Spielerei-Rezension
Spielerei Frühjahr 2012:
Dieses Jahr ist Bernd Eisenstein mit seinem Verlag irongames auf der Spiel ’11 mit zwei Kartenspielen vertreten gewesen. Das komplexere der beiden ist PAX, in dem er die Spieler ins alte Rom entführt, das an Sklavenaufständen zu zerbrechen droht. Wir dürfen hier in die Rolle von Sklavenanführern schlüpfen, die versuchen, in verschiedenen Bereichen des Staates sich gegen Rom durchzusetzen.
Zu Spielbeginn werden von den 5 Legionskarten eine mehr als Spieler mitspielen in die Tischmitte gelegt. Separat haben wir auch noch einen Stapel an Geldkarten. Die Anzahl der restlichen Spielkarten wird limitiert, wenn nicht in voller Besetzung gespielt wird. Unser Ziel ist, in möglichst vielen der 7 Kategorien wie Religion, Senat oder Wohlstand am Spielende Mehrheiten zu besitzen, damit nicht Rom das Spiel gewinnt, was trotz dessen passiven Charakters gerade in Anfangsrunden gerne geschieht. Die Legionskarten dienen als Startkarte für Spalten, die oberhalb und unterhalb abgelegte Karten bilden. Oberhalb kommt zu Beginn je eine verdeckte Karte vom Stapel, die man sich im Spielverlauf anschauen kann, verzichtet man auf eine Aktion. Diese werden Rom am Spielende zugeordnet, das auch jede Runde eine der unterhalb liegenden Kartenspalten erhält und damit passiv seine Macht ausbaut. Unterhalb der Legionskarten wird zu Beginn einer jeden Runde je eine Karte offen zum Kauf ausgelegt, bzw. im Spielverlauf leere Spalten mit einer Startkarte aufgefüllt. Nun zieht der Zugspieler drei Karten. Der Zugmechanismus ist dabei geschickt: Ist ein Spieler am Zug, zieht er nacheinander drei Karten, wobei er sich für jede direkt entscheiden muss, sie zu behalten, zurück unter den Talon zu schieben, oder unterhalb einer der Legionskarten offen anzulegen. Und der Druck ist groß, denn jede dieser Aktion ist zwingend. Als nächstes darf er eine der ausliegenden Reihen kaufen. Jede Karte weist Symbole ihrer Kategorie auf, worauf gleich noch eingegangen wird. Außerdem findet sich am unteren Kartenrand eine Anzahl an Münzen, die ihren Kaufwert darstellt. Kauft ein Spieler Karten, muss er eine ganze Spalte unterhalb einer Legion erwerben und den gesamten Geldwert aller Karten der Spalte berappen. Das muss man beim Verwerten der drei Karten zu Beginn des Zuges möglichst einfließen lassen in die eigenen Überlegungen: Eine teure Karte nimmt man sich besser auf die Hand, um sie nicht bezahlen zu müssen und eine preiswerte Karte legt man in eine zur eigenen Spielstrategie passenden Spalte, da man ja nach dem Kartenziehen gleich selbst eine Spalte kaufen darf. Hier achtet man natürlich auf die Kategorien, die man erweitern oder erst starten will, das Geld, was dafür nötig ist und die Symbole, die die Kategorien einbringen. Jede der sieben Kategorien im Spiel besitzt 1- und 2- wertige Karten. Diese Werte bestimmen am Spielende Sieg oder Niederlage gegenüber Rom, nicht die eigentliche Kartenanzahl, die man ausliegen hat.
Nach dem Ziehen und Kaufen kann man Karten vor sich auslegen und erhält Einkommen. Dabei kommen wir zum zweiten hübschen Mechanismus des Spiels: Wir befinden uns in dem Dilemma, Karten für das Auslegen bezahlen zu müssen und gleichzeitig aber durch dieses Auslegen auch unser Einkommen zu generieren. Wie geht das? Die erste auszulegende Karte ist umsonst, die zweite kostet ein Geld, danach jede weitere ein Geld mehr. Man generiert aber andererseits nur vernünftiges Einkommen mit einigermaßen ausgebauten Kategorien, denn die längste Spalte bringt das Rundeneinkommen in Höhe der ausgelegten Karten. Somit lohnt es sich im Verlauf nur dann, eine neue Kategorie mit einer Karte zu beginnen, wenn man zugleich auch zusätzlich noch mindestens eine Karte in einer gut – oder zumindest besser - ausgebauten Kategorie hinlegen kann.
Waren alle Spieler an der Reihe, endet die Runde und Rom erhält seinen „Tribut“: die wertvollste noch ausliegende Spalte wird abgeräumt und oberhalb der Legionskarten auf der Romseite nach Kategorien sortiert offen ausgelegt. So sammelt Rom bis Spielende eifrig seine Kategoriekarten. Und nicht zu vergessen, dass da ja noch drei Überraschungen verdeckt für´s Spielende ausliegen ...
Die Kategorien allein sind mit ihren Symbolen zwar für das Spielende schon entscheidend, aber jede Kategorie bringt dem Spieler auch noch Sondermöglichkeiten, die an bestimmte Bedingungen geknüpft sind. Bei vier Kategorien braucht man mindestens drei Symbole, um in den Genuss der Aktionsmöglichkeiten zu kommen: Mindestens drei Flotten – oder drei Armeesymbole bringen am Spielende genauso viele Siegpunkte plus einen Extrasiegpunkt je drei Symbole; ab drei Wohlstandssymbolen verringern sich die Anschaffungskosten um 1 Geld pro Spalte je drei Symbolen; und bei drei Religionssymbolen darf man sich 2 der 3 Karten, die man ziehen und zuordnen muss, sofort anschauen und entsprechend verteilen, bei 6 Symbolen gar alle drei.
Das Interessanteste am Spiel ist aber der Mechanismus Nummer 3, der nun das Spiel auf seinen Höhepunkt führt: Wir haben ein „Schatten über Camelot“- Element des Verräters, der gewinnt, wenn das Spiel gewinnt. Denn eine der Kartenarten ist die des Verschwörers. Wird sie ausgelegt, hat sie dieselbe Bedeutung wie die Kategorie „Land“. Erst mit diesen Kartentypen ist es überhaupt möglich, Flotten und Armeen auszulegen, die so gewinnträchtig bei der Endauswertung sind. Nur bekommt man nicht das zuvor erwähnte Einkommen, wenn man auch nur eine Verräterkarte in seinem Zug auslegt. Hat man am Spielende die meisten Verrätersymbole auf seinen Karten, bekommt man dafür einen Siegpunkt, wenn die Sklaven gegen Rom gewinnen. Gewinnt aber Rom, muss man gar keine Siegpunkte mehr ermitteln – der Spieler, der der „erste Verräter“ ist, gewinnt automatisch. Fies, aber macht die Sache komplex. Man muss sich nämlich während des Spiels entscheiden, welcher Seite man zuhalten will. Merkt man, dass man in den Einzelkategorien nicht mithalten kann mit den Mitspielern, empfiehlt es sich, sich frühzeitig Gedanken über die Rolle des Verschwörers zumachen (sofern einem das Kartenglück hold ist und man auch entsprechend Verschwörerkarten auf der Hand hält). Ab dem Zeitpunkt jedoch sollte man dafür sorgen, dass Rom in mindestens 4 der 7 Kategorien die Oberhand gewinnt, damit es den Sieg davonträgt. Im Gegensatz zum erwähnten Schatten über Camelot ist der Spieler aber nicht an dieses Ziel gebunden, er kann auch weiterhin mit allen Mitteln versuchen, Rom zu beherrschen. Immerhin zählt die Verschwörerkarte, die er als derjenige mit den meisten Karten vor sich liegen hat, am Ende auch einen separaten Siegpunkt. Und zusätzlich können Mitspieler ihm diese Rolle als Chefverschwörer streitig machen, indem sie mehr Verschwörersymbole (nicht unbedingt Karten) vor sich auslegen können. Eine spannende Konstellation.
Kann man zum Rundenbeginn nicht mehr jede Legionskarte mit einer Karte vom Stapel bestücken, endet das Spiel. Passiert das während einer Runde und Spieler können nicht mehr ihre 3 Karten aufdecken, erhalten sie 2 Geld als Ersatz. In der Auswertung zählt für jeden Spieler jede seiner Kategorien, am besten mit mehr Punkten (Symbolen) als Rom, jedes Flotten- und Armeesymbol, alles, was er noch auf der Hand hortet und eben, wer der erste Verschwörer ist. Hat Rom in mindestens 4 der 7 Kategorien die Mehrheit, gewinnt Rom und mit ihm der beste Verschwörer.
Das Zusammenspiel des Kartenglücks, gepaart mit den strategischen Möglichkeiten der eigenen Entwicklung macht einen großen Reiz aus. Hat man in manchen Kategorien kein Glück (was gerne entweder durch die Mitspieler passiert oder bei weniger als der Vollbesetzung durch das zufällige Aussortieren einer bestimmten Kartenanzahl), ist man auf Alternativstrategien angewiesen. Es gibt hier wirklich einige Wege, die nach Rom führen. In geübten Runden ist Rom dann aber meist kein wirklicher Gegner mehr und man entscheidet das Spiel unter den Mitspielern. Denn alle zusammen müssen Rom in der Mehrheit der Kategorien schlagen, nicht einer allein. Das Solitärspiel eignet sich hervorragend als Regellernspiel, dann – mit seinen sich steigernden Anforderungen von Runde zu Runde – aber auch als Herausforderung, sollten keine Partner vorhanden sein. Durch die Regelung der Anzahl der ausliegenden Legionen abhängig von der Spielerzahl und der Reduzierung der Spielkarten ist das Spielgefühl in jeder Besetzung erstaunlich gleich. Wobei ich gestehen muss, dass ich bisher nicht der Empfehlung folgen konnte, mit zwei Kartensets mit bis zu 8 (!) Personen zu spielen. Aber da die Homogenität im Spielablauf und –spaß in allen Grundkonstellationen stets gegeben ist, sollte man sich vor einer großen Runde nicht scheuen! Eines der Kartenspielhighlights dieses Essen-Jahrgangs. Sehr empfehlenswert!
Rezension Matthias Catrein
In Kooperation mit der Spielezeitschrift