Spielziel
Man lernt nie aus.
Der Wahrheitsgehalt dieser Binsenweisheit wurde mir erst kürzlich wieder bestätigt. Auf der Nürnberger Spielwarenmesse lerne ich eine Spieleneuheit von Winning Moves kennen: Miss Lupun, eine Art Logik-Mathematik-Legespiel. Am Stand wurde erklärt, dass "Miss Lupun" ein Anagramm von "Plus" und Minus" sei und dass die beiden Autoren irgend etwas mit Mathematik (Professoren, wenn ich mich recht erinnere) zu tun hätten. Ein kurze Recherche im Internet brachte aber zu Tage, dass "Miss Lupun" in Wirklichkeit eine eigene Rätselgattung - ähnlich wie Sudoku - ist, die von den beiden Erfindern Thomas Sing und Ralf-Peter Gebhardt erdacht wurde. Das vorliegende Spiel ist im Prinzip eine Brettspiel-Umsetzung, um diese Rätselart noch etwas besser promoten zu können.
Ablauf
Da Miss Lupun eigentlich ein Solitärrätsel (wie Sudoku, Kreuzworträtsel, etc.) ist, haben die beiden Autoren für das Brettspiel ein paar Änderungen vornehmen müssen. Zwar zeigt der Spielplan dasselbe Raster aus 6 x 4 Feldern, aber alle Felder sind anfangs noch leer. Jeder Spieler verfügt über einen Satz aus 10 Zahlenplättchen mit den Zahlen von 0 bis 9. Abwechselnd platziert jeder Spieler eines seiner Plättchen auf ein freies Feld, bis schließlich alle Felder belegt sind, bzw. zu zweit alle 20 Plättchen auf dem Spielplan liegen.
Natürlich muss das Legen von Plättchen irgendeinen Sinn verfolgen. Dieser ergibt sich aus den Aufgabenkarten, von denen sich immerhin 139 Stück in der Schachtel befinden. Vier Karten werden an jeden Spieler ausgeteilt, aus denen jeder dann drei auswählt, die vor neugierigen Blicken der Mitspieler geheim gehalten werden. Jede Karte zeigt eine Aufgabe, die es auf dem Spielbrett zu lösen gilt. Die Aufgabe wird dabei sowohl bildlich mit einem Diagramm als auch in Form einer kleinen Rechenformel dargestellt.
Die Aufgaben sind recht vielfältig. So muss etwa eine bestimmte Zeilen- oder Spaltensumme erreicht (z. B.: Zeilensumme 6 = 28) oder ein Quadrat aus vier unterschiedlichen Zahlen gebildet werden. Ein andermal darf eine beliebige Spalte nur aus Zahlen kleiner als 6 bestehen, oder eine bestimmte Rechenaufgabe muss mit Zahlen auf den angegebenen Feldern erfüllt werden (beispielsweise "C1 + D3 = A4"). Alle mögliche Arten von Aufgaben zu beschreiben, würde hier zu weit führen, aber es kommen jedenfals wesentlich mehr Rechenvorgänge und Begriffe aus der Mathematik vor als bloß "plus" und "minus" der Solitäraufgaben.
Am Schluss erhält man für jede erfüllte Aufgabenkarte die darauf vermerkte Punktezahl, die je nach Schwierigkeitsgrad zwischen 1 (leicht) und 9 (extrem schwierig) beträgt. Es gewinnt, wer nach einer vorher ausgemachten Anzahl an Runden die höchste Gesamtpunktezahl erzielt.
Fazit
Die verschiedenen Aufgaben sind nicht nur faszinierend (vor allem für Rätselliebhaber wie mich), sie schulen auch ein wenig die mathematischen und logischen Fähigkeiten und frischen die alten Schulkenntnisse auf. Da tauchen - zumindest für die meisten von uns - längst vergessene Begriffe auf, wie Primzahlen, teilbar, größer/kleiner als, etc.
Die spielerische Herausforderung ist hingegen nicht ganz so groß. Da man stets nur ein Plättchen legen kann, kommt es darauf an, Prioritäten zu setzen, Aufgaben wenn möglich miteinander zu kombinieren, die Plättchen geschickt zu platzieren und auch flexibel auf die Aktionen der Mitspieler zu reagieren. Sicher ist es ab und zu notwendig, einige Aufgaben sofort in Angriff zu nehmen, manchmal ist es jedoch besser, nicht selbst in die Offensive zu gehen, sondern abzuwarten, um im richtigen Moment passende Plättchen unterzubringen.
Allerdings gibt es bei Miss Lupun ein großes Manko: Da die Aufgabenkarten geheim gehalten werden, geschieht die Interaktion zwischen den Spielern nur indirekt. Man kommt sich einander zwar immer wieder in die Quere, dies aber eher zufällig und unbeabsichtigt. So kann es vorkommen, dass ein von einem Mitspieler gelegtes Plättchen die Erfüllung einer eigenen Aufgabe unmöglich macht. Aber auch das Gegenteil kann der Fall sein, nämlich dass ein Mitspieler ungewollt Hilfestellung leistet und zur Erfüllung beiträgt. Und einige Aufgaben sind ohne fremde Hilfe erst gar nicht lösbar.
