Rezension/Kritik - Online seit 27.02.2022. Dieser Artikel wurde 4562 mal aufgerufen.
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Ich bin ein großer Fan des „normalen“ Schotten Totten. Habe mit unzähligen Leuten Hunderte von Partien gespielt – und alle fanden es gut. Das auf’s Minimum heruntergebrochene Spielprinzip, die vielen kleinen Entscheidungen, die dann doch oft falsch („Arrrghhh!“) oder richtig („Ha! Hahaha!“) sind und waren, wecken auch bei so einem kleinen Spiel Emotionen.
Und nun – der Nachfolger. Was er wohl kann?
Auch hier gilt: 2 Spieler spielen gegeneinander um einzelne Mauersegmente. Ein Segment gewinnt man, wenn man dort eine wertvollere Kartenkombination ablegt als der Mitspieler. Gewinnt man eine bestimmte Anzahl von Mauersegmenten für sich, dann gewinnt man das Spiel.
So weit, so ähnlich. Aber doch nicht ganz, denn Schotten Totten 2 macht doch einiges anders. Aber von vorne, die Rezi soll ja auch Leute abholen, die das „Original“ nicht kennen (was – nebenbei gesagt – ein großer Fehler ist!). Wie also geht nun Schotten Totten 2?
Wir haben ein Blatt aus 60 Karten mit den Zahlen von 0-11 in 5 Farben. Diese werden gemischt, als verdeckter Stapel bereit gelegt und jeder erhält davon 6 Karten. Zwischen die Spieler kommt eine Mauer aus 7 Steinen, an die beidseitig Karten angelegt werden. Grundsätzlich schlägt dabei eine wertvollere Kombination auf der einen Seite eine weniger wertvolle Kombi des Gegners. Was ist nun eine wertvolle Kombi und was nicht?
Es gilt:
Sollte auf beiden Seiten eine gleiche Kombi liegen (z.B. eine Straße), dann gewinnt eine höhere Straße (7, 8, 9) gegen eine niedrigere (3, 4, 5). Sind beide Straßen gleich gut, dann gewinnt derjenige, der seine Kombi eher gelegt hatte.
Das Spiel folgt nun einem einfachen Rhythmus: Karte auf die eigene Seite spielen, Karte nachziehen, Mitspieler ist dran. So weit, so gleich bzw. ähnlich dem Original. Schotten Totten 2 ist jedoch asymmetrisch, mit leicht unterschiedlichen Regeln für beide Spieler.
Ein Spieler ist der Angreifer, der andere der Verteidiger (dargestellt durch 2 völlig alberne und unnötige Pappaufsteller "Koch" und "Hühnchen").
Der Angreifer gewinnt, wenn er entweder an 4 Mauersegmenten 1x oder an einem Mauersegment 2x siegreich war. Dabei geben die Mauersegmente jeweils vor, wie viele Karten an ihnen beidseitig erforderlich sind und welche Kombinationen an ihnen jeweils gewertet werden. So gelten z.B an einem Mauersegment nur Straßen und Summen, während an anderen nur andere Kombinationen erlaubt sind.
Der Verteidiger gewinnt, wenn er dies verhindern kann und bis zum Ende des Kartenstapels durchhält.
Der Angreifer darf zudem vor seinem Zug seine Karten an einem Mauersegment komplett abwerfen, wenn er zum Beispiel erkennt, dass er mit der dort liegenden (oder begonnenen) Kombi die des Verteidigers nicht besiegen können wird. Erkennt der Angreifer nach dem Zug, dass seine Kombination höher ist als die des Gegners, oder kann er aufgrund der ausliegenden Karten beweisen, dass der Verteidiger keine Kombination mehr legen können wird, die seine Karten übertrifft, dann darf er das Mauersegment erobern (= auf die Rückseite drehen), wodurch an diesem Abschnitt ab sofort andere Kombinationen gewertet werden und er dem Sieg einen Schritt näher gekommen ist.
Der Verteidiger darf seine einmal gelegten Karten nicht mehr zurücknehmen, allerdings stehen ihm 3 Ölfässer zur Verfügung. Diese erlauben ihm, an einem Mauersegment die erste dort abgelegte Karte des Angreifers zu zerstören.
Als Variante liegen dem Spiel noch 11 Taktikkarten bei. Werden diese ins Spiel einbezogen, so darf man beim Nachziehen entscheiden, ob man lieber vom „normalen“ oder vom Stapel der Taktikkarten nachziehen möchte. Diese werden dann bei Bedarf an Stelle einer Zahlenkarte gespielt und ermöglichen einen einmaligen Sondereffekt, beispielsweise eine Karte von der Seite des Gegners auf die eigene Seite überlaufen zu lassen.
„Puh, hartes Brot“ dachte ich schon beim Lesen der Regeln. Wer die schlichte Eleganz des Originals gewohnt ist, der findet hier doch an vielen Stellen ein anderes Spiel vor:
Diese Varianz kann eine willkommene Abwechslung sein, aber in meinen Augen und denen meiner Mittester war sie es leider nicht. Ich bin allerdings zugegebenermaßen vermutlich etwas voreingenommen, weil ich das Original liebe und für eines der besten leichten 2-Personenspiele halte. Vielleicht sogar für das Beste.
Objektiv macht Schotten Totten 2 vieles richtig und bringt so ein bisschen frischen Wind nach Schottland. Interessant finde ich in diesem Zusammenhang insbesondere die Möglichkeit des Angreifers, vor seinem Zug „aussichtslose“ Karten zurückzunehmen.
Auch ist meine Beobachtung nach 26 Partien, dass die Siegchancen trotz Asymmetrie recht gleich verteilt sind mit gefühlt einem leichten Vorteil für den Angreifer. Da dies aber auch immer vom Kartenziehglück und den individuellen Entscheidungen der Spieler abhängt, würde ich sagen: Das Spiel ist sehr gut ausbalanciert.
Im Vergleich ist Schotten Totten 2 dem Original in meinen Augen aber unterlegen. Es wirkt irgendwie „erwachsener“, aber zu viel Brimborium verwässert die oben bereits erwähnte schlichte Eleganz des Originals und nimmt dem Spiel die Leichtigkeit. Zusätzlich chaotisch wird es dann mit den Taktikkarten, die (genau wie beim Original) nur selten zum Einsatz kamen – nach einer Partie mit ihnen wollten alle Mitspieler lieber wieder ohne sie spielen. Und nach der oben erwähnten Anzahl von Partien hatte man sich zwar etwas in die zusätzlichen Möglichkeiten „eingefuchst“, dennoch ist die einhellige Meinung bei meinen Mitspielern und mir: Gutes Spiel – aber jetzt reicht es auch. Lieber wieder das Original …
Ich möchte aber zugestehen: Wer vielleicht zuerst Schotten Totten 2 kennen lernt, der wird es unter Umständen umgekehrt sehen: Er wird es für ein tolles Spiel halten und beim Wechsel zum Vorgänger diesen ob dessen „Reduziertheit“ vielleicht als zu eindimensional empfinden.
In diesem Sinne: Mindestens eine Version des Spiels sollte in jeder guten Spielerhausapotheke vorhanden sein!
Rezension Michael Andersch
Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit der Texte verwenden wir häufig das generische Maskulinum, welches sich zugleich auf weibliche, männliche und andere Geschlechteridentitäten bezieht.
H@LL9000 Wertung Schotten Totten 2:
5,0, 1 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
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01.12.21 von Michael Andersch |
Leserwertung Schotten Totten 2:
4.7, 3 Bewertung(en)
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
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21.04.21 von Peter Steinert - Endlich gibt es diesen Pflichtkauf für Zwei in einer deutschen Ausgabe bei Huch!. Der einfache aber keineswegs banale Vorgänger war schon tadellos, die witzig ausgestattete Fortsetzung setzt aber noch `ne Schippe drauf und grenzt sich deutlich von Teil 1 ab. Der Einstieg in Schotten Totten 2 ist nicht ganz so intuitiv, weil Reiner Knizia dafür eine asymentrische Mechanik erdacht hat. Das führt zu einem etwas umfangreicheren Regelwerk und vielen taktischen Entscheidungen, die sich in den ersten Partien nicht unbedingt komplett erfassen lassen. Absolut geniales Kartenspiel! |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
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03.08.24 von sutrebuh - Schotten Totten asymmetrisch? Geht das? Zunächst einmal fällt es ziemlich schwer, sich das überhaupt vorzustellen. Schotten Totten (1), das ebenso einfache wie fordernde Duell, bei dem zwei Spieler jeweils auf ihrer Seite der neun Grenzsteine bzw. \"Battle Line\", wie das Spiel im englischsprachigen Raum auch heißt, nach und nach drei Karten ablegen, um mit der besseren Kombination Abschnitte für sich zu gewinnen, legt das nicht nahe. Das symmetrische Original bezieht ihre Dramaturgie aus dem schrittweisen füllen der Reihen bei gleicher Ausgangssituation. Zerstört Asymmetrie also den Kern? Jain: Statt einem langsam ansteigenden Spannungsbogen erzeugt die neue Variante nervenzereißende Ungleichzeitigkeit. Es sind nur noch sieben Mauerabschnitte (statt Grenzsteine), die nicht mehr immer drei, sondern teilweise zwei oder vier Karten erfordern. Es geht nicht mehr um die Mehrheit am Ende, sondern alternativ kann man an einer Stelle mit einen Doppelsieg durchbrechen. Das fühlt sich nebenbei thematisch noch lustig an. Das Huhn (die eine Partei) verteidigt ihre Festung, während der Koch (die andere Partei) mit dem Suppentopf unterm Arm eindringen will, wobei der Turm besser befestigt ist als das Tor. Nach vielen Runden Schotten Totten 1 hatte sich die Strategie etabliert, die einzelnen Abschnitte so lange wie möglich offen zu halten, um das Gegenüber im Unklaren zu lassen, sodass sich dann gegen Ende gezeigt hat, wer sich verspekuliert hatte. Schotten Totten 2 ist da viel drängender. Beinahe von Beginn an gibt es ein Auf und Ab. Großartig! Nostalgische Gefühle kommen bei der hektischen Grafik auf, der die sympathische Gemütlichkeit des Originals weichen musste. Dafür gibt es jetzt eine Farbcodierung, was dringend nötig war. Übrigens lässt sich mit der neuen Ausgabe die Originalvariante nicht spielen, weil von sechs auf fünf Farben (dafür mit den Werten 0 bis 11 statt 1 bis 9) reduziert wurde. |
Aufmachung | Spielbarkeit | Interaktion | Einfluss | Spielreiz | Kommentar |
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27.10.24 von Spielekreisler - Hallo! Entgegen der landläufigen Meinung konnte uns das Spiel überhaupt nicht begeistern, gar nicht. Wir haben zwar das Prinzip verstanden, natürlich - aber da ist uns Poker gleich mal lieber. Wir haben einfach keinen Zugang gefunden, und fanden ST langweilig. |