Spielziel
MLEM - was könnte dies wohl bedeuten? Im Brettspiel mit dem besagten Titel geht es um Raumfahrt, weshalb eine Abkürzung (wie etwa die N.A.S.A.) naheliegt. Mir fällt aber bei bestem Willen keine vernünftige Bezeichnung ein, höchstens so wirres Zeug, wie "Mission für Lebensformen in extraterrestrischem Milieu").
Die Antwort dafür finden wir übrigens nicht in der Spielregel, sondern im Internet. "Mlem" beschreibt den Ton, den ein Tier macht, wenn es seine Zunge herausstreckt, um etwas abzulecken. Und so erklärt sich alles doch irgendwie, denn der Untertitel - "Die Astrokatzen" - verrät uns, dass die Gattung der Felidae nach der Kontrolle über die Erde (laut Spielgeschichte wird dies kurz vor dem Jahr 2075 sein) nun bestrebt ist, die gesamte Galaxie für sich zu beanspruchen und zu diesem Zweck mit Raketen ins Weltall fliegt.
Ablauf
Als Leitkatzen einer von fünf CASA-Zentren (Cat Aeronautics and Space Agency) schicken wir unsere Astrokatzen auf Expeditionen, um Monde und Planeten zu erreichen und zu besetzen und auf diese Weise Schätze zu sammeln. Jeder von uns verfügt über ein Team aus 8 Astrokatzen, die auf unserer Leitkatzentafel auf ihren Einsatz warten.
In der Startphase setzen wir als aktueller Startspieler eine unserer Astrokatzen als "Captain" auf die Raketentafel. Reihum legen anschließend auch alle anderen eine ihrer Katzen in die Rakete. Den Raketenmarker stellen wir daraufhin auf das Startfeld, und mit "3... 2... 1... Liftoff!" beginnt die Expedition.
In der Reisephase kommen die Spezialwürfel - der Motor der Rakete - zum Einsatz. Als "Captain" würfeln wir anfangs alle sechs Würfel. Das Feld, auf dem sich die Rakete befindet, bestimmt, welche Würfelzahlen gelten. Dann entscheiden wir, welche Würfelwerte für die Bewegung herangezogen werden, wobei wir stets alle Würfel eines gewählten Wertes verwenden müssen. Zeigt kein einziger Würfel einen gültigen Wert, ist die Rakete abgestürzt und alle noch in der Rakete befindlichen Katzen kommen zurück auf ihre jeweilige Leitkatzentafel.
Nachdem wir die Rakete um die so ermittelte Anzahl an Feldern vorgerückt haben, kommt die Landephase. Nun dürfen wir und alle verbliebenen Crewmitglieder der Reihe nach wählen, ob wir die Rakete verlassen und auf dem Mond bzw. dem Planeten landen wollen, oder ob wir riskieren wollen, die Reise fortzusetzen. Landen wir auf einem Mond, erhalten wir die darauf abgebildeten Punkte sofort in Form von Punkteplättchen. Katzen auf Planeten hingegen müssen bis zum Spielende dort warten, da die Planetenpunkte erst am Schluss aufgrund von Mehrheiten vergeben werden. Verlassen wir als "Captain" die Rakete, kommt es übrigens zu einem Kommandowechsel, bei der die nächste Position auf der Raketentafel entscheidet.
Bleibt noch mindestens 1 Astrokatze an Bord, müssen nun alle verwendeten Würfel abgegeben werden, mit Ausnahme der Würfel mit "Nachbrenner"-Symbol, welche stets wiederverwendet werden dürfen. Für den Weiterflug steht uns aber auf jeden Fall mindestens 1 Würfel zur Verfügung. Eine Expedition endet, wenn alle Astrokatzen ausgestiegen sind, oder die Rakete abgestürzt ist.
Das Spiel endet, sobald die Rakete zum elften Mal abgestürzt ist, oder einer von uns alle seine Astrokatzen platzieren konnte, und eine Leitkatzentafel folglich leer ist. In einer Schlusswertung erhalten wir nun Punkte für unsere Astrokatzen auf den Planeten, je nachdem ob wir dort die Mehrheit, die zweitmeisten oder zumindest 1 Katze haben. Wenn wir zwischendurch zuerst die Bedingung eines der vier Zielplättchen (z.B. 4 Astrokatzen auf 4 verschiedenen Monden) erfüllen konnten, bringt uns die 5 Punkte pro Zielplättchen ein. Weisen wir schlussendlich die meisten Punkte auf, haben wir gewonnen.
Fazit
Ein Würfelspiel von Reiner Knizia, bei dem nach jedem Wurf weniger Würfel zur Verfügung stehen, und wir deshalb abwägen müssen, wann es zu riskant ist weiterzumachen? Bei den meisten Spielern klingelt es sofort: Das kann nur Heck Meck am Bratwurmeck sein, ein geniales "Push Your Luck"-Würfelspiel des Großmeisters aus dem Jahre 2006, das sich nach wie vor großer Beliebtheit erfreut, und welches auch jedes Jahr Mittelpunkt zahlreicher Meisterschaften ist.
