Rezension/Kritik - Online seit 10.07.2014. Dieser Artikel wurde 8478 mal aufgerufen.
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Im strategischen Brettspiel The Duke treten zwei Spieler in der Rolle zweier Herzöge (Dukes) mitsamt ihrem Gefolge gegeneinander an. Es gibt außer der titelgebenden Figur noch 14 weitere Einheiten, die alle ein (bzw. zwei) individuelles Zugmuster besitzen. Ziel ist es, den gegnerischen Herzog zu schlagen, dann endet das Spiel. Wem das nun vage bekannt vorkommt: richtig, das Prinzip von The Duke ist grob dem Schachspiel entlehnt, bietet aber eine Fülle eigenständiger Ideen.
Das Spiel findet auf einem 6 x 6 Felder großen Spielfeld statt. Jeder Spieler erhält einen identischen Satz Einheiten in einem Stoffbeutel, in diesem befinden sich jeweils 19 quadratische Holzplättchen – ein Set ist aus hellem Holz, das andere aus etwas dunklerem.
Zu Beginn platziert jeder Spieler lediglich drei Einheiten auf dem Brett: den eigenen „Duke“, welcher auf einem der beiden Mittelfelder des eigenen Spielfeldendes platziert wird. Diesem stehen noch zwei Lakaien („Footman“) zur Seite, welche angrenzend zum „Duke“ positioniert werden müssen. Diese drei Figuren sind bei jeder Startaufstellung gleich, jede weitere Figur, die zusätzlich ins Spiel kommt, wird zufällig aus dem Beutel gezogen.
Jede Spielfigur enthält folgende Informationen: den Namen der Einheit, eine kleine Grafik und eine grafische Darstellung der möglichen Aktionen bzw. Muster für den nächsten Zug auf einem Raster, immer relativ vom momentanen Standpunkt der Figur; anders als beim Schach muss sich der Spieler also nicht merken, wie die Figur ziehen darf, sondern kann dies direkt von dem Holzplättchen ablesen. Außerdem wird die Seite des Plättchens, mit der die Figur ins Spiel kommt, in der Mitte des Zugmusters durch einen „dunklen Pöppel auf hellem Grund“ angegeben.
Wenn ein Spieler am Zug ist, hat er zwei Möglichkeiten: entweder führt er eine Aktion mit einer seiner Figuren aus oder er zieht eine weitere Figur als Verstärkung aus dem Stoffsäckchen. Die Verstärkung wird immer direkt an eine der vier Kanten der „Duke“-Spielfigur angelegt. Sind diese blockiert (durch eigene oder feindliche Figuren oder durch den Spielfeldrand), darf keine Verstärkung eingesetzt werden.
Je nach Typus kann eine Figur also eine von sechs möglichen Aktionen durchführen:
a) sich bewegen („MOVE“, durch einen gefüllten Kreis dargestellt) – je nach Figur in direkter Linie 1-2 Felder weit ziehen.
b) springen („JUMP“, durch eine Kreiskontur dargestellt) – hierbei wird eine direkt angrenzende gegnerische oder eigene Figur übersprungen.
c) gleiten („SLIDE“, durch ein gefülltes Dreieck dargestellt, welches in die jeweilige Richtung zeigt) – es kann beliebig weit geglitten werden, der Spielfeldrand oder sich in der Bahn befindliche gegnerische oder eigene Figuren beenden die Bewegung.
d) springen und gleiten („JUMP SLIDE“, durch eine Dreieckskontur dargestellt, welche in die jeweilige Richtung zeigt) – eine Kombination aus b) und c): Zuerst wird ein Feld übersprungen, danach wird beliebig weit geglitten.
e) stechen/schießen („STRIKE“ - durch eine Sternkontur dargestellt) – die Figur schlägt eine gegnerische Figur auf einem vorgegebenen Feld, ohne dass sie das Feld auf dem diese steht, betritt.
f) befehlen („COMMAND“ - der Befehlsbereich ist durch Felder mit zwei kleinen gefüllten Dreiecken in den Ecken eines Feldes dargestellt – die ausführende Figur ermöglicht eine freie Bewegung einer anderen eigenen Figur innerhalb des angegebenen Befehlsbereichs – auch wenn diese diesen Zug laut ihres eigenen Zugmusters nicht durchführen könnte. Hierbei dürfen sogar Figuren übersprungen werden, der Zug kann als eine Art von „Teleport“ angesehen werden.
Endet der Zug einer Figur auf einem Feld, das von einer gegnerischen Figur besetzt ist, wird diese geschlagen und kommt aus dem Spiel.
