Spielerei-Rezension
Spielerei Frühjahr 2013: Gelungene Adaption
Natürlich: Ist ein Brettspiel erfolgreich, kommt bald danach ein Kartenspiel auf den Markt. Das machen die großen Verlage seit Jahren. Kein Wunder, dass Reiner Stockhausen in seinem Einmannverlag dlp games da mitzieht: Sein cleveres Siberia ist nun schon deutlich über den Status „Geheimtipp“ hinausgekommen. Jetzt also Siberia – Das Kartenspiel. Allein schon die Eleganz, mit der Stockhausen das zentrale Spielprinzip hier erneut umsetzt, lohnt, genauer hinzuschauen.
Im Brettspiel (Spielerei 95) waren wir auf einer Landkarte Sibiriens unterwegs, um fünf verschiedene Rohstoffe abzubauen. Fünf verschiedene Berufe galt es dafür zu orchestrieren, damit man vor der Konkurrenz Gas, Öl, Kohle, Gold oder Edelsteine förderte, um dies dann auch gleich lukrativ an den Rohstoffbörsen der Welt in Bares zu verwandeln. Zentrales Element war die eigene Planungstafel, auf der wir verdeckt gezogene Spielchips anlegten. Zwei einer Sorte lösten eine Förderaktion aus – oder, dass wir Personalnachschub bekamen.
Und wie geht das jetzt – ohne Plan und Planungstafel? Ganz einfach: mit 120 Spielkarten. Die Chips werden durch Aktionskarten ersetzt, die ebenfalls wieder beide Merkmale zeigen: einen Rohstoff und eine Person. Spielen wir zwei Karten mit gleichen Merkmalen aus, bekommen wir etwas, zum Beispiel bei den Personen: einen Investor, der dafür sorgt, dass wir in Zukunft für einen Rohstoff nur noch eine Karte benötigen. Einen Verkäufer, der alle unsere Karten einer Rohstoffsorte auf einen Topbetrag aufwertet. Oder einen zusätzlichen Arbeiter, was sich sofort auf den Rohstoffausbau auswirkt. Die beiden anderen Siberia-Jobs, der Logistikleiter und der Manager, fehlen im Kartenspiel.
Zu Beginn unseres Spielzuges müssen wir eine der acht Rohstoffkarten in der Tischmitte aufdecken, sofern mindestens drei von ihnen verdeckt sind. Danach können wir passen und zwei Aktionskarten nachziehen – oder ein Kartenpaar ausspielen und eine Karte nachziehen. Durch unser Ausspielen werben wir Personen an (siehe oben) oder fördern Rohstoffe. Wir können aber nicht einfach so zugreifen: Die Rohstoffe liegen quasi auf einem Förderband in einer langen Reihe, und nehmen kann man immer nur die passende Karte, die als nächstes neben einer Pfeilkarte zu Beginn der Reihe liegt. Haben wir mehr Arbeiter, pumpen wir pro Arbeiterkarte einen entsprechenden Rohstoff aus der Auslage. Die wird dann mit verdeckten Karten aufgefüllt. Sind alle Karten im Spiel und aufgedeckt, beginnt die letzte Runde, danach gewinnt der mit dem höchsten Gewinn.
Siberia – Das Kartenspiel läuft wunderbar rund, eine Partie mit geübten Spielern dauert maximal zwanzig Minuten. Dennoch gibt es genügend Entscheidungen zu treffen: Investieren wir zu viel in Personal, haben die anderen bereits reichlich Rohstoffe gescheffelt. Fördern wir aber nur Rohstoffe, ziehen die anderen durch besseres Personal in der zweiten Spielhälfte vorbei. Da zudem jede Rohstoffsorte wieder unterschiedlich häufig im Spiel ist, gilt es die Auslage gut zu beobachten und rechtzeitig zuzuschlagen.
Das kann natürlich auch mal schiefgehen, wenn wir die falschen Handkarten nachziehen. Deshalb gibt es hier die Jokerchance: Zwei beliebige Karten sind ein(e) gewünschte(r) Rohstoff/Person, und nur die erste ausgespielte Karte für die Aktion muss auch passen. Man mag es kaum glauben: Das Siberia-Spielgefühl stellt sich auch hier wieder ein. Das Kartenspiel ist also genau richtig, wenn die Zeit für eine lange Partie fehlt – oder man Menschen mit weniger Spielerfahrung an das doch etwas ungewöhnliche Brettspiel heranführen will. Für das zudem die Handelsplatzkarten aus dem Kartenspiel als Mini-Erweiterung genutzt werden können.
Rezension Stefan Ducksch
In Kooperation mit der Spielezeitschrift