Nein, es handelt sich hierbei nicht um das Würfelzockerspiel aus dem Zoch Verlag, sondern um eine Spieleneuheit, welche im polnischen Verlag "Rebel Studio" erschienen ist. Aber Reiner Knizia ist sich - wie ich in einem Interview lesen konnte - der möglichen Ähnlichkeiten von MLEM - Die Astrokatzen mit Heck Meck am Bratwurmeck bewusst, und hat doch ein paar komplett andere Elemente inkludiert. Trotzdem gilt immer noch das "Can't Stop"-Prinzip, dass die Spieler sich stets entscheiden müssen, ob sie eine mögliche bessere Belohnung durch Weiterwürfeln mit dem damit verbundenen höheren Risiko, zu scheitern und damit gar nichts zu erreichen, in Kauf nehmen.
Die von Knizia vorgenommenen Änderungen wirken sich aber stark auf den Charakter des Spiels aus. Dadurch, dass den Spielern nicht mehr direkt Steine weggenommen werden können, ist die Interaktion deutlich geringer. Die Spieler kommen sich durch Mehrheitswertungen auf den Planeten und durch einen Wettlauf um die Erfüllung von Zielplättchen dennoch nach wie vor ein wenig in die Quere.
Das Spielgefühl ist insgesamt mehr von Taktik, von mittelfristiger Planung als von situationsbedingten Handeln geprägt. Natürlich spielt das Glück durch das Würfeln eine große Rolle, aber dies erwartet man sich ja naturgemäß von einem Würfelspiel.
Für die Feinheiten im Spiel sorgen die Fähigkeiten der einzelnen Astrokatzen, die bis jetzt noch nicht erwähnt wurden. Jeder Spieler hat einen identischen Satz aus acht Astrokatzen. Einige verdoppeln die zu erwartenden Punkte auf Planeten, Monden oder in den Tiefen des Weltalls. Andere dienen als Rückversicherung bei einem Absturz ("Fallschirm"), als zusätzlicher Würfel mit dem Wert "1", für einen etwas vorverlegten Start ("Satellit"), u. v. m. Es kann durchaus relevant sein, welche Astrokatze man zu welchem Zeitpunkt einsetzt.
Trotzdem hat man relativ bald alles gesehen. Die eher einfache Grundversion ist somit auch mehr als lockeres Familienspiel geeignet. Die Schachtel beinhaltet jedoch gleich drei unterschiedliche Module, die - ohne das Grundprinzip zu verändern - etwas mehr Abwechslung und Varianz ins Spielgeschehen bringen.
Beim Modul "Erkundung" werden zu Beginn fünf zufällige Erkundungsplättchen aufgedeckt und auf die Raketenfelder der Weltallmatte gelegt, die der aufgedruckten Nummer entsprechen. Landet die Rakete am Ende der Reisephase auf einem Feld mit Erkundungsplättchen, darf der "Captain" dieses aktivieren, was ihm entweder zusätzliche Punkte, Extrafelder oder Würfel bringt. Dies kann ein Anreiz für den "Captain" sein, diese Felder bewusst anzusteuern.
Das Modul "Geheimmissionen" bringt Missionsplättchen ins Spiel. Jeder erhält geheim 4 Stück und wählt davon verdeckt drei Plättchen aus. Am Ende erhält jeder Punkte für Plättchen, deren Bedingungen erfüllt werden konnten (beispielsweise eine Astrokatze auf einem bestimmten Planeten haben). Je mehr Missionen man schafft, umso höher die Punkteausbeute: 1 Mission = 2 Punkte, 2 Missionen schon 5 Punkte, alle drei Missionen sogar 10 Punkte. Dieses Modul fügt sich sehr gut in das Grundspiel ein und stellt eine echte Bereicherung dar.
Das Modul "Ufo" variiert ein wenig den Ablauf des Grundspiels. Am Start jeder Expedition entscheidet ein zufällig aufgedecktes "Ufo"-Plättchen, um wie viele Felder sich der Ufo-Marker aus den Tiefen des Alls in Richtung Erde bewegt. Aber wichtiger noch: Das Plättchen legt auch fest, wie viele Würfel (4 bis 6) für die Expedition zur Verfügung stehen, sowie welche Zusatzfähigkeiten gelten. Dies können zusätzliche Würfel sein, die Möglichkeit alle Würfel 1 x neu zu würfeln oder am Ende der Reisephase gar keine Würfel abgeben zu müssen. Damit sind die Regeln für jede Expedition ein wenig anders, und die Spieler müssen sich bestmöglich darauf einstellen.
Das Spielmaterial ist auf jeden Fall Top. Viele Plättchen, große Würfel, stabile Tafeln, eine Holzrakete, etc. Besonders sticht allerdings der Spielplan hervor. Dieser ist nämlich kein aufklappbarer Kartonplan wie in den meisten Spielen, sondern eine Matte, welche auseinandergerollt fast einen Meter lang ist. Dies animiert die Spieler sofort zum Loslegen.
Die grafische Gestaltung finde ich persönlich ebenfalls gelungen. Die Verwendung von Katzen als Astronauten mag zwar weniger problematisch in Sachen "political correctness" sein, könnte jedoch falsche Erwartungen wecken. MLEM - Die Astrokatzen ist sicher kein Kinderspiel. Ich würde es zusammen mit den verschiedenen Modulen eher als gehobenes Familienspiel betrachten, bei dem die Spieler beim Zocken mehrere Aspekte, wie Mehrheitswertungen, Wahrscheinlichkeiten, etc. zu berücksichtigen haben. In unseren Runden kommt es jedenfalls gut an, vor allem als lockeres Spielchen für zwischendurch.
Rezension Franky Bayer
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.