständlicherweise wurden auch die Regeln ein wenig vereinfacht. Es gibt weniger Details als im Original, die Kämpfe sind einfacher, alles ist weniger komplex. Trotzdem wurden die Besonderheiten der einzelnen Helden - wenn auch in simplerer Form - beibehalten. Krieger/Kriegerin sind besonders gut im Kampf, denn sie haben mehr Würfel auf denen zudem mehr Schwerter abgebildet sind. Bogenschütze/Bogenschützin sind hingegen recht ausdauernd, weshalb sie neun statt sechs Sonnenscheiben aufweisen.
Magier/Magierin verwenden Magie im Kampf. Zwar besitzen sie nur einen einzigen Würfel, dafür genügt bereits ein gewürfelter Blitz, um ihre Gegner zu vertreiben. Zwerg/Zwergin schließlich kennen sich besonders gut in den unterirdischen Regionen Andors aus, weshalb sie auf ihren Würfeln mehr Fackeln haben und außerdem die auf dem Plan verstreuten Höhlen nutzen können, um Abkürzungen zu nehmen.
Beim Spielmaterial gibt es wenige Abstriche gegenüber dem "großen Andor". Natürlich ist es weniger umfangreich, vor allem die Anzahl der Plättchen ist geringer. Die Gestaltung wurde von Michael Menzel - dem Autor von Die Legenden von Andor - wieder vorbildlich ausgeführt. Aber: So schön es auch ist, bei jedem Held zwischen der männlichen und der weiblichen Version wählen zu können, Plättchen aus Karton auf Stellfüßchen können indes keine richtigen Figuren (ob aus Holz oder aus Plastik) ersetzen. Besonders offensichtlich wird dieses Manko beim Spiel im Garten, wenn ein kleiner Windstoß genügt, um alle Figuren auf dem Plan durcheinander zu wirbeln, wie es mir öfters passiert ist. Da hätte ich mir eine bessere Lösung gewünscht.
Kinderspiele sollen normalerweise auch eine kürzere Spieldauer haben. Bei Andor Junior bin ich mir da aber nicht so sicher. Meine Erfahrungen aus etlichen Partien haben mich gelehrt, dass es oft besser ist, mit der Erfüllung von Aufgaben (vor allem der Schlussaufgabe in den Zwergenminen) zu warten, wenn die Bedrohung durch den Drachen und/oder zu vieler Gors im Reiche gerade recht groß ist. In so einer Situation ist es wichtiger, zuerst konzentriert die Gors zu bekämpfen, um den Drachen zurückzudrängen. Im Gegensatz zum großen Bruder gibt es hier kein Zeitlimit. Das mag zwar gut sein, um den Frust durch vorzeitige Niederlage in Grenzen zu halten, wirkt sich aber auf die Spieldauer aus. Die angegebenen 30 bis 45 Minuten können deshalb mitunter deutlich überschritten werden, was das Spiel eher ins Genre der Familienspiele einordnen lässt.
Alles in allem funktioniert Andor Junior aber ausgezeichnet. Wie es bei kooperativen Spielen auch sein sollte, sprechen sich die Spieler ab, wer welche Aufgaben erledigt und wer sich mit welchem Feind anlegt. Dies alles unter Berücksichtigung der einzelnen Sonderfähigkeiten. Man muss Inka & Markus Brand gratulieren, dass es ihnen gelungen ist, das Spielgefühl des Originals sehr gut in ein Kinderspiel zu übertragen. Mein Junior ist zumindest davon recht angetan.
Und auch ich erlebe das Spiel nun anders. Ich war kein großer Freund von Die Legenden von Andor, vielleicht weil zu dieser Zeit eine große Auswahl guter kooperativer Spiele auf den Markt kam. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass wir uns nach ausreichender Beschäftigung mit der Junior-Variante auch gemeinsam dem Erwachsenenspiel zuwenden.
Rezension Franky Bayer
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
H@LL9000 Wertung Andor Junior: 5,0, 2 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
20.07.20 von Franky Bayer - Gelungene Junior-Variante von Andor. Allerdings mehr für Familoie geeignet als für Kinder, da es schon mal länger dauern kann. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
15.11.20 von Sandra Lemberger |
Leserwertung Andor Junior: 5.5, 2 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
22.08.20 von Martin - Ersteindruck nach einem Spiel: Sehr schön Andor eingefangen. Meine 5-Jährige Tochter war genauso wie ich begeistert. Etwas schwach ist, dass trotz unterschiedlicher Aufgaben (wie Legenden im großen Andor) IMMER die gleiche End-Herrausforderung ansteht. Sicherlich gut, um es nicht zu kompliziert zu machen für die Kinder, aber vielleicht wäre wenigstens 3 mögliche "Endgegner" (wie in machen Andor-Legenden) drin gewesen. Aber insgesamt macht uns das viel Spaß (auch als Erwachsender), mal schauen wie es beim langzeitspaß aussieht |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
11.01.21 von SpielerB - Andor Junior lag für meine 7 Jährige unter dem Weihnachtsbaum. Anfangs hatte ich befürchtet, dass es eventuell für die kleinere 4 jährige Schwester zu komplex sei. Inzwischen bringt das Spiel die ganze Familie zusammen an den Tisch! Und insbesondere die 4 Jährige ist derart von dem Fantasysetting gebannt, dass sie quasi täglich eine Runde einfordert. Die Spielzeit (45 Minuten sind machbar) sind da eher für die Eltern an manchen Tage schwierig unterzubringen. Inzwischen spielt die Kleine das Spiel schon gelgentlich allein... Von uns als gehobenes Kinderspiel alle Daumen hoch! |