Manche Figuren sind von ihren Zugmöglichkeiten eher einfach gestrickt, allen voran der „Duke“; welcher lediglich (je nach aufgedeckter Plättchenseite) entweder horizontal oder waagerecht gleiten kann. Andere Einheiten hingegen zeigen elaborierte Zugmuster, wie etwa der Dragoner („Dragoon“), welcher vier der sechs oben beschriebenen Aktionsmöglichkeiten auf seinen beiden Seiten besitzt: Er kann sich bewegen oder einen Fernangriff ausführen bzw. springen oder gleiten.
Die Regeln sehen noch zwei weitere Aktionen vor, g) Furcht („DREAD“ - durch einen gefüllten Totenkopf dargestellt, „lähmt“ eine gegnerische Figur) und h) Verteidigung („DEFENSE“ - durch ein gefülltes Quadrat dargestellt, verhindert Angriffe aus einer bestimmten Richtung). Die Einheiten des Grundspiels weisen diese allerdings nicht auf, es sind aber Erweiterungssets geplant, in denen es Einheiten geben wird, bei denen diese zur Anwendung kommen.
Nach einer Aktion bzw. dem Ziehen von Verstärkung aus dem Beutel ist der andere Spieler an der Reihe.
Die Besonderheit von „The Duke“ liegt darin, dass jede Spielfigur zwei unterschiedliche Bewegungsmuster besitzt, auf jeder Seite der Figur ist eine davon zu sehen. Wenn ein Spieler eine Aktion mit einer Figur durchgeführt hat, dreht er das Holzplättchen auf die andere Seite und muss im nächsten Zug mit dieser Figur dann das entsprechende „neu gültige“ Muster ausführen. Danach wird die Figur abermals umgedreht. Der Wechsel dieser Möglichkeiten macht meiner Meinung nach den besonderen Reiz des Spiels aus. So kann z.B. der Bogenschütze („Bowman“) nur in jedem zweiten Zug einen Pfeil abfeuern, ansonsten ist er im „Zwischenzug“ eher zu den Seiten oder nach hinten zu bewegen.
Wenn der gegnerische „Duke“ während eines Zuges in Gefahr gerät, muss dies angekündigt werden – statt „Schach“ heißt es hier „Guard!“ („(Be-)Schützen!“). Dann sollte natürlich alles versucht werden, die Hauptfigur aus der Bredouille zu befreien – notfalls wird eine eigene Figur geopfert, die sich heldenhaft in die Bresche wirft, um die Haut des Herzogs (für diese Runde) zu retten. Sollte dennoch alles umsonst sein und der „Duke“ wird im nächsten Zug geschlagen, endet das Spiel.
Das altbekannte Muster „leicht erlernt, schwer gemeistert“ trifft auf The Duke voll zu – auch Neueinsteigern fällt der Einstieg in das Spiel leicht. Die Idee, die jeweiligen Zugmuster auf die zweckmäßig aber dennoch ansehnlichen Spielsteine zu drucken, halte ich für eine gelungene Idee – das Auswendiglernen fällt hiermit weg. Dennoch sollten sich unerfahrene Spieler vor einer Partie darauf einigen, ob sie jederzeit unter die eigenen und gegnerischen Plättchen blicken dürfen, um das weitere Vorgehen zu planen.
Im Gegensatz zum offenkundigen Vorbild Schach enthält das Spiel ein klares Glückselement: das zufällige verdeckte Ziehen von Einheiten aus dem Beutel. Dies bringt Spannung ins Spiel, denn einige Figuren sind auf den ersten Blick mächtiger als andere, so kann etwa der Meuchelmörder („Assassin“) ausschließlich „JUMP SLIDES“ in drei verschiedene Richtungen ausführen, was ihn wegen seiner großen Reichweite und der Fähigkeit des Überspringens gefährlich macht. Der gemeine „Footman“ ist im Gegensatz hierzu eher langsam und berechenbar – letztendlich kann aber jede Figur durch jede andere geschlagen werden, wenn ihre Möglichkeiten gezielt eingesetzt werden.
In den bisherigen Spielen gab es wenige „sichere Siege“, die Situation kann zwischendurch schnell umschlagen, was aber nicht am Zufallsfaktor oder willkürlich eingesetzten Spieleraktionen lag, sondern eher am Behalten bzw. Verlieren des Überblicks oder an gelungenen strategischen Finten - die taktischen Möglichkeiten sind stets gegeben. In äußerst seltenen Fällen ist es vorgekommen, dass Figuren im Spiel „feststecken“, d.h. dass es für den Rest des Spiels keine Zugmöglichkeit gibt – aber auch dieser Umstand hätte durch umsichtige Planung vermieden werden können.
Zwar ist The Duke bislang noch nicht auf Deutsch erschienen, die englische Regel ist aber im Umfang überschaubar und zudem verständlich formuliert. Sie bietet außerdem zahlreiche Abbildungen, in denen besondere Spielsituationen anschaulich gemacht werden. Weiterhin finden sich am Ende des Regelheftes noch vier alternative Spielvarianten.
Der oben beschriebene Ablauf erklärt lediglich die Grundregeln, das Spiel ist noch durch einige Varianten bzw. Erweiterungen ausbaubar, die ebenfalls der Spielschachtel beiliegen. So gibt es z. B. noch eine Karte mit einem aufgedruckten Berg („Mountain“), welcher vor Beginn einer Partie auf dem Spielbrett platziert wird. Dieses Feld ist für die Dauer des Spiels blockiert, was starke Auswirken für Deckung und Angriff sowie das Stören von Zugmöglichkeiten haben kann.
Zwei optionale Einheiten mit Spezialfähigkeiten warten ebenfalls auf ihren Einsatz, nur die Herzogin („Duchess“) und das Orakel („Oracle“) können die Sonderaktionen „SUMMON“ (Herbeirufen) bzw. „DIVINATION“ (Weissagung) einsetzen, die weitere einflussreiche Mechanismen freisetzen.
Wem ein „neutrales, chaotisches Element“ im Spiel fehlt, möge die Drachenfigur mit ins Spiel nehmen – ein schwarzes Holzplättchen mit goldener Beschriftung, das nach jedem Spielerzug einen eigenen Zug durchführt (wechselweise Bewegung oder Angriff) und ggf. alle Einheiten in seiner Bahn mit Drachenfeuer röstet, die nicht „bei drei auf den Bäumen sind“.
Weiterhin liegen dem Spiel zwei „Fahnenplättchen“ („Flag“) bei, die alternative Spielmöglichkeiten eröffnen, diese können von Einheiten erobert und mitgenommen werden, was, je nach gewähltem Szenario, verschiedene Effekte haben kann.
Wem das immer noch nicht reicht, der kann sogar eigene Einheiten erschaffen: Dem Spiel liegen ein heller und ein dunkler „Rohling“ einer Spielfigur als Leerplatte sowie ein Aufkleberbogen mit sämtlichen Aktionen (auch „DREAD“ und „DEFENSE“) bei – die Möglichkeiten hier sind schier unendlich. Hersteller Catalyst Labs hat außerdem einige Erweiterungen angekündigt, themenbasierte Einheitensets mit Titeln wie „Arthurian Legends“, „Robin Hood Expansion“ oder „Robert E. Howard Expansion“, bringen somit klassische Helden ins Spiel.
Die Partien, die ich bisher gespielt habe, haben stets beiden Spielern viel Vergnügen bereitet. Der Wille, gleich noch eine Revancherunde zu spielen, war häufig da, nicht zuletzt wegen der überschaubaren Spielzeit – nach einer guten halben Stunde waren auch die längeren Spiele vorüber. Als das Grundspiel einige Male gespielt worden ist, wuchs die Neugier, was noch alles in der kleinen Schachtel steckt. Gerade die flexiblen Elemente wie etwa „Drachenfigur“, „Berg“ und „Alternativziele“ ließen uns The Duke jedes Mal neu erleben. Ich schätze, dass ich dieses Spiel in Zukunft noch oft hervorholen werde und kann es jedem Taktikfreund empfehlen – ich vermute, dass selbst Schachpuristen ihre helle Freude an diesem schönen Spiel haben können.
Rezension Marko Tatge
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
H@LL9000 Wertung The Duke: 6,0, 1 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
03.01.14 von Marko Tatge - "The Duke" - das neue Schach. Kurze, sehr intensive Runden mit vielen Möglichkeiten und hohem taktischen Anteil. |
Leserwertung The Duke: 5.3, 3 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
23.03.14 von Braz - Das Spiel hat mir auch sehr gut gefallen. Knackiges Spiel mit schönem Material. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
28.09.14 von ravn - Einfacher Einstieg, da man zu Spielbeginn nur wenige Figuren besitzt und im Verlauf einer Partie immer mehr unterschiedliche Figuren ins Spiel kommen. Mir fehlte allerdings eine Spielübersicht, die die Zugmöglichkeiten der beiden Spielsteinseiten anschaulich macht, deshalb Abzug in der Spielbarkeit. Trotzdem absolute Empfehlung für alle Freunde von abstrakten 2-Personen-Spielen. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
06.04.21 von Der Fisch - The Duke ist die Schach-Variante für alle, die mehr Varianz und Einfluss von Beginn einer Partie an haben wollen. Das soll auf keinen Fall bedeuten, das Schach nicht variantenreich und voller Einfluss durch die Spieler ist. The Duke beginnt allerdings mit einer einfachen Grundstellung und gibt den Spielerinnen und Spielern so viele Möglichkeiten an die Hand, dass sich jede Parie völlig anders anfühlen dürfte. Hinzu kommt die Klarheit der Regeln (Onitama lässt grüßen!) und das reduzierte aber schöne Spielmaterial. Klasse! |