Überhaupt ist die Regelung bei der Kartenverteilung meiner Meinung nach - gelinde ausgedrückt - suboptimal. Es kann eine viel zu große Bandbreite unter den zufällig ausgeteilten Aufgabenkarten geben. Da kann es passieren, dass man sich widersprechende Aufgaben erhält, oder wiederum sehr gut zusammenpassende, die sich ideal ergänzen. Der eine erhält nur höherwertige Aufgaben, die sehr schwierig zu erfüllen sind, der andere lauter leichte, mit denen er kaum Punkte erzielen kann. So kann es ab und an sehr unausgewogen sein. Man kann da aber leicht Abhilfe schaffen, indem man die Aufgabenkarten in drei Stapel unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade unterteilt (1 - 3 Punkte, 4 - 6 Punkte, 7 - 9 Punkte). Nachdem jeder Spieler je eine Karte jedes Stapels gezogen und eingesehen hat, darf er noch eine vierte Karte eines beliebigen Stapels nachziehen. Aus diesen nur vier Karten wählt er wie gewohnt drei Aufgabenkarten für das Spiel aus. Auf diese Weise ist man nicht mehr so stark dem Zufall ausgeliefert.
Aber auch die Spielerzahl wirkt sich auf das Spielvergnügen aus. Besonders bei größerer Besetzung kann das Spiel weniger gefallen. Die Spieler sind viel zu selten am Zug, zu sechst gerade vier Mal. Dementsprechend wenig Einfluss hat da der Einzelne auf das Spielgeschehen. Zu fünft kann der letzte Spieler sogar um ein Plättchen weniger legen als die anderen. Bei nur zwei Spielern tut sich für meinen Geschmack etwas zuwenig auf dem Spielplan, es können ja nicht einmal alle Felder belegt werden. Zu dritt oder zu viert funktioniert Miss Lupun hingegen am besten.
In der Schachtel befinden sich noch ein paar "Joker"- und "Win"-Karten sowie ein paar Jokersteine, welche Spielvarianten "für noch mehr Spannung" versprechen. Die Joker-Variante gefällt mir dabei ganz gut: Wer eine Joker-Karte erhält, darf im Laufe des Spiels einen Jokerstein einsetzen, der bei der Auswertung eine beliebige Zahl von 0 bis 9 einnimmt. Allerdings können davon auch die Mitspieler profitieren, wenn der Joker zufällig auf einem betroffenen Feld liegt. Besonders spannend läuft die Win-Variante ab: Wer eine WIN-Karte zieht, legt diese offen vor sich ab. Wenn es ihm gelingt, alle drei verbliebenen Aufgaben zu lösen, hat er das gesamte Spiel gewonnen, unabhängig vom bisherigen Punktestand. Bei dieser Variante können die Spieler übrigens am Ende jeder Runde für ihre erreichten Punkte Zahlensteine in Höhe der Gesamtsumme umdrehen, so dass die eingekreiste Zahl sichtbar nach oben liegt. Gesamtsieger ist dann der Spieler, der zuerst alle seine 10 Zahlensteine umdrehen konnte oder eine Runde mit Win-Karte gewinnen konnte.
Reine Taktiker und Strategen sollten von Miss Lupun lieber die Finger lassen, allen anderen kann ich das Spiel aber - vor allem mit erwähnter Regeländerung bei der Kartenverteilung - durchaus empfehlen. Wer mehr über das Solitärrätsel "Miss Lupun" erfahren möchte, kann den zusätzlichen Textblock "Weitere Infos" lesen.
Rezension Franky Bayer
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
Weitere Infos
Das Solitärrätsel Miss Lupun wurde von Thomas Sing und Ralf-Peter Gebhardt erdacht. Es stammt ursprünglich aus der musikalischen Harmonielehre, erst bei der Übersetzung in Mathematik entstand das Rätsel, wie es heute im Umlauf ist. Im Juli 2008 erstmals in einer Zeitung erschienen, wird es seitdem in immer mehr Zeitungen und Zeitschriften publiziert. Der von den beiden Erfindern gegründete Lupun-Verlag, von dem auch die Grafik für das Spiel übernommen wurde, brachte bereits einige Bände voller "Miss Lupun"-Aufgaben in verschiedenen Schwierigkeitsgraden heraus, es steht sogar schon als iPhone-Applikation zur Verfügung.
Wie funktioniert nun das Rätsel "Miss Lupun"? Es besteht aus einem Raster mit 6 Reihen zu je 4 Feldern. In der obersten und der untersten Reihe sind Zahlen zwischen 0 und 9 vorgegeben. Zwischen jeder Zeile stehen 4 Werte (z. B. -1, 0, +3, +4), welche die Differenz zwischen zwei übereinanderliegenden Zahlen angibt ("verdi" bedeutet vertikale Differenz). Manchmal sind einige Felder bereits mit fixen Zahlen vergeben, manchmal gibt eine zwischen 2 waagrecht nebeneinander liegenden Feldern stehende Zahl den erforderlichen Unterschied zwischen den beiden Lösungszahlen vor ("hordi" = horizontale Differenz). Die leerstehenden Felder müssen nun so mit Zahlen ausgefüllt werden, dass alle Bedingungen erfüllt werden. Damit das Rätsel gelöst werden kann, müssen daher die "verdis" den richtigen Spalten zugeordnet werden. Je nach Schwierigkeitsgrad und eigenem Können kann dies zwischen 1 Minute und einer halben Stunde beanspruchen.
Wer Lust auf ein paar Solopartien des Originalrätsels hat, kann diese kostenlos unter www.misslupun.de spielen.
H@LL9000 Wertung Miss Lupun ... und das Geheimnis der Zahlen:
4,3, 3 Bewertung(en)
Leserwertung Miss Lupun ... und das Geheimnis der Zahlen:
4.2, 21 Bewertung(en)