Kompakt - Kritik
Wir veranstalten ein Pferderennen, bei dem der Letzte gewinnt. Wie funktioniert das? Indem man die anderen Pferde antreibt und eher durchs Ziel bringt! Sechs Pferde gehen an den Start. Jeder Spieler erhält die geheime Info über "sein" Pferd. Motor für die Tierchen sind Karten. Mit jeder Karte kriegen genau zwei Gäule die Sporen. Jede mögliche Kombination verschiedener Pferde ist genau einmal vertreten - jeder Spieler erhält einen entsprechenden identischen Kartensatz. Eine Auswahl von drei Karten stellt man sich zu Beginn eines Durchgangs zusammen. Die Spielerreihenfolge wird ausgelost und reihum legt jeder eine seiner drei Karten aus.
Hat jeder eine Karte gelegt, preschen manche Pferde los: Liegt eine gerade Anzahl an Karten für ein Pferd aus? Der Gaul bleibt stehen. Wurde eine ungerade Anzahl gespielt? Los geht's - entsprechend viele Felder rennt der Vierbeiner nun los! In einem zweiten Durchgang wird nochmals eine Karte pro Spieler gelegt. Nun liegt die doppelte Anzahl an Karten aus. Entsprechend größere Sätze sind also möglich. Nach der zweiten Galoppeinlage werden alle ausgespielten Karten abgeräumt, und jeder ergänzt seine individuelle Auswahl wieder nach eigenem Gusto auf drei Karten. Der nächste Durchgang beginnt nach der Neuverlosung der Reihenfolge. Sobald ein Pferd die Ziellinie passiert, endet das Rennen. Der Besitzer des letzten Pferdes gewinnt.
Die Idee des umgekehrten Rennens - das Letzte wird das Erste sein - ist reizvoll und erscheint innovativ. Hübsch modellierte Pferdefiguren machen richtig Lust aufs Spiel. Taktische Möglichkeiten ergeben sich etwa durch die offen liegenden Karten. Man kann ein wenig kalkulieren, ob ein Pferd preschen wird oder nicht. Im eigenen Zug darf man überdies zwei Mal im Spiel einen Joker spielen. Dieser kann eine bereits gespielte Pferde-Antriebskarte annullieren. Alternativ ist ein Spurwechsel möglich. Selbst ein Gaul, der eigentlich weit vorgaloppieren würde, kann damit gebremst werden. Denn durch das Aufreiten auf das Vorderpferd wird die Bewegung abgebrochen. Und wer das Ziel mit seinem Zossen schon allzu nah vor der Nase hat, kann umsatteln und eines der übrig gebliebenen Pferde unter seine Fittichen nehmen.
Den Einsatz der Joker sollte man allerdings nicht zu lange aufsparen. Denn so arg viele Durchgänge gibt es typischerweise nicht. Bis zum Ziel sind nur 13 Schritte zurückzulegen. In einem Durchgang kann ein Pferd problemlos 3 oder 5 Felder weit galoppieren. Kommt dieser Klepper mehrfach zum Zug, ist das Spiel schon nach wenigen Durchgängen vorbei. Da man pro Durchgang nur zwei Karten spielt, beschränkt sich der Einfluss auf das Spiel auf wenige Entscheidungen. Die Auswirkung der Joker steht hierzu in einem krassen Verhältnis, denn sie können alles über den Haufen werfen. Wer hinten sitzt, kann womöglich entscheiden, ob ein Pferd fünf Felder rennt oder erstmal etwas grast und keinen einzigen Schritt macht. Der Spielverlauf von Change Horses ist damit nahezu unkalkulierbar. Auch die Auswahl von drei Karten pro Durchgang und Spieler kann ungünstig - und auch unbeabsichtigt! - gegen einen laufen: Liegen viele Karten mit der Farbe des eigenen Pferdes aus, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es einen großen Satz macht. Wenn noch nicht im ersten Durchgang, so spätestens im zweiten. Ein fremdes Pferd weit nach vorn bringen zu können, reizt die Spaßvögel am Tisch garantiert. Sitzt man nicht zufällig gerade hinten zwecks Schadensbegrenzung, sollte man lieber schnell das Pferd wechseln.
Die verdeckte Zulosung von Pferden zu Besitzern verspricht einiges Potenzial zum Bluff. Wie kann man dezent das eigene Pferd zurückhalten, aber fremde Pferde voranbringen? Durch die Joker-Aktionen wird der Bluff-Faktor leider ad absurdum geführt. Denn eine Rettungsaktion wird man nur für das eigene Pferd machen. Das Werfen von Nebelkerzen zur Verwirrung der Mitspieler ist kaum möglich. Meist ist ruckzuck klar, wer auf welches Pferd gesetzt hat. Ein Unglücksrabe mit einem viel zu schnellen Pferd wird dann per Joker-Aktion austauschen. Gerade bei fünf Spielern nimmt dann die Tauschmotivation der anderen Spieler rapide ab - denn in dieser Besetzung bleibt nur ein Pferd ohne Reiter, so dass man nach dem ersten Tausch eine ziemlich genaue Ahnung hat, welches Pferd abgegeben wurde. Mal ganz abgesehen davon, dass in der Partie zu fünft durch die höhere Kartenzahl pro Runde ohnehin größere Strecken zurückgelegt werden ...
Ein massives Problem ist die Spielerreihenfolge. Diese wird in der Grundversion verlost. Nur wer in einem Durchgang als Letzter dran war, ist als neuer Startspieler gesetzt. Dies gleicht den großen Vorteil des Entscheiders am Ende eines Durchgangs aus. Murren gab es in meinen Runden, wenn jemand mehrfach hintereinander die Position 2 zugelost bekam. Dem kann man durch die Versteigerung der Startpositionen begegnen, die als Fortgeschrittenen-Variante angeboten wird. Versteigert wird - thematisch passend - mit Mohrrüben zum Locken der Pferde. Doch auch diese Regel ändert zu wenig an den geschilderten Problemen. Mein Joker wird zum Change Games eingesetzt.
Rezension Kathrin Nos